# taz.de -- Rassismus-Vorwurf gegen Bremer Feuerwehr: Hakenkreuze und Parolen | |
> Bremens Feuerwehr sieht sich mit schweren Rassismus- und | |
> Sexismus-Vorwürfen konfrontiert. Am Dienstag wurde das Haus eines | |
> Feuerwehrmanns durchsucht. | |
Bild: Zwei Helme liegen bereit – für einen Einsatz, der ausnahmslos jede*n r… | |
BREMEN taz | Es begann am Morgen mit einer Hausdurchsuchung im Vorort | |
Brinkum. Am Ende des Tages stand fest: In der Berufsfeuerwehr Bremen haben | |
sich offenbar über Jahre [1][rechtsextreme Strukturen] etabliert. Das geht | |
aus Recherchen von Radio Bremen, [2][NDR] und [3][Süddeutscher Zeitung] | |
hervor. | |
Den Medien liegen Chatverläufe, Tonaufnahmen und Zeug*innenaussagen vor, | |
die von menschen- und fremdenfeindlichen Äußerungen zeugen. Gegen den | |
52-jährigen Feuerwehrmann, dessen Haus am Dienstag durchsucht worden war, | |
laufen Ermittlungen wegen des Verdachts der Volksverhetzung sowie des | |
Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Das | |
bestätigte laut Radio Bremen die dortige Staatsanwaltschaft. | |
Die entsprechenden Infos wurden den Medien Anfang Oktober zugespielt. | |
Zeitgleich erhielt auch die Bremer Innenbehörde die Hinweise. Sie begann | |
noch am selben Tag mit den Ermittlungen. Als Sonderermittlerin wurde Karen | |
Buse eingesetzt. | |
[4][Es geht um zwei Themenkomplexe], erklärte Innensenator Ulrich Mäurer | |
(SPD) am Nachmittag: um rechtsradikale, rassistische Bilder in einer | |
Chatgruppe, vorrangig von 2015, und um frauenfeindliche, sexistische | |
Vorfälle aus dem Frühjahr 2020. Beides fand in zwei verschiedenen Wachen | |
statt, wurde aber von den drei Zeugen – zwei Mitarbeitenden und einem | |
ehemaligen – zeitgleich gemeldet. | |
Teile der Feuerwehrwache Bremen-Osterholz führten im Jahr 2015, als viele | |
Geflüchtete den Weg nach Europa fanden, einen Chat. Darin wurden dutzende | |
Bilder geteilt, „die der Naziherrschaft huldigen, nichtweiße Menschen als | |
minderwertig bezeichnen und geflüchteten Menschen den Tod wünschen“, | |
[5][berichtete das Radio-Bremen-Magazin „Buten un Binnen“]. | |
Ein Bild stelle etwa eine Rutsche dar, die vom Dach eines Hochhauses ins | |
Leere ragt. „Neuer Spielplatz fürs Asylantenheim“, stehe darunter. Auch ein | |
Wehrmachtssoldat sei mit den Worten geteilt worden: „Ihr seid treu gewesen, | |
mögen auch wir es sein.“ Direkte Vorgesetzte seien darüber informiert | |
gewesen, so ein Zeuge, hätten sich sogar selbst so geäußert. | |
## „Hass gegenüber Minderheiten“ | |
In einem Gespräch über Fußballtrikots habe sich ein Feuerwehrmann die | |
Rückennummer 88 gewünscht – falls die belegt sei, ginge auch die Nummer 18, | |
berichtete der Rechercheverbund der drei Medien weiter. Der | |
Hauptverdächtige, gegen den ermittelt wird, habe zudem, so sagten es | |
Zeugen, auf der Dienststelle ein Foto seiner Kinder vor Hakenkreuzfahnen | |
herumgezeigt. Beschwerden seien jahrelang ignoriert worden. Die Zeugen | |
sprächen davon, dass die Taten keine Einzelfälle seien, sondern von einem | |
Klima der Angst und „des Hasses gegenüber Minderheiten“ zeugten. | |
Die Bilddokumente aus dem Chat – in dem sich im Übrigen eine erschreckende | |
Mehrheit gar nicht zu den Posts geäußert hatte – erfüllen laut Innensenator | |
Mäurer die Tatbestände der Volksverhetzung und der Verwendung von | |
Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Da sie von 2015 stammen, | |
seien sie juristisch verjährt, sagt Mäurer. „Aber das Amtsgericht sagt: Wer | |
das 2015 macht, hört damit nicht einfach auf. Wir denken, da ist noch | |
mehr.“ | |
Eine andere Zeugin – sie ist homosexuell und hat einen | |
Migrationshintergrund – wird von „Buten un Binnen“ zu dem Sexismusvorwurf | |
zitiert: Während eines Einsatzes habe sie ein Vorgesetzter „‚auf offener | |
Straße als Kanake angeschrien‘“. Ihr sei auch angeboten worden, sie | |
„‚gesundzuficken‘“. Das sei keine Ausnahme gewesen. Disziplinarmaßnahm… | |
habe es trotz Hinweisen nicht gegeben. | |
Die Zeugin arbeitet in der Wache Bremen-Nord, mittlerweile traue sie sich | |
aber nicht mehr, dort hinzugehen. In einem Tonmitschnitt sei zu hören, wie | |
ihre Kollegen planten, sie zu verprügeln und es dann zu vertuschen. | |
„‚Einfach ein Stück Seife ins Handtuch und dann gib ihm – dann macht das | |
fünf Minuten bimm, bamm, bumm, und dann gehen wir alle wieder raus und | |
keiner war's‘“, soll ein Feuerwehrmann gesagt haben. | |
## Feuerwehr selbst äußert sich nicht | |
Die Feuerwehr selbst wollte sich nicht zu den Vorwürfen äußern, sondern | |
verwies auf die Bremer Innenbehörde. Diese konnte Dienstagnachmittag zu der | |
genauen Anzahl der Verdächtigen – allesamt Männer –, Ermittlungsverfahren | |
und auch der strafrechtlichen Relevanz der Vorwürfe noch keine Auskunft | |
geben. Das Landesamt für Verfassungsschutz ermittelt laut Mäurer derzeit, | |
ob hinter den Vorfälle ein Netzwerk steht. Neben der strafrechtlichen | |
Verfolgung würden auch disziplinarische Maßnahmen geprüft. | |
Für Mäurer sind die Vorfälle „eine mittlere Katastrophe“. Auch Karl-Heinz | |
Knorr, Leiter der Bremer Feuerwehr, ist „entsetzt“. Besonders darüber, dass | |
die Taten so lange geduldet und mitgetragen wurden. Warum Vorgesetzte auf | |
Hinweise nicht reagiert hätten, könne er sich nicht erklären. Zwar gebe es | |
innerhalb der Feuerwehr keine spezifische Anlaufstelle für Diskriminierung, | |
aber andere gängige Institutionen wie den Personalrat. | |
Knorr ist zurzeit freigestellt, um in Bremen das Impfen zu organisieren. | |
Deswegen hat Mäurer beschlossen, nun erst einmal selbst die Leitung der | |
Feuerwehr zu übernehmen. | |
## „Menschenverachtendes Verhalten“ | |
Die Bremer Politik ist über die Vorfälle schockiert und fordert eine | |
lückenlose Aufklärung. Die Linken-Fraktionsvorsitzende Sofia Leonidakis | |
zeigte sich bestürzt darüber, dass die Feuerwehrleute über Jahre | |
ungehindert „ihr Unwesen treiben konnten“, ohne dass dies unterbunden | |
worden wäre. Das weise auf „massive strukturelle Probleme“ hin. | |
„Fassungslos“ sind auch die Bremer Grünen: „Rechtsextreme, rassistische | |
oder sexistische Tendenzen in den Behörden untergraben das Vertrauen in den | |
Staat und dürfen nicht einmal im Ansatz geduldet werden“, so der | |
innenpolitische Sprecher Mustafa Öztürk. Für „unentschuldbar“ hält Kai | |
Wargalla, Fraktionssprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus, dass | |
„dieses zutiefst menschenverachtende Verhalten dabei offensichtlich auf | |
fruchtbaren Boden bis hin zu Vorgesetzten fällt“. | |
24 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Rechtsextreme-Chats-in-der-Polizei/!5731314 | |
[2] https://www.ndr.de/nachrichten/info/Rechtsextreme-Chats-Vorwuerfe-gegen-Bre… | |
[3] https://www.sueddeutsche.de/politik/berufsfeuerwehr-bremen-rechtsextremismu… | |
[4] https://www.senatspressestelle.bremen.de/detail.php?gsid=bremen146.c.347895… | |
[5] https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/gesellschaft/ermittlung-bremer-feu… | |
## AUTOREN | |
Alina Götz | |
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