# taz.de -- Ein Streitgespräch über Rechtsextremismus: Wie rechts ist die Pol… | |
> NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU), der Kriminologe Thomas Feltes und | |
> Kriminalhauptkommissar Sebastian Fiedler diskutieren über | |
> Rechtsextremismus. | |
Bild: Zu viel Corpsgeist in der Hundertschaft? Polizist bei der Ausbildung | |
taz: Meine Herren, wie rechtsextrem ist die deutsche Polizei? | |
Herbert Reul: Die Polizei ist nicht rechtsextrem, aber es gibt zu viele | |
rechtsextreme Polizisten in der Polizei. | |
Sebastian Fiedler: Stimmt, es gibt zu viele Fälle. Von wie vielen Fällen | |
wir wissen, hat das neue Lagebild, das Bundesinnenminister Seehofer in der | |
vergangenen Woche vorgestellt hat, aufgezeigt. Das ist der Status quo. | |
Thomas Feltes: Was wir da gehört haben, sind ja nicht die Fälle, die wir | |
tatsächlich haben. Derzeit werden tröpfchenweise neue bekannt. Da muss | |
dringend eine Klärung her. | |
Im Lagebild ist von 377 rechtsextremen Verdachtsfällen in den | |
Sicherheitsbehörden die Rede, 45 davon aus NRW. Beschreibt das die | |
Realität? | |
Reul: Das war die Beschreibung im März, mittlerweile haben wir ja weiter | |
aufgearbeitet und inzwischen 104 Fälle, weitere 38 Hinweise prüfen wir. | |
Aber ich finde diese Reduzierung auf Fallzahlen nicht zielführend. Ich | |
weiß, dass die allermeisten Polizisten einen super Job machen und | |
zuverlässig arbeiten. Ich weiß aber, dass es auch Probleme gibt, und das | |
auch nicht erst seit gestern. | |
Fiedler: Natürlich beschreibt das Lagebild nur das Hellfeld. Und weil Bund | |
und Länder jetzt aktiv werden, ist damit zu rechnen, dass wir noch mehr | |
sehen werden. Es ist berechtigt zu fragen, was uns das Fällezählen hilft. | |
Entscheidend ist, was wir machen. | |
Feltes: Herr Fiedler, das ist ja nicht mal das Hellfeld. Wir alle wissen, | |
dass Fälle zwar bekannt, aber nicht offiziell gemeldet werden und dann eben | |
nicht in einer Statistik auftauchen. Natürlich kann es nicht allein um | |
Zahlen gehen. Wir müssen wissen, in welchem Kontext solche Ereignisse | |
geschehen und wie die Polizei damit umgeht. Ich würde nicht von | |
strukturellem Rassismus sprechen. Es sind immer einzelne Personen, die | |
rassistisch sind. Aber es gibt ein strukturelles Problem bei der Polizei. | |
Und das liegt im Umgang mit Rechtsextremismus und Rassismus. Darüber müssen | |
wir reden. | |
Innenminister Seehofer hat eher Entwarnung gegeben. Bei der Präsentation | |
des Lagebildes betonte er, über 99 Prozent der Polizist:innen stünden auf | |
dem Boden des Grundgesetzes. Und ein strukturelles Problem gebe es nicht. | |
Feltes: Diese 99 Prozent tauchen immer wieder auf. Wenn man das eine, | |
fehlende Prozent auf die deutsche Polizei runterrechnet, wären es 3.000 | |
Fälle pro Jahr. Aber wir wissen gar nicht, ob es um 99 oder 95 oder wie | |
viel Prozent auch immer geht. | |
Fiedler: Die 99 Prozent sind ein sprachliches Bild. Was Herr Seehofer und | |
vermutlich alle Innenminister vermitteln wollen, ist, dass die Masse der | |
Beschäftigten in den Sicherheitsbehörden keine Probleme mit Rassismus oder | |
Rechtsextremismus hat. | |
Herr Reul, wenn wir gar nicht wissen, wie groß der Anteil wirklich ist, wie | |
kann man da Entwarnung geben? | |
Reul: Das kann man nicht, das hat Herr Seehofer aber auch nicht gemacht. | |
Aber ich mache nicht mit, alle Polizisten generell zu kritisieren. Die | |
Frage ist für mich nicht, ob es viele oder wenige problematische Fälle | |
gibt, sondern warum es diese gibt und was wir tun müssen, damit es die in | |
Zukunft nicht mehr gibt. Wir wissen durch Studien, dass bei | |
Polizeianwärtern durch die Ausbildung die Affinität zu Rassismus und | |
Rechtsextremismus sinkt. Das Problem entsteht also später. | |
Ist es zur Bekämpfung des Problems nicht wichtig zu wissen, ob es um ein | |
oder fünf oder zehn Prozent der Beamt:innen geht? Warum sträuben Sie sich | |
gegen eine Studie, die das ermittelt? | |
Reul: Ich sträube mich gegen eine symbolische Studie. Studien mit langer | |
Entstehungszeit, bei denen manchmal der Autor vorher schon weiß, was | |
herauskommen soll, wird es mit mir nicht geben. | |
Feltes: Welcher Professor kennt denn schon vor Studienbeginn seine | |
Ergebnisse, Herr Reul? Das ist ein ziemlich starker Vorwurf für ein | |
Mitglied der Landesregierung. Damit diskreditieren Sie Wissenschaft. | |
Fiedler: Wir müssen doch zwei Dinge auseinanderhalten: Eine Studie bringt | |
keine neuen Fälle zutage. Sie soll dazu dienen, Einstellungen von Beamten | |
zu erheben. Eine solche Studie fordern wir seit einem Jahr. | |
Feltes: Untersuchungen zu gesellschaftlichen Einstellungen gibt es bereits, | |
unter anderem die „Mitte-Studie“ von Andreas Zick in Bielefeld. Damit | |
kommen wir nicht weiter. Zumal Einstellungen alleine in diesem Kontext | |
nicht wirklich hilfreich sind. Die Polizisten wissen bei solchen Studien | |
ja, worum es geht, und äußern sich gegebenenfalls entsprechend. Deshalb | |
hätte ich als Wissenschaftler bei einer reinen Einstellungsstudie von | |
vornherein große Bedenken, was die Validität angeht. | |
Was brauchen wir dann? | |
Feltes: Man muss mit Fallkonstellationen arbeiten, um hinter die | |
Einstellungen zu schauen und zu überprüfen, wie sich Polizeibeamte in | |
bestimmten Situationen verhalten. Für mich ist dabei das Verhalten der | |
Vorgesetzten entscheidend. | |
Laut der erwähnten „Mitte-Studie“ haben 15 bis 20 Prozent der deutschen | |
Bevölkerung einzelne demokratiefeindliche Einstellungen, etwa 6 Prozent ein | |
geschlossenes rechtsextremes Weltbild. Warum sollte das bei der Polizei | |
anders sein? | |
Feltes: Dahinter steht die Frage, ob die Polizei ein Spiegelbild der | |
Gesellschaft ist. Ich weiß es nicht. Man kann argumentieren, dass das so | |
ist. Oder sagen, die Polizei arbeitet in Bereichen, wo sich solche | |
Tendenzen mit der Zeit verstärken. Der Anteil könnte also sogar noch höher | |
sein. | |
Fiedler: Die Polizei ist nicht Spiegelbild der Gesellschaft und darf das | |
auch nicht sein. Sie ist ein Ausschnitt der Gesellschaft. Sonst bräuchten | |
wir ja gar keine Auswahlverfahren machen und müssten nicht ausbilden, mit | |
Inhalten wie interkulturelle Kompetenz. | |
Aber es gibt es auch die These, dass die Polizei gerade für autoritäre | |
Charaktere attraktiv ist. | |
Fiedler: Das glaube ich nicht. Die Untersuchung der Hochschule in | |
Nordrhein-Westfalen, die Herr Reul angesprochen hat, spricht eine andere | |
Sprache: Im Verlauf von Ausbildung und Studium werden die Probleme weniger. | |
Das nährt die These, dass die Ursachen im Arbeitsalltag in geschlossenen | |
Dienstgruppen zu suchen sind. | |
Heißt was? | |
Fiedler: Dazu gehört zum Beispiel die Arbeit in Stadtquartieren, wo Beamte | |
täglich mit problematischen gesellschaftlichen Schichten zu tun haben, wo | |
sie Straftäter festnehmen, die keinen deutschen Ausweis haben, und | |
feststellen, dass die Justiz nicht so funktioniert, wie sie ihrer | |
Einschätzung nach funktionieren sollte. Und dann weiß man seit Jahrzehnten, | |
dass Gruppendruck und Konformität unheimlich starke psychologische Faktoren | |
sind. Die Frage ist doch, wie die, die in diesen Gefügen einen starken | |
Gruppendruck empfinden, sich bei Problemen trotzdem trauen, sich nach außen | |
zu wenden. Wie also Hinweisverfahren funktionieren und wie mit diesen | |
Hinweisen umgegangen wird. | |
Herr Reul, Ihr Bundesland ist ja gerade Epizentrum der Debatte. Kürzlich | |
wurden rechtsextreme Chatgruppen von PolizistInnen aufgedeckt. 31 | |
BeamtInnen mussten suspendiert werden. Das Ganze ist zufällig aufgeflogen, | |
keiner der Betroffenen hatte die Hitlerbilder und Hakenkreuze gemeldet. | |
Warum nicht? | |
Reul: Das wissen wir nicht. Diese Gruppe hat sich anscheinend so | |
verselbstständigt, dass keiner mehr ausgeschert ist und den Mund aufgemacht | |
hat. Das zeigt, dass wir die Fehlerkultur in der Polizei verbessern müssen. | |
Und ich erwarte vom Führungspersonal, dass es aufpasst und sich kümmert. | |
In der Chatgruppe war ein Dienstgruppenleiter, der hat nichts unternommen. | |
Reul: Das meine ich ja damit. | |
Feltes: Herr Reul, mir kann doch keiner erzählen, dass den Beamten, die an | |
diesen Chatgruppen beteiligt waren, in all den Jahren nicht auch im Alltag | |
das eine oder andere rausgerutscht ist. Wahrscheinlich wollte es niemand | |
wissen. Das ist das eigentliche Problem. Und wir hatten solche Chatgruppen | |
auch unter Polizei-Azubis, in NRW und in Baden-Württemberg. Die Ausbildung | |
schützt nicht. Die Vorgesetzten müssen sensibilisiert werden und dann | |
intervenieren. Aber Intervention über Sanktionen ist der falsche Ansatz. | |
Disziplinarmaßnahmen haben vor Verwaltungsgerichten oft keinen Bestand. Es | |
muss sensibilisiert werden, geholfen und unterstützt. | |
Reul: Ich halte es schon für richtig, die zu sanktionieren, die wir | |
erwischen. Aber das Ziel ist, eine Kultur in der Polizei zu entwickeln, wo | |
man selbstbewusst miteinander umgeht und wenn Kollegen sich unangemessen | |
verhalten, sich auch einmischt. Und dass man denen hilft, die im | |
Berufsalltag nicht mehr mit den großen Fragen klarkommen. Das kann | |
Supervision sein, das können andere Arbeitsmöglichkeiten sein. | |
Feltes: Wir wissen doch schon lange, dass es Belastungsmomente gibt. Ich | |
fordere seit 20 Jahren ein Rotationsprinzip, in problematischen Bereichen | |
nach zwölf Monaten. Aber das wird wegen des Widerstands der Gewerkschaften | |
nicht umgesetzt. Da wünsche ich mir von der Politik ein Machtwort. | |
Reul: Von Rotationen um jeden Preis halte ich nichts. Vorgesetzte müssen | |
merken, wenn etwas schiefläuft, und dann eingreifen. | |
Fiedler: Ich weiß nicht, welche Gewerkschaften Sie meinen, Herr Feltes. | |
Diese Maßnahme liegt doch auf der Hand. Problematisch wird es, wenn es | |
konkret wird. Merkt der Vorgesetzte, wenn einer abdriftet? Und wo schiebt | |
man die Beamten hin? Das ist nicht ganz so trivial. | |
Welche Rolle genau spielt die Polizeikultur, dieser Corpsgeist: Man kennt | |
sich, man deckt sich, man will nicht Denunziant sein? | |
Reul: Ich glaube, dass es in Chatgruppen von Lehrern oder Journalisten | |
ähnliche Probleme gibt. Aber bei uns darf es das nicht geben. Wer nicht die | |
Menschenwürde und den Rechtsstaat verteidigt, kann kein Polizist sein. | |
Fiedler: Wir beschäftigen uns seit Jahrzehnten mit solchen Fragen. Nehmen | |
wir die Korruptionsbekämpfung. NRW hat seit 15 Jahren eine | |
Korruptionshotline beim LKA, bei der sich Personen melden können, die zum | |
Beispiel feststellen, dass sich Kollegen in ihrem Umfeld schmieren lassen. | |
Es gibt in der Frage der Hinweisgeber-Systeme auch eine EU-Richtlinie, die | |
umzusetzen ist. In unserem Beruf gilt aber auch: Wir vertrauen uns im | |
Zweifelsfall unser Leben an. Deshalb ist es gut und richtig, dass man sich | |
aufeinander verlassen kann. Es wird aber schwierig, wenn es solche | |
Radikalisierungstendenzen gibt. | |
Feltes: Es gibt viele Berufsgruppen, die unter extremem Druck arbeiten und | |
sich aufeinander verlassen müssen, von der Sozialarbeit bis zur | |
Intensivmedizin. Dort weiß man, dass man Unterstützung braucht. Die Polizei | |
hat das über Jahrzehnte vernachlässigt. Und sie hat ein festes Muster | |
entwickelt, auch beim Thema Polizeigewalt: Alle stehen drumherum und tun | |
nichts. Das lässt sich nur mit einer falschen Fehlerkultur erklären: Es | |
dürfen keine Fehler gemacht werden, und passiert es doch, werden sie | |
vertuscht. Das habe ich selbst erlebt, als ich zehn Jahre Rektor an einer | |
Polizeihochschule in Baden-Württemberg war. Das ist eine toxische | |
Subkultur. | |
Fiedler: Mit diesem Label beleidigen Sie meinen Berufsstand! Gerade unsere | |
Kriminalpolizei ermittelt ständig gegen Kolleginnen und Kollegen, und zwar | |
professionell und erfolgreich. | |
Feltes: Wie viele Fälle gibt es denn da im Jahr? | |
Fiedler: Das kann ich spontan nicht sagen. | |
Feltes: Eben. Weil es Fälle im zweistelligen Bereich sind. Tun Sie doch | |
nicht so, als würde die Polizei ständig gegen KollegInnen ermitteln. Und | |
ich habe auch keine Person beleidigt, sondern mir geht es um die Struktur. | |
Da gibt es ein Problem. Und je mehr man das negiert, umso schlimmer wird | |
es. | |
Fiedler: Und je mehr man pauschalisiert, umso schlimmer wird es. Man kann | |
darüber sprechen, an welchen Stellen die Fehlerkultur der Polizei zu | |
verbessern ist. Aber zu behaupten, die ganze Polizei habe eine | |
unterirdische Fehlerkultur, erweist uns einen Bärendienst. | |
Herr Reul, sehen Sie eine toxische Subkultur in der Polizei? | |
Reul: Es lebe das Vorurteil. Die Wahrheit ist: Die Menschen sind sehr | |
unterschiedlich und die Polizei ist es auch. Die Behauptung, alle | |
Polizisten hätten keinen Mut, etwas gegen Missstände zu sagen, stimmt | |
nicht. Die meisten Hinweise der letzten Wochen über Fehlverhalten von | |
Polizistinnen und Polizisten kamen aus der Polizei. Und es gibt keine | |
pauschal schlechte Struktur. Aber Herr Feltes hat recht, dass wir daran | |
arbeiten müssen, dass die Fehlerkultur in der Polizei besser wird. | |
Und wie? | |
Reul: Anfangen, selber Vorbild sein und ein anderes Verhalten einfordern. | |
Ich verlange in jeder Rede und bei jeder Vereidigung, dass die Beamten | |
ihrem Eid auf die Verfassung folgen: Die Würde des Menschen ist | |
unantastbar. Ich fordere sie auf zu melden, wenn etwas schiefläuft. Dafür | |
habe ich Extremismusbeauftragte in allen Polizeibehörden eingeführt, damit | |
niedrigschwellig gemeldet werden kann. Mein Ziel ist, dass die Polizisten | |
diese Dinge selber klären und hinweisen: So geht es nicht. | |
Zuletzt sendeten Sie an Ihre Polizisten aber auch andere Signale: Sie sagen | |
den „Clans“ den Kampf an, mit einer Politik der Nadelstiche. Die Polizei | |
Essen arbeitet dabei mit einer Broschüre, in der „Clans“ per se als | |
kriminell abgestempelt wurden. Lenkt das nicht auch polizeiliches Handeln | |
in eine falsche Richtung? | |
Reul: Die Broschüre ist nicht so, wie sie in der Öffentlichkeit dargestellt | |
wird. Der Einsatz gegen Clans verschafft Vertrauen und sollte jetzt nicht | |
in dieser Form problematisiert werden. | |
Feltes: Für mich ist sie eine indiskutable Zusammenstellung von | |
Pauschalisierungen und Stigmatisierungen, die durch nichts belegt sind. | |
Dass der Essener Polizeipräsident sie abgesegnet hat, ist ein Skandal. So | |
werden Brücken zu jungen Menschen aus dieser Zielgruppe abgebaut. Ihnen | |
wird vermittelt: Es ist politisch gewollt, gegen euch alle repressiv | |
vorzugehen. | |
Fiedler: Sie reden Phänomene klein und diskreditieren Polizeiarbeit! Wir | |
reden hier von organisierter Kriminalität und tausenden Straftätern allein | |
im Hellfeld. | |
Reul: Das Problem wurde 30 Jahre in NRW nicht angefasst. Eine Politik, | |
nicht über Clans zu reden und nichts zu tun, weil das zu Stigmatisierung | |
führen könnte, hat dazu beigetragen, dass die Bevölkerung der Polizei und | |
dem Staat nicht mehr traut. | |
Feltes: Ich sehe vor allem unverantwortliche Symbolpolitik. | |
Besteht hier nicht die Gefahr, nämlich die des Racial Profiling? Berliner | |
Polizisten räumten zuletzt ein, dass es diese Praxis gibt. Auch Betroffene | |
berichten davon und von einem Verlust des Vertrauens in die Polizei. Kann | |
man das so einfach hinnehmen? | |
Fiedler: Wer tut das denn? Racial Profiling ist rechtswidrig, und es ist | |
auch unprofessionell, weil es uns nicht zum polizeilichen Ziel führt. Ich | |
kenne allerdings auch die Berichte von Migrantenverbänden, sie sind äußerst | |
ernst zu nehmen. Wir sind auf das Vertrauen der Bevölkerung angewiesen, der | |
kompletten Bevölkerung. Aber es bedeutet auch nicht, dass das | |
Erscheinungsbild keine Rolle spielen darf in der Polizeiarbeit. | |
Reul: Ich kenne keine Zahlen, dass das Vertrauen in die Polizei schwindet. | |
Aber es gibt Probleme. Es gibt aber auch willkürliche Vorwürfe, die ich | |
nicht akzeptiere. Wo sie berechtigt sind, wird ihnen nachgegangen. | |
Feltes: Es ist schade, dass auch beim Racial Profiling von der Politik seit | |
Jahren Studien blockiert werden. Dabei gibt es fast niemanden mehr in | |
Deutschland, der dieses Problem negiert. Den Verlust des Vertrauens von | |
jungen Menschen mit Migrationshintergrund in die Polizei gibt es | |
tatsächlich – eine Gruppe, die in den nächsten Jahren eine große Rolle in | |
unserer Gesellschaft spielen wird. | |
Wie kommen wir zum Kulturwandel in der Polizei? | |
Reul: Also eine Debatte, die die Polizei an den Pranger stellt, hilft | |
überhaupt nicht weiter. Eine Politik, die die wirklichen Probleme der | |
Polizei benennt und mit dieser gemeinsam versucht, sie zu lösen, das muss | |
der Weg sein. | |
Feltes: Es ehrt Sie, Herr Reul, dass Sie das Problem von oben lösen wollen. | |
Aber meine Erfahrung zeigt: Innenminister kommen und gehen, die Polizei | |
bleibt, wie sie ist. Ihre Möglichkeiten sind beschränkt. Wir brauchen eine | |
breite Diskussion innerhalb der Polizei. | |
Fiedler: Also unser Verband und ich widmen uns diesem Thema seit anderthalb | |
Jahren intensiv. Im gesamten Vorstand ist die Stimmung da sehr eindeutig. | |
Und das sind ja alles demokratisch gewählte Kolleginnen und Kollegen, die | |
aus der Breite der Belegschaft kommen. | |
Feltes: Und wir brauchen auch noch ein Zweites: externe Meldestellen. Sonst | |
besteht die Gefahr, dass durchsickert, wo der Hinweis herkam, und dann wird | |
geschasst und gemobbt. | |
Fiedler: Mit so einer Stelle hätte ich kein Problem. Für die Bundeswehr | |
gibt es den Wehrbeauftragten, angedockt an den Bundestag. Wir benötigen | |
auch unabhängige Beauftragte für die Polizei bei den Parlamenten, die als | |
Anlaufstelle für die Polizeibeschäftigten dienen. | |
Reul: Bevor ich vor drei Jahren ins Amt kam, gab es keinen | |
Polizeibeauftragten. Den haben wir nun eingeführt. | |
Der ist aber Ihnen unterstellt und nicht unabhängig. | |
Reul: Wenn der Beauftragte nicht funktioniert, können wir über was Neues | |
nachdenken. Jetzt probieren wir das aus. | |
Fiedler: Wir haben bisher einen wichtigen Punkt gar nicht besprochen: die | |
Strategien der Rechtsextremen sowie ihres parlamentarischen Armes. Deren | |
Hauptziel ist die Destabilisierung unseres demokratischen Rechtsstaats. | |
Dabei adressieren sie gezielt auch die Sicherheitsbehörden mit rechten | |
Narrativen, die vor allem in Brennpunktrevieren Wirkung entfalten. Das | |
Risiko für die dort tätigen Kolleginnen und Kollegen, Vorurteile | |
herauszubilden, ist damit ein doppeltes: durch die während der Arbeit | |
gemachten Erfahrungen und durch die Einwirkung von rechts außen. | |
Reul: Diese Gefahr wird unterschätzt, eindeutig. Aber ich glaube, dass die | |
Beamten widerstandsfähig sind. Wenn wir wissen, dass bestimmte Polizisten | |
anfällig sind, weil sie an der Grenze der Belastbarkeit arbeiten, dann | |
müssen wir sie unterstützen. Wir müssen ihre Arbeitssituationen prüfen und | |
Konzepte entwickeln, mit denen wir mögliche Probleme schnell und nachhaltig | |
lösen. | |
Feltes: Was mir auffällt: Wir reden hier von einer Unmenge Maßnahmen, aber | |
Herr Reul, Sie bestreiten ein strukturelles Problem. Aber wenn wir so viele | |
Lösungen brauchen, gibt es dieses Problem nicht vielleicht doch? Wir haben | |
in der Polizei bisher keine positive Kultur. Genau das muss sich ändern, | |
und da reichen auch ein paar Maßnahmen in NRW nicht. | |
13 Oct 2020 | |
## AUTOREN | |
Sabine am Orde | |
Konrad Litschko | |
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