# taz.de -- Chats der Polizei Sachsen-Anhalt: Hitler-Bild und Antisemitismus | |
> Wegen rechtsextremer Chats sollen 18 Polizeibedienstete in Sachsen-Anhalt | |
> entlassen werden. Die Innenministerin spricht von einer „Schande“. | |
Bild: Ein Streifenwagen vor dem Justizzentrum in Magdeburg | |
LEIPZIG taz | In Sachsen-Anhalt sollen 18 Polizeibedienstete entlassen | |
werden, weil sie als Polizeischüler:innen über Jahre hinweg an einem | |
WhatsApp-Klassenchat mit nationalsozialistischen, antisemitischen, | |
rassistischen und gewaltverherrlichenden Inhalten beteiligt gewesen sein | |
sollen. „Von den 18 Bediensteten haben nach derzeitigem Erkenntnisstand 11 | |
aktiv Nachrichten, Videos und Bilder mit entsprechenden Inhalten in die | |
Chatgruppe eingestellt“, sagte Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara | |
Zieschang (CDU). | |
Der Chat bestand von 2017 bis 2021. Als die WhatsApp-Gruppe eröffnet wurde, | |
waren die damaligen Polizeischüler:innen zwischen 16 und 33 Jahre | |
alt. Von mehr als 5.000 Nachrichten seien mindestens 50 antisemitisch, | |
rassistisch oder gewaltverherrlichend gewesen, sagte Zieschang. Jemand soll | |
zum Beispiel ein Foto von Adolf Hitler mit einer antisemitischen | |
Beschriftung gepostet haben. Auch das Foto einer zerstückelten Frauenleiche | |
soll geteilt worden sein. Nach Angaben des Innenministeriums standen die 18 | |
Beteiligten, die nun entlassen werden, kurz vor ihrer Verbeamtung. | |
Gegen vier der 18 Polizist:innen wird außerdem strafrechtlich ermittelt | |
– wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, | |
Volksverhetzung und der Verbreitung gewalt- und tierpornografischer | |
Schriften. | |
„Dieses Verhalten und insbesondere die Inhalte des Chats, die mit der | |
Pflicht zur Verfassungstreue nicht zu vereinbaren sind, werden von mir, von | |
der gesamten Landespolizei nicht toleriert“, sagte Zieschang. „Sie | |
widersprechen unserem Berufsethos und unserem Leitbild.“ Der Chat habe | |
nicht nur sie erschüttert, sondern sei „eine Schande“ [1][für | |
Sachsen-Anhalts Polizei]. Der Fall sei in der Geschichte der Landespolizei | |
einmalig. | |
## Die Ermittler waren zufällig auf die Chats gestoßen | |
Die Polizei Halle ist zufällig auf den Chat gestoßen. Eigentlich hat sie | |
gegen einen ehemaligen Polizeischüler der Fachhochschule Aschersleben in | |
einer anderen Sache ermittelt. | |
Die Fraktionen im Landtag von Sachsen-Anhalt zeigen sich schockiert über | |
den Fall und fordern eine gründliche Aufarbeitung. „Dass unter | |
Polizeischüler:innen und Dienst tuenden Polizist:innen jahrelang | |
ein solcher Ungeist, eine solche Unkultur herrschen konnte, gibt Anlass zu | |
größter Sorge. Dass nicht ein einziger Beamter aus der Chatgruppe | |
einschritt, ist besonders für Betroffene von Gewalt und Kriminalität ein | |
entmutigendes Signal“, sagte Sebastian Striegel, innenpolitischer Sprecher | |
der Grünen-Fraktion, der taz. Es brauche einen unabhängigen | |
Polizeibeauftragten. | |
Henriette Quade von der Linksfraktion forderte das Innenministerium dazu | |
auf, „endlich“ rassistische, antisemitische und demokratiefeindliche | |
Einstellungen in der Polizei zu analysieren. Der Fall habe erneut gezeigt, | |
„dass extrem rechte Einstellungen bei Polizeikräften kein Einzelfall sind, | |
sondern ein strukturelles Problem vorliegt“. | |
## Opposition kritisiert auch Führungsversagen | |
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rüdiger Erben, teilte mit: | |
„Wenn sich ein ganzer Klassenverband derartig im Netz bewegt, dann muss das | |
auch in der Realität bemerkt worden sein. Bei einem solchen ungesunden | |
Korpsgeist von zukünftigen Polizistinnen und Polizisten hat auch die | |
Obhutspflicht von Vorgesetzten versagt.“ | |
Guido Kosmehl von der FDP-Fraktion fordert „ein konsequentes Handeln unter | |
Ausschöpfung aller straf- und disziplinarrechtlichen Möglichkeiten“. Chris | |
Schulenburg, der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, betonte, dass | |
die Landespolizei und die Innenministerin den Vorfall sehr ernst nähmen. | |
Die zugesagte weitere Aufarbeitung sei für das Vertrauen in die | |
Landespolizei existenziell. | |
Die Berufsvereinigung PolizeiGrün teilte auf Twitter mit: „Schande für die | |
Polizei? Die größte Schande ist es, dass viele solcher Gruppen zufällig im | |
Kontext anderer Ermittlungen auffliegen.“ Uwe Bachmann, Landesvorsitzender | |
der Gewerkschaft der Polizei, forderte eine „lückenlose“ Aufklärung. | |
„Wieder bringen Personen den Ruf einer sehr gut arbeitenden Polizei in | |
Sachsen-Anhalt in Verruf und beschädigen damit das Ansehen unserer | |
Landespolizei.“ | |
Die Polizei Sachsen-Anhalt wollte sich gegenüber der taz nicht zu dem Fall | |
äußern. | |
16 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Rieke Wiemann | |
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