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# taz.de -- Vorwürfe gegen Polizei Magdeburg: Antisemitismus, ganz normal
> Eine gesamte Dienststelle der Polizei Sachsen-Anhalt soll Antisemitismus
> toleriert und verbreitet haben. Die Landespolitik zieht erste
> Konsequenzen.
Bild: Bei der Einweihung einer neuen Zwingeranlage der Polizei Sachsen-Anhalt: …
Leipzig/ Berlin taz | In der gesamten Magdeburger Dienststelle der
Bereitschaftspolizei soll es seit den 1990er Jahren üblich und gängige
Praxis sein, den Betreiber der dortigen Kantine als „Juden“ zu bezeichnen.
Das gab der sachsen-anhaltische Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) am
Montag bekannt.
Die Fälle wurden aufgrund einer anonymen E-Mail bekannt, die am vergangenen
Freitag – dem [1][Jahrestag des antisemitischen und rassistischen
Terroranschlags in Halle] – bei der Polizeidienststelle Burgenlandkreis
eingegangen war. In dieser beschuldigte der:die Absender:in, die „komplette
Dienststelle“ habe den Umstand gekannt und „nichts zur Unterbindung“ geta…
„Dieser institutionelle Antisemitismus muss aufhören“, heißt es im
Schreiben.
Die Vorwürfe seien unverzüglich untersucht worden und hätten sich
bestätigt, so Stahlknecht. Er sei „betroffen, erschrocken, wütend und
erschüttert“ ob der Vorfälle. Noch vorige Woche stand der Innenminister
selbst [2][in der Kritik], nachdem er gesagt hatte, die Polizeikräfte, die
jüdische Einrichtungen in Sachsen-Anhalt bewachten, würden anderswo fehlen.
Der Zentralrat der Juden warf ihm vor, Antisemitismus zu befördern, und
legte ihm den Rücktritt nah. Auch Max Privorozki, der Vorsitzende der
Jüdischen Gemeinde Halle, sagte, über Stahlknechts Aussage sei er „wirklich
erschrocken“.
## Ähnlicher Fall in der Bundeswehr
Stahlknecht selbst wies die Verantwortung von sich und sagte auf einer
Pressekonferenz lediglich, es tue ihm leid, wenn er missverstanden worden
sei. Die Polizeipräsenz zum Schutz jüdischer Einrichtungen habe „oberste
Priorität“.
Nun sieht sich der Innenminister zum Handeln gezwungen: Eine
Sonderkommission soll den Fall in der Magdeburger Polizei genauer
untersuchen. Laut Stahlknecht soll Jerzy Montag, rechtspolitischer Sprecher
der Grünen-Bundestagsfraktion, die Untersuchung leiten. Aus internen
Kreisen wurde jedoch dementiert, dass es hierzu bereits feste Absprachen
gebe. Es sei lediglich über eine Anfrage und Überlegungen gesprochen
worden.
Montag wäre als Experte nicht unerfahren: Er leitete bereits die
Sonderermittlungen im Fall Oury Jalloh und sitzt derzeit als Experte in der
Kommission zur Aufarbeitung der Rechtsextremismus-Vorfälle in der
hessischen Polizei.
Über die Ermittlungen im konkreten Fall Magdeburg hinaus versucht das
Landesinnenministerium weitere Konsequenzen zu ziehen. So soll der
Verfassungsschützer Stefan Damke zukünftig den neu geschaffenen Posten
eines Extremismusbeauftragten einnehmen und eine Beschwerdestelle
einrichten. Außerdem sollen externe Expert:innen die Verbreitung von
Antisemitismus und Rassismus in der Landespolizei untersuchen.
Eine ähnliche Studie hatte bereits der niedersächsische Innenminister Boris
Pistorius (SPD) auf den Weg gegeben. Bundesinnenminister Horst Seehofer
(CSU) [3][lehnte es bislang ab, solche Untersuchungen auf Bundesebene
durchzuführen]. Er behauptete, in den Sicherheitsbehörden von Bund und
Ländern gebe es „kein strukturelles Problem“. Christiane Bergmann,
Abteilungsleiterin für Öffentliche Sicherheit im Innenministerium
Sachsen-Anhalt, betonte im Hinblick auf den jüngsten Fall in Magdeburg
hingegen: „Man kann nicht von Einzelfällen sprechen.“
Ein ähnlicher Fall war Anfang des Jahres aus der Bundeswehr bekannt
geworden: Der Wehrbeauftragte des Bundestags berichtete in seinem
Jahresbericht von einer Unteroffizierin, die einen Kantinenpächter wegen
angeblich überhöhter Preise als „richtigen Juden“ bezeichnete. Sie erhielt
ein Disziplinarverfahren, der Ausgang ist nicht bekannt.
13 Oct 2020
## LINKS
[1] /Gedenken-an-den-Halle-Anschlag/!5717144
[2] /Schutz-von-juedischen-Einrichtungen/!5716143
[3] /Racial-Profiling-bei-der-Polizei/!5707568
## AUTOREN
Sarah Ulrich
## TAGS
Antisemitismus
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Magdeburg
Polizei
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