# taz.de -- Studie zu Rassismus in der Polizei: Andere Studie, trotz Bedarf | |
> Innenminister Seehofer vergibt bald den Auftrag für eine Polizeistudie – | |
> ohne Rassismus. Aktuelle Zahlen zeigen hingegen Forschungsbedarf. | |
Bild: Horst Seehofer vergibt bald den Auftrag für eine Polizeistudie – jedoc… | |
FREIBURG taz | Die Polizeistudie des Bundesinnenministeriums soll bereits | |
Anfgang 2021 starten – sich aber nicht mit Rassismus in der Polizei | |
befassen. Dass hier [1][Forschungsbedarf] besteht, zeigen jedoch Zahlen, | |
die an diesem Mittwoch der Bochumer Rechtsprofessor und Kriminologe Tobias | |
Singelnstein vorlegte. | |
Nach den tödlichen Fällen rassistischer Polizeigewalt in den USA und dem | |
Bekanntwerden [2][rechtsextremistischer Chatgruppen bei der deutschen | |
Polizei] wurde im Sommer die Forderung laut, Rassismus bei der Polizei | |
wissenschaftlich zu untersuchen. Innenminister Horst Seehofer (CSU) lehnte | |
dies zunächst ab, [3][stimmte auf Druck der SPD Ende Oktober aber einem | |
Kompromiss zu]. Untersucht werden solle der Alltagsrassismus in der | |
Gesellschaft [4][und „zudem“ der Polizeialltag]. | |
Inzwischen ist klar, dass es zumindest zwei getrennte Studien geben wird. | |
Die erste breit angelegte Untersuchung soll sich mit „rassistischen | |
Einstellungen als Problem für den gesellschaftlichen Zusammenhalt“ | |
beschäftigen. Daneben soll es eine zweite Studie zur Polizei geben. Dort | |
wird es um „Motivation und Alltag“ von PolizistInnen gehen, sowie um | |
„Gewalt gegen Polizeivollzugsbeamte“, so das Innenministerium auf Anfrage | |
der taz. | |
Die Arbeit an der Polizei-Studie soll schon Anfang 2021 beginnen und cirka | |
drei Jahre bis 2024 dauern. Den Auftrag wird bald das | |
Bundesinnenministerium vergeben, das derzeit einen bereits vorliegenden | |
Projektantrag prüft. Eine öffentliche Ausschreibung der Studie ist nicht | |
geplant. | |
## Studie soll bis 2024 durchgeführt werden | |
Weiter ist bereits der Bochumer Rechtsprofessor Tobias Singelnstein. Er | |
forscht über rechtswidrige Polizeigewalt und die Schwierigkeit, sie zu | |
sanktionieren. Wegen des großen öffentlichen Interesses hat er seine | |
Datenbasis nun auch mit Blick auf das Thema „Rassismus bei der Polizei“ | |
ausgewertet. Die Ergebnisse stellte er an diesem Mittwoch bei einer | |
Online-Veranstaltung des Mediendienstes Integration vor. | |
Singelnstein wertete über 3.000 Online-Fragebögen aus. Die anonym | |
bleibenden Personen gaben jeweils an, sie seien Opfer von Polizeigewalt | |
geworden, die nach ihrer persönlichen Einschätzung illegal war. | |
Diesen Fragebogen füllten auch 146 Persons of Color aus. Knapp die Hälfte | |
von ihnen vermutet, dass die erlittene Polizeigewalt etwas mit ihrer | |
ethnischen Zugehörigkeit zu tun habe. „Je öfter die Betroffenen bereits | |
solche Erfahrungen mit der Polizei gemacht hatten“, erläuterte | |
Singelnstein, „desto eher empfanden sie das Verhalten als diskriminierend“. | |
Der Kriminologe räumte ein, dass die Daten nicht repräsentiv sind. Die | |
Ergebnisse bestätigen aber, so Singelnstein, „was wir aus zahllosen | |
Betroffenen-Berichten schon wissen“. Weitergehende Forschung sei nun | |
dringend erforderlich. Eine konkrete Studie zur polizeilichen Praxis | |
kündigte bei der Veranstaltung die Soziologin Astrid Jacobsen von der | |
Polizeiakademie Niedersachsen an. | |
## Polizei oft unsensibel, Betroffene mit „feinen Antennen“ | |
Am eindrücklichsten wirkte jedoch der Düsseldorfer Wirtschaftsanwalt Blaise | |
Francis El Mourabit, der als PoC selbst oft von anlasslosen | |
Polizeikontrollen betroffen ist und in seiner Freizeit Rassismusopfer | |
berät. | |
„Am schlimmsten ist, dass die Polizei nicht einfach nur kontrolliert, | |
sondern sich dabei auch respektlos verhält“, so der Anwalt. „Wenn ich | |
meinen Business-Anzug nicht anhabe, werde ich einfach geduzt“. Mit der | |
Aufforderung, er solle „die Drogen gleich rausrücken“, wurden ihm bereits | |
willkürlich Straftaten unterstellt. | |
Die Polizisten hätten meist keinerlei Empathie für die schwierige | |
Situation, so Anwalt El Mourabit. „Auf kritische Nachfragen reagieren die | |
Polizisten meist pampig“, es werde mit Strafanzeigen wegen Beleidigung | |
gedroht, falls ein Rassismus-Vorwurf erhoben wird. | |
Für den Kriminologen Singelnstein wird daran deutlich, wie schwierig die | |
Verständigung über solche Konstellationen ist. Während PolizeibeamtInnen | |
sich meist unbewusst unsensibel verhalten, hätten die Betroffenen „feine | |
Antennen“ für die Ungleichbehandlung. | |
11 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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