# taz.de -- Sermin Riedel über Rassismus: „Ich war schon sehr schockiert“ | |
> Vor eineinhalb Jahren kamen rassistische und sexistische Vorfälle bei der | |
> Bremer Feuerwehr heraus. Nun spricht die Feuerwehr- und | |
> Polizeibeauftragte. | |
Bild: Jetzt besser im Blick: Rettungsdienst im Einsatz vor dem Rathaus | |
taz: Frau Riedel, Sie sind seit zwei Monaten Polizei- und | |
Feuerwehrbeauftragte in Bremen. Wie steht es um die Aufarbeitung der | |
[1][Rassismus- und Sexismus-Skandale in der Bremer Feuerwehr]? | |
Sermin Riedel: Ich warte noch darauf, dass die strafrechtlichen Verfahren | |
und Disziplinarverfahren einen Abschluss finden und dass die Feuerwehr sich | |
da noch mal positioniert. Dann werde ich mir angucken, ob, wie und wann ich | |
tätig werden muss. | |
Können Sie denn sagen, ob sich die [2][Situation in der Bremer Feuerwehr | |
verändert] hat? | |
Es hat schon viele Maßnahmen gegeben, solche Veränderungen kann man aber | |
nicht von heute auf morgen abschließen. Bei allen Veränderungen kommt es | |
auch immer wesentlich auf die Wirksamkeit und Kompetenz der Führungskräfte | |
an. Wenn neue Impulse gesetzt und neue Prozesse nachhaltig in die | |
Organisation integriert werden sollen, wird sich die Feuerwehr auch | |
überlegen müssen, wie eine unterstützende und transparente Führungskultur | |
weiterentwickelt werden kann und wer in Zukunft wie und warum Führungskraft | |
wird. Mein Eindruck aber ist: Die Feuerwehr hat auf jeden Fall aus diesen | |
Vorfällen gelernt. | |
Was sagen Sie zu dem aktuellen Vorfall, bei dem drei Männer klar erkennbar | |
als Bremer Feuerwehr auf einer Coronademo – auf der auch Reichsbürger | |
mitmarschierten – ein Schild gezeigt haben, auf dem Gesundheitsminister | |
Karl Lauterbach ein Hitlerbärtchen trägt? | |
Die Feuerwehr hat sich sofort von dem Vorfall distanziert. Dort wird jetzt | |
auch geschaut: Wie ist das zustande gekommen, was hat die Mitarbeiter dazu | |
bewegt? Da ergibt es Sinn zu gucken, was bei der Aufarbeitung der Feuerwehr | |
herauskommt. Die drei Mitarbeiter haben sich selber damit | |
auseinandergesetzt, weil sie offenbar daran interessiert sind, dass das | |
aufgearbeitet wird. Es hat wohl kein Problembewusstsein gegeben, aber jetzt | |
gibt es das. | |
Richtig, die drei Feuerwehrmänner haben ein Disziplinarverfahren gegen sich | |
selbst angestrengt. Aber ist diese Reue überhaupt glaubhaft? | |
Wir wissen am Ende nicht, was diese drei Menschen bewegt hat, darum zu | |
bitten, dieses Disziplinarverfahren einzuleiten. Vielleicht haben sie | |
tatsächlich darüber nachgedacht, was passiert ist. Um das herauszufinden, | |
müsste ich mit den dreien sprechen. Ich warte aber wie gesagt erst einmal | |
ab, was bei der Aufarbeitung der Feuerwehr herauskommt. | |
Hat die Bremer Feuerwehr [3][ein strukturelles Problem] mit Rassismus und | |
Sexismus? | |
Wenn mit struktureller Rassismus gemeint ist, dass alle Mitglieder einer | |
entsprechenden Organisation rassistisch sind, ist das natürlich Quatsch. | |
Aber jeder Einzelfall ist eingebettet in eine Organisation und man muss | |
gucken, ob diese negatives Verhalten fördert oder jedenfalls nicht genügend | |
unterbindet. Das wäre dann strukturell und das müsste man dann ändern. | |
Wie haben Sie Ende 2020 die Skandale in der Feuerwehr wahrgenommen? | |
Ich war schon sehr schockiert. Man fragt sich: Wie kann es dazu kommen, das | |
menschenverachtende Positionen in Dienstgruppen ausgetauscht werden? Mir | |
selbst ist es total wichtig, dass Menschen respektvoll miteinander umgehen. | |
Ich persönlich möchte nicht diskriminiert werden, ich möchte nicht | |
diskriminieren. Und dass andere Menschen diskriminiert werden, möchte ich | |
auch nicht. Das ist mir einfach wichtig und treibt mich an. | |
Wie genau arbeiten Sie? | |
Meine Aufgabe ist, grob gesagt, auf konkrete und strukturelle | |
Fehlentwicklungen zuschauen, die Organisationen Feuerwehr und Polizei zu | |
begleiten und Maßnahmen zu empfehlen, die Veränderung bewirken können. | |
Außerdem rede ich mit Beschwerdeführer*innen. So eine Beschwerde bei | |
mir kann auch anonym oder vertraulich erfolgen. Das kommt vor allem dann | |
vor, wenn Menschen sich selbst noch nicht sicher sind, wie sie das Erlebte | |
einordnen und was sie jetzt tun können. Ich bin dann beratend tätig. Wenn | |
der*die Beschwerdeführer*in es wünscht, kläre ich den Sachverhalt | |
auf. | |
Was soll sich durch Ihre Arbeit verändern? | |
Ich würde mir wünschen, dass mit Kritik in Zukunft konstruktiv und im | |
besten Fall lernend umgegangen wird. Dass sie nicht pauschal als Misstrauen | |
empfunden wird oder als ein Hinweis auf ein etwaiges Versagen an | |
irgendwelchen Stellen. Kritik schwächt nicht unsere Position, sie führt | |
dazu, dass wir immer besser werden. Betroffene von Diskriminierung fragen | |
sich, ob ihnen überhaupt zugehört wird, ob sie vielleicht sogar | |
Konsequenzen fürchten müssen, wenn sie etwas sagen. Wir müssen Hinweise | |
ernst nehmen. Das muss bei allen Akteur*innen und Betroffenen auch | |
ankommen, damit sich eine entsprechende Feedbackkultur überhaupt entwickeln | |
kann. | |
14 May 2022 | |
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## AUTOREN | |
Lukas Scharfenberger | |
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