# taz.de -- Grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch: „Ich kann positiv über… | |
> Bettina Jarasch soll Berlins Grüne 2021 ins Rote Rathaus führen. Ein | |
> Gespräch über Macht, die Verkehrswende und ihren Verehrer von der CDU. | |
Bild: „Die Menschen sind neugierig auf mich“: Bettina Jarasch bei Interview… | |
taz: Frau Jarasch, bitte vervollständigen Sie diesen Satz: Wer sechs Jahre | |
lang Berlins Grüne erfolgreich geführt hat, der kann auch … | |
Bettina Jarasch: (überlegt kurz) … die Stadt regieren. | |
Und was muss eine solche Regierungschefin können? | |
Sie muss steuern und Menschen aus allen Ecken dieser Stadt hinter einem | |
gemeinsamen Ziel versammeln können. Und sie muss sich tatsächlich für | |
Menschen interessieren, zuhören können und auch bei gegensätzlichen | |
Positionen die Gemeinsamkeiten finden. Als ich Parteivorsitzende wurde, | |
galten die Berliner Grünen als zerstritten. Ich habe sie – zusammen mit | |
meinem Co-Vorsitzenden – geeint und erfolgreich in die Regierung geführt. | |
Der widerständige Geist der Grünen als Vorbereitung für das Amt der | |
Regierenden Bürgermeisterin? | |
Wir Grüne sind ein bisschen renitenter und basisdemokratischer als andere | |
Parteien, da muss man als Chefin schon wirklich überzeugen können. Und die | |
Stadt ist ja auch eher widerständig – im guten Sinne! Die Berlinerinnen und | |
Berliner mischen sich gerne ein. | |
Sechs Wochen ist es nun her, dass Sie [1][als designierte Spitzenkandidatin | |
vorgestellt wurden] – Ihre Basis muss ja noch zustimmen. Wie gehen Sie | |
damit um, dass die Reaktionen darauf außerhalb der Grünen nicht berauschend | |
waren? | |
Meine Kandidatur mag viele überrascht haben, aber ich habe bislang von | |
vielen Seiten sehr viel Zuspruch erfahren. Die Menschen sind neugierig auf | |
mich, ich kann positiv überraschen. Und anders als bei anderen Parteien bin | |
ich nicht die letzte Hoffnungsträgerin. Die Voraussetzungen sind gut für | |
uns Grüne. Die Menschen vertrauen uns und sie wollen eine ökologische und | |
soziale Politik für die Stadt, die anpackt, gestaltet und verändert. | |
Womit wollen Sie uns denn positiv überraschen? | |
Vielen Themen werden in Berlin sehr ideologisch und aggressiv diskutiert. | |
Wenn wir nicht versuchen, die Position des anderen zu verstehen und das | |
Verbindende zu suchen, kommen wir als Gesellschaft nicht voran. Dann gibt | |
es nur Gewinner und Verlierer. Es muss doch darum gehen, Menschen hinter | |
einem gemeinsamen Ziel zu versammeln. | |
Sie wollen Wahlkampf machen und als Grüne zugleich weiter regieren: Wie | |
funktioniert das? | |
Das bekommen wir schon hin. Die Berlinerinnen und Berliner wissen, dass es | |
einen Unterschied macht, ob Grüne mitregieren oder nicht. Die Koch- und | |
Kellner-Zeiten sind vorbei, als wir nur servieren sollten, was andere | |
zubereitet haben. Heute erwarten die Leute von uns ein breites Angebot und | |
trauen uns das auch zu. | |
Wovon leiten Sie das ab? | |
Themen wie der Klimaschutz, für die wir von Anfang an gekämpft haben, haben | |
eine Dringlichkeit bekommen und stehen bei der Mehrheit der Gesellschaft | |
ganz oben auf der Agenda. Daraus ergibt sich eine andere Art von Wahlkampf. | |
Natürlich werden Sie mich auch bei Podiumsdiskussion mit den anderen | |
Kandidaten heftig debattieren sehen. Aber wir gehen mit einem Angebot auf | |
die ganze Stadt zu und werden auch mit denen reden, die uns vielleicht am | |
Ende nicht wählen. | |
Das Joe-Biden-Prinzip. | |
Biden hat verstanden, dass er die Gesellschaft nach vier Jahren Trump | |
wieder zusammenführen muss. | |
Ihrem Argument, allein die richtigen Themen hätten die Grünen in Umfragen | |
so stark gemacht, steht entgegen, dass dieser Anstieg eng an die | |
charismatischen Bundeschefs Annalena Baerbock und Robert Habeck gekoppelt | |
ist. Die Person an der Spitze und ihr Gesicht ist schon entscheidend – und | |
das Ihre ist in Berlin noch wenig bekannt. | |
Beides ist wichtig. Bei uns Grünen passen Person, Partei und Programm | |
zusammen. Und dass ich nicht die Einzige bin, die das so sieht, erkennen | |
Sie daran, dass ich gefragt wurde. | |
Sie haben doch gerade gesagt, Sie seien eben nicht die letzte | |
Hoffnungsträgerin Ihrer Partei. | |
Nein, bin ich auch nicht – ich bin die Richtige für diese Zeit. | |
Wenn Sie genau die Richtige für Ihre Partei und Berlin sind, warum hat ihre | |
Partei Sie in den letzten knapp vier Jahren nicht für herausgehobene | |
Aufgaben gebraucht? | |
Das ist eine alte Denke, Herr Alberti. | |
Ich bin auch schon 53. | |
Es ist ein überholtes Politikverständnis, dass sich Können, Macht und | |
Einfluss immer nur von Ämtern ableiten. | |
Ihre Partei hat Sie 2017 nach sechs erfolgreichen Jahren als | |
Landesvorsitzende nicht im Bundestag sehen wollen. Darüber hinaus haben die | |
Wähler über Jahre Senatorin Ramona Pop und Fraktionschefin Antje Kapek als | |
Gesichter der Grünen auf dem Bildschirm gesehen, aber nicht Sie. Wie | |
vermitteln die Grünen, dass keine dieser etablierten Anführerinnen ins Rote | |
Rathaus einziehen soll? | |
Die beiden sind zusammen mit den Landesvorsitzenden zu dem Schluss | |
gekommen, dass ich die beste Kandidatin bin, um die Grünen in den Wahlkampf | |
zu führen. Ich bin sehr froh, dass wir erfahrene Politikerinnen wie Frau | |
Pop und Frau Kapek haben, die in der Coronakrise eine hervorragende Arbeit | |
machen und sich darauf konzentrieren. | |
Als Sie zuhause erzählt haben, dass Sie als Regierende Bürgermeisterin | |
kandidieren sollen, sind Ihre beiden Kinder und ihr Mann da nicht aus allen | |
Latschen gefallen? Viel Privatleben bliebe nicht mehr in dem Amt – und die | |
Personenschützer vom LKA wären dauerhafte Begleiter. | |
Was mir länger zu denken gegeben hat, ist die Frage, ob ich dann noch mit | |
dem Fahrrad rumfahren darf. Vielleicht brauche ich dann eine Fahrradstaffel | |
der Polizei um mich rum. (lacht) | |
Aber Ihre Familie zieht mit? | |
Wenn meine Familie gesagt hätte, dass sie das nicht mitmacht, dann wäre es | |
nicht gegangen. | |
Lassen Sie uns mal auf ein paar inhaltliche Punkte kommen. | |
Das wäre schön. | |
Weil wir bislang mehr über Macht und den Weg dahin gesprochen haben? Ohne | |
Macht lässt sich nun mal kein Inhalt durchsetzen. | |
Man muss Macht mal anders buchstabieren. Macht bedeutet, Ziele umsetzen zu | |
können. Und das funktioniert meiner Erfahrung nach mit Kooperation und | |
Wertschätzung besser und vor allem nachhaltiger. | |
Fangen wir mit dem Thema „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ an, zu dem | |
womöglich im September auch der Volksentscheid ansteht. Unterstützen ja | |
oder nein? | |
Die endgültige Positionierung macht bei uns die Partei, der werde ich hier | |
nicht vorgreifen. Was wir aber immer richtig fanden und nun durchgesetzt | |
haben, ist, dass die Koalition jetzt – angestoßen von den Grünen – auf die | |
Enteignungs-Initiative zugeht und Gespräche führt. Wir teilen die | |
generellen Ziele dieses Volksbegehrens, aber viele Fragen sind offen. | |
Grundsätzlich gilt: Wir müssen die Hälfte der Wohnungen in | |
gemeinwohlorientierte Hand bekommen. | |
Das wären bei rund 1,9 Millionen Wohnungen in Berlin 950.000 – mehr als | |
doppelt so viele wie die 400.000, die sich rot-rot-grüne Koalition 2016 zum | |
Ziel genommen hat. | |
Wir Grünen meinen mit Gemeinwohlorientierung nicht, dass alle unbedingt in | |
staatlichem Eigentum sein müssen – das unterscheidet uns von der | |
Linkspartei. Gemeinwohlorientiert sind alle Vermieter, die bereit sind, | |
sich zu fairen Mietbedingungen zu verpflichten und nicht auf reine | |
Profitmaximierung aus sind. Das können neben Genossenschaften auch private | |
Vermieter sein. | |
Für jene bräuchte es dann eine Art Gütesiegel. | |
Auch das haben wir schon vorgeschlagen. | |
Aber im Volksbegehren steht nichts von einem Siegel: Am Wahltag geht es um | |
Enteignen oder nicht enteignen. | |
Uns überzeugt nicht, dass das Kriterium für eine Enteignung rein | |
quantitativ ist … | |
… weil das Volksbegehren generell alle enteignen will, die mehr als 3.000 | |
Wohnungen haben, egal wie die mit ihren Mietern umgehen. | |
Genau, da möchten wir differenzieren. Und darüber wollen wir mit der | |
Initiative reden, damit sich jetzt schon etwas tut – und nicht erst in ein | |
paar Jahren. Die Linkspartei würde ja am liebsten jetzt schon Stimmen für | |
den Volksentscheid sammeln. Aber warum macht dann deren | |
Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel nicht gleich selbst einen | |
Gesetzesvorschlag? | |
Ein ähnlich kontroverses Thema ist das Tempelhofer Feld: Die FDP will mit | |
einem neuen Volksbegehren erreichen, den Rand zu bebauen. Und Sie? Die | |
Grünen wollten 2014 anfangs auch 2.000 Wohnungen errichten. | |
Wir Grünen haben damals bewiesen, dass wir in der Lage sind, einen dritten | |
Weg zu eröffnen. | |
Der da hieß: ein bisschen weniger Wohnungen als von SPD und CDU geplant. | |
Die haben das Feld dichter bebauen wollen, es kam zum Volksentscheid, bei | |
dem wir gesagt haben: dann ist es uns lieber, dass das Feld frei bleibt. | |
Auch Linkspartei und Piraten hatten eigene Vorstellungen und | |
Kompromissvorschläge mit 1.000 oder 1.800 Wohnungen, da stellen Sie die | |
Grünen jetzt in einem besseren Licht dar, als es wirklich war. | |
Auch andere haben Vorschläge gemacht. Ich finde es sehr fragwürdig, dass | |
die FDP nach dem Tegel-Volksentscheid erneut versucht, direkte Demokratie | |
für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Dieses Feld ist ein großer Schatz | |
und macht ein Stück der Berliner Einzigartigkeit aus. Es gibt genug | |
ausgewiesene Bauflächen, die bislang nicht bebaut werden. Die Frage ist | |
also: Wie können wir schneller planen und bauen? | |
Also ein klares Nein zu einer Bebauung des Feldes? | |
Ein klares Nein. Nicht gegen den Willen der Berlinerinnen und Berliner. | |
Berlin ist weiterhin leider eine Stadt mit vielen armen Menschen, und die | |
Grünen kämpfen immer wieder mit dem Vorurteil, dass sie vor allem Politik | |
für jene machen würden, die sich Bioessen und Elektro-SUV auch leisten | |
können. Gesetzt den Fall, Sie könnten drei Dinge im sozialen Bereich sofort | |
ändern – welche wären das? | |
(überlegt) Ich würde erstens dafür sorgen, dass die Teilhabe in der Schule | |
besser wird – digitales Lernen ist ein zentraler Punkt. Die Schulschließung | |
im Frühjahr wegen der Coronakrise hat gezeigt, dass etwa viele Schülerinnen | |
und Schüler keine Endgeräte, also Computer oder Tablets, haben. Sie sind | |
aus dem Bildungsprozess komplett rausgefallen. Ihre Zukunftschancen haben | |
darunter gelitten. | |
Aber die Bildungsverwaltung hat doch erst Mitte dieser Woche angekündigt, | |
weitere 41.500 Tablets an bedürftige Schüler zu verteilen. Der Punkt hat | |
sich doch schon erledigt. | |
Über digitale Schule können wir noch viel diskutieren. Die Kinder nur mit | |
Tablets auszustatten, reicht nicht, weil vielen Lehrkräften das Know-how | |
fehlt. Vor allem müssen wir an den bildungsfernen Familien dranbleiben und | |
es schaffen, den Kontakt zu halten und stärker zu fördern. | |
Was wäre das zweite? | |
Wir müssen der Verkehrswende weiter Priorität einräumen. Denn entgegen | |
vieler Klischees hilft sie gerade Menschen mit weniger Geld. Weil sie oft | |
kein Auto haben, sind sie auf den öffentlichen Nahverkehr und eine gute | |
Rad- und Fußgänger-Infrastruktur wirklich angewiesen. Deren Ausbau ist ein | |
Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit und für mehr Teilhabe. | |
Und drittens? | |
Wie Sie merken, beschäftige ich mich gerade viel mit den Folgen und | |
Auswirkungen der Coronakrise. Das zeigt sich auch am Umgang mit dem | |
öffentlichen Raum, wo man sich aufhalten, spielen, sich bewegen kann, ohne | |
dass man dafür etwas zahlen muss. Deswegen sind die Pflege der Grünflächen | |
und die Einführung von autofreien Kiezen oder zumindest Spielstraßen für | |
mich zentral – und ein großes soziales Thema. Wer mit Kindern in einer | |
kleinen Mietwohnung sitzt, keinen Garten drumherum hat und auch keine | |
Datsche, der braucht den öffentlichen Raum. | |
Bei der Verkehrspolitik wirft unter anderem die SPD den Grünen vor, nur an | |
die Bewohner der Innenstadt zu denken und andere völlig auszuschließen. | |
Eine autofreie Stadt etwa benachteilige jene, die wirklich auf das Auto | |
angewiesen sind, weil sie am Stadtrand wohnen oder die geplanten höheren | |
Parkgebühren nicht zahlen können. Das sei unsozial. | |
Wir kämpfen für den Ausbau und die Finanzierung des öffentlichen | |
Nahverkehrs, damit die Verkehrswende endlich auch bei den Menschen am | |
Stadtrand ankommt. Denn es stimmt: Sie können bisweilen nicht auf ihr Auto | |
verzichten, um ihren Alltag zu bewältigen. Wenn man etwas verändern will, | |
muss man erst die Voraussetzungen dafür schaffen, damit die Menschen | |
mitgehen können. | |
Das sieht die SPD auch nicht anders. | |
Das ist doch ein guter Fortschritt. Es geht übrigens nicht um Außen- oder | |
Innenstadt. Auch in Pankow oder Spandau sind urbane Zentren super | |
angebunden. Aber eben nicht überall. Dies zu ändern, funktioniert nur mit | |
einem besseren ÖPNV. Und da ärgert es mich, wenn die SPD immer neue Ideen | |
in die Welt setzt, aber nicht sagen kann, wie sie das finanzieren will. | |
Solche Versprechungen finde ich den Wählerinnen und Wählern gegenüber | |
unredlich. | |
Sie meinen damit den [2][von der SPD geforderten Ausbau des U-Bahnnetzes]. | |
Wir wollen nicht die S-Bahn oder U-Bahn gegen die Tram ausspielen oder die | |
eine Strecke gegen die andere. | |
Aber die Grünen spielen doch tatsächlich U-Bahn gegen Tram aus: Im | |
Koalitionsvertrag steht, dass der Tramausbau Vorrang hat. Und daran halten | |
die Grünen fest. | |
Das ist Unsinn. Alle drei Regierungsparteien haben den Ausbau der Tram | |
priorisiert. Weil er schneller und günstiger ist und weil wir wollen, dass | |
die Verkehrswende schnell bei den Bewohnern ankommt. Natürlich gehören | |
U-Bahnen zu einem gut ausgebauten ÖPNV dazu. Deshalb hat unsere grüne | |
Verkehrssenatorin Regine Günther ja auch Machbarkeitsstudien zum | |
U-Bahnausbau in Auftrag gegeben, die die Grundlage für alle | |
Streckenerweiterungen sind. Die SPD interessiert sich doch erst wieder für | |
das Thema, seitdem sie nicht mehr das Verkehrsressort verantwortet. Davor | |
ist da nichts passiert. | |
Viele rot-rot-grüne Politiker gehen fest davon aus, dass die Koalition auch | |
nach der Wahl 2021 fortgesetzt werden kann und soll, weil viele Projekte | |
gerade erst angestoßen wurden. Die SPD hat jetzt schon einen Lagerwahlkampf | |
losgetreten: Fürchten Sie Verletzungen, die eine Fortsetzung von | |
Rot-Rot-Grün nach dem September 2021 unmöglich machen? | |
Da bin ich ganz entspannt. Die SPD hat eine besondere Parteikultur: Da wird | |
munter ausgeteilt – und danach setzt man sich dann doch wieder gemeinsam an | |
einen Tisch. | |
Und Sie sich auch mit der SPD? | |
Klar. Eine favorisierte Fortsetzung von R2G ist kein Grund, auf einen | |
ordentlichen Wahlkampf zu verzichten. Im Gegenteil: Schließlich macht es | |
einen Unterschied, wer vorne steht. | |
Wenn es nicht zu einer Neuauflage von R2G kommt, warum auch immer: Wäre | |
dann die CDU ein potenzieller Regierungspartner? | |
(lacht) Ich muss schon ein wenig schmunzeln über die Balzversuche von Herrn | |
Wegner … | |
… [3][Kai Wegner,] dem Spitzenkandidaten der Berliner CDU. | |
Das fühlt sich ein bisschen an wie früher, als man einen Verehrer hatte und | |
nicht so richtig wusste, wie man mit ihm umgehen soll. | |
Sie sind gläubige Katholikin, die CDU nennt sich eine christliche Partei. | |
Sie haben ihr in einem Interview allerdings sogar abgesprochen, die | |
Schöpfung bewahren zu wollen. | |
Ich kaufe der Union schon lange nicht mehr ab, dass sie, bloß weil sie sich | |
ein C davor schreibt, auch christliche Werte vertritt. Es gibt zahlreiche | |
Wählerinnen und Wähler, denen die Bewahrung der Schöpfung wichtig ist; ich | |
selbst kenne viele, die sich wahnsinnig für Klimaschutz engagieren. Ich | |
finde nur, dass die Berliner CDU das nicht besonders glaubwürdig abbildet. | |
Sie wird ihren eigenen Werten nicht gerecht. | |
Auf einem Parteitag hat die CDU immerhin ein vielseitiges Programm zu | |
Ökologie und Klimaschutz verabschiedet. Das hat es früher so nicht gegeben. | |
Ist das nur Taktik? | |
Kai Wegner hat schon länger die Idee, die CDU zu einer liberalen | |
Großstadtpartei zu machen. Dafür müsste sie unter anderem Verkehrswende und | |
Klimaschutz und offene Gesellschaft können. Aber die einzige Kandidatin, | |
die das halbwegs überzeugend hätte verkörpern können, die haben sie | |
abgeschossen. | |
Monika Grütters. | |
Ja. Und das passt halt nicht zusammen. | |
Ihre Partei hat Sie bei ihrer Vorstellung mehrfach als „Brückenbauerin“ | |
bezeichnet. Hat diese Eigenschaft etwas damit zu tun, dass sie als | |
Katholikin in Berlin leben, sogar im linken Kreuzberg? | |
(lacht) Wir Katholiken sind schon eine kleine radikale Minderheit in dieser | |
Stadt, das stimmt. | |
Interessant. | |
Und dass ich Bündnisse schmieden kann, hat schon einen Grund: Ich weiß, wie | |
es ist, wenn man zu verschiedenen Lebenswelten gehört. Wenn man aber | |
genauer hinschaut, machen fast alle Menschen in dieser Stadt diese | |
Erfahrung: Kein Mensch gehört zu einer ganz homogenen Gruppe. Das liegt an | |
der Vielschichtigkeit der Stadtgesellschaft. Diese Vielschichtigkeit sollte | |
uns aber nicht zerreißen, sondern vielmehr zeigen, wie normal das ist – und | |
welche Stärke darin liegt. | |
Nennen Sie doch mal ein Beispiel. | |
Der Kampf gegen Antisemitismus. Da steht vermeintlich die jüdische | |
Community dieser Stadt gegen die muslimische, oder besser: die AfD und | |
andere Rechtsextremisten versuchen sie gegeneinander aufzuhetzen und | |
gerieren sich plötzlich als aufrechte Kämpfer gegen den Antisemitismus. | |
Tatsächlich geht es ihnen aber darum, gegen Muslime zu hetzen. Mein Ziel | |
ist in diesen Fällen immer, jüdisch-muslimische Allianzen zu bilden. Denn | |
beide haben gemeinsame Ziele. Und ja, ich ziehe da etwas aus meiner | |
Biographie: Ich bin ja nicht nur Katholikin in der Diaspora, ich bin auch | |
Unternehmertochter bei den Grünen – das sind Dinge, die auf den ersten | |
Blick vielleicht nicht zusammenpassen. Aber wenn man sich ernsthaft für | |
andere Menschen interessiert, dann erschließen sich schnell | |
Gemeinsamkeiten. | |
Es gibt durchaus Antisemitismus innerhalb der muslimischen Community. | |
Um Bündnisse zu schmieden ist es wichtig, mit den Zukunftskräften innerhalb | |
der muslimischen Community zu arbeiten, die etwas verändern wollen und die | |
– in diesem Beispiel – gegen Antisemitismus vorgehen. | |
Es gab nach den islamistischen Morden in Paris und Wien auch in Berlin | |
öffentliche Unterstützung für diese Taten von Muslimen. | |
Vereinzelt, ja – und das finde ich auch unerträglich. Dennoch ist es | |
falsch, alle Muslime unter Generalverdacht zu stellen, wie das die AfD | |
macht, und Distanzierungen zu fordern. Von Katholiken verlangt das ja auch | |
keiner, wenn irgendein Bischof eine reaktionäre Position vertritt oder | |
wieder ein Fall von Kindesmissbrauch bekannt wird. | |
Was wird die größte Aufgabe sein in den nächsten zehneinhalb Monaten bis | |
zur Wahl? | |
(überlegt) Genügend Schlaf zu bekommen und Zeit für meine Familie zu | |
finden. | |
16 Nov 2020 | |
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