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# taz.de -- Polizeigewalt in Berlin: Hieb in den Nacken
> Über 90.000 Mal ist ein Video über Polizeigewalt in Friedrichshain
> inzwischen geklickt worden. Ermittlungen wegen Körperverletzung im Amt
> eingeleitet.
Bild: Polizisten vor Beginn der Räumung des autonomen Hausprojekts Liebig 34
Berlin taz | Die jungen Männer sind aufgebracht. „Ey, was hat er gemacht,
Digger?“ brüllen sie; Digger steht in der Jugendsprache für „Kumpel“ und
„Alter“. Über 90.000 Mal ist das Video bei Twitter inzwischen geklickt
worden. Zu sehen ist ein Berliner Polizist, der äußerst brutal gegen einen
jungen Mann vorgeht.
Genau 63 Sekunden dauert die Sequenz, die am Freitag in Friedrichshain
aufgenommen worden ist. Laut Polizeipressestelle hat sich die Szene gegen
16.25 Uhr an der Rigaer Straße/Ecke Waldeyerstraße abgespielt. Mehr wollte
die Polizei mit Verweis auf laufende Ermittlungen am Montag nicht sagen.
Wenige Straßenecken von dem Vorfall entfernt war am Freitag das autonome
Hausprojekt in der Liebigstraße 34 geräumt worden. Eine auf der Straße
geparkte Wanne ist in dem Video zu sehen und an der Ecke zwei Polizeibeamte
in schwarzen Einsatzeinanzügen – sie haben keine Helme auf – im Disput mit
zwei Jugendlichen. Der eine hat eine gestreifte, orangerote Jogginghose an
und eine Tischtenniskelle in der Hand, mit der gestikuliert er beim Reden.
Der andere Jugendliche ist dunkel gekleidet, seine Armen hängen schlaff
herunter. Worum es in dem Disput geht, ist nicht zu verstehen. Dann macht
der Dunkelgekleidete einen Schritt rückwärts. Einer der beiden Beamten
folgt ihm, schubst ihn, verpasst ihm einen Schwinger mit der Faust, dass
der Kopf des Jungen zurückfliegt, und packt ihn an der Jacke.
Dann macht die Kamera einen Schwenk. Andere Polizisten kommen aus
unterschiedlichen Richtungen angerannt. Als die Handykamera wieder bei dem
Dunkelgekleideten ist, liegt der bereits bäuchlings auf dem Boden, der
Polizist kniet auf ihm und verpasst ihm einen Hieb in den Nacken. Die
Händen auf dem Rücken gefesselt, wird der junge Mann von zwei Beamten
abgeführt.
## „Wir haben nur Tischtennis gespielt“
Während der ganzen Szene hört man die aufgebrachten Rufe des Jugendlichen
mit Jogginghose und Tischtenniskelle sowie eine weitere Stimme,
möglicherweise die des Filmenden. „Was soll das hier“ – „Was hat er
gemacht, Digger?“ – „Wir haben nur Tischtennis gespielt.“ – Eine Stim…
vermutlich der Filmende, erklärt, dass man alles auf Video habe. Kaum
gesagt, sieht man nur noch die Füße eines Uniformierten, der sich vor der
Kamera aufgebaut hat. „Ich filme dich nicht ins Gesicht, aber ich filme die
Aktion, die ist Scheiße, Digger,“ ruft der Filmende dem Beamten zu.
Ein Polizeisprecher erklärte am Montag auf Nachfrage, es sei ein
Ermittlungsverfahren wegen möglichen Verdachts der Körperverletzung im Amt
eingeleitet worden. Zu Einzelheiten könne man noch nichts sagen. Auch
nicht, warum, die Beamten an der Ecke eingesetzt gewesen seien und warum es
zu der „Interaktion“ zwischen den Beteiligten gekommen sei.
Biblap Basu, Sprecher der „Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt“
(Kop) und Reach Out, ist das Video bekannt. Die gefilmte Szene erinnere ihn
an Sequenzen, die vor allem für Migranten und People of Colour alltäglich
im Umgang mit der Polizei seien, sagte Basu zur taz. Wer im konkreten Fall
das Opfer sei, wisse er nicht.
Dass Polizeigewalt verstärkt gefilmt werde, sei eine positive Entwicklung.
In seiner Beratungsstelle habe er es allerdings wiederholt mit Menschen zu
tun, die wegen solcher Filmerei von Polizisten zusammengeschlagen worden
seien. Der Innensenator und die Polizeiführung müssten mit einer klaren
Dienstanweisung dafür sorgen, dass das Filmen von Einsätzen zulässig sei,
fordert Basu.
12 Oct 2020
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Polizeigewalt
Polizei Berlin
Rigaer Straße
Schwerpunkt Urheberrecht
Schwerpunkt Rassismus
Kriminalität
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Racial Profiling
Polizei Berlin
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