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# taz.de -- Feuerwehrfrauenquote in Katalonien: Eine Feuerwehr für die Gesells…
> Die katalanische Feuerwehr reserviert 40 Prozent der Plätze für Frauen.
> Das soll nicht nur der Gerechtigkeit dienen, sondern auch die Arbeit
> verbessern.
Bild: Wunschbild für die Zukunft: Eine Feuerwehr, die ganz Katalonien abbildet…
Madrid taz | Die Autonomieregierung Kataloniens – die Generalitat – hat ein
ehrgeiziges Ziel: „Wir wollen erreichen, dass alle Sicherheitskräfte und
[1][Rettungsdienste die Gesellschaft widerspiegeln]. Dazu ist es notwendig,
Frauen zu fördern, damit der Frauenanteil steigt“, erklärt Joan Ignasi
Elena, katalanischer Innenminister. „Es geht um Gerechtigkeit, aber auch um
Effizienz.“ Denn „je mehr eine Einheit der Gesellschaft gleicht, umso
besser kann sie der Gesellschaft dienen“, ist sich Elena sicher.
Mit besonderer Sorge schaut er dabei auf die regionale Feuerwehr. Dort sind
nur 2,8 Prozent Frauen, bei der katalanischen Autonomiepolizei immerhin
schon ein Viertel. Deshalb werden bei der kommenden Ausschreibung für
Feuerwehrleute 40 Prozent der 250 neuen Plätze für Frauen reserviert.
Zeit für eine bessere Frauenquote wäre eigentlich gewesen. Bereits 1984
traten die ersten drei Frauen den Brandbekämpfern bei. Doch heute, 39 Jahre
später, sind nur 74 der 2.658 Mitarbeiter bei der regionalen Feuerwehr
Frauen. 63 davon gehören dem Einsatzpersonal in den Wachen an, zwei führen
einen Löschzug, 8 gehören zur operativen Führungsebene und eine zur
Leitung. „Bei der letzten Stellenausschreibung bestanden von 250 neuen
Feuerwehrleuten gerade einmal 11 Frauen. Das macht 4,4 Prozent“, berichtet
Joan Delort, Generaldirektor für Brandbekämpfung und Rettung, der
katalanischen Regierung. „Wenn wir diesen Rhythmus beibehalten, werden wir
es in unserem Leben nicht mehr sehen, dass tatsächlich 40 Prozent Frauen
sind.“ Selbst 20 Prozent bis 2050 seien so nur sehr schwer zu erreichen.
## Problem körperliche Prüfung
„Deshalb sind in diesem Jahr von den ausgeschriebenen 250 Plätzen 100 für
Frauen reserviert, natürlich nur dann, wenn sie die Aufnahmeprüfungen
bestehen“, so Delort. Auch wenn ihm der Ausdruck „positive Diskriminierung�…
nur einmal in 45 Minuten Gespräch über die Lippen kommt, dreht sich doch
fast alles darum. Frauen bestehen die theoretische Prüfung oft mit Bravour,
fallen aber dann bei der körperlichen Prüfung durch. Gewichtstemmen,
Klimmzüge und Klettern am Seil sind die Übungen, bei denen Frauen
regelmäßig sehr viel schlechter abschneiden als ihre männlichen
Mitbewerber.
„Das liegt nicht zuletzt am unterschiedlichen Körperbau von Frau und Mann“,
sagt Delort. Es seien althergebrachte Übungen, die mit dem tatsächlichen
Einsatz nur wenig zu tun hätten. Deshalb habe die Generalitat das
Katalanische Zentrum für Hochleistungssport beauftragt, die körperliche
Anforderungen zu überarbeiten. „Wir wollen niemandem etwas schenken, aber
die Prüfung muss gerechter und praxisnäher werden“, sagt Delort.
## Überholte Rollenbilder
Doch nur, wenn sich überhaupt Frauen bewerben, können sie auch die Prüfung
bestehen. Und genau hier liegt das ganz große Problem der Frauenquote. Von
den rund 4.000 Bewerbungen auf 250 Plätze kamen bei der vergangenen
Ausschreibung gerade einmal 10 Prozent von Frauen. Während viele Jungs von
klein auf die Feuerwehr bewundern, ist das bei Mädchen selten der Fall. Die
[2][Rollenklischees sind in der Gesellschaft auch heute noch
allgegenwärtig].
„Ich kam nur durch Zufall zur Feuerwehr“, sagt auch María Muñoz. Die
33-Jährige ist „Subinspectora“, was dem deutschen Rang der Brandinspektorin
gleichkommt. Sie arbeitet in Sant Boi de Llobregat, einer der größten
Territorialwachen in Katalonien, im industriellen Süden des Großraums
Barcelona. Sie studierte zuerst Ingenieurswesen und fand dann zufällig
einen Job in der Telefonzentrale der Feuerwehr. Das weckte ihr Interesse.
„Was die Feuerwehr macht, hat eine ganz direkte Auswirkung auf die
Menschen, das gefiel mehr“, erklärt die junge Frau.
## „Diversifizierte Antworten“
Muñoz bereitete sich auf die Aufnahmeprüfung für den gehoben Dienst vor –
und bestand. Seit 2022 gehört sie zu den acht Frauen unter den 68
Brandinspektoren Kataloniens. Sie koordiniert und führt Großeinsätze. Muñoz
trägt stolz ihre blaue Uniform, die allerdings an den Schultern etwas zu
groß ist: Extra auf Frauen zugeschnittene Kleidung wird es erst im
kommenden Jahr geben.
Es war nicht immer leicht für Muñoz in der männerdominierten Welt der
Feuerwehr. „Ganz ruhig!“, müsse sie sich oft anhören, wenn sie mit gewiss…
Autorität die Einsätze führt. „Einem Mann würden sie so nie antworten“,…
sie sich sicher. Dennoch glaubt Muñoz, dass die Präsenz von Frauen beim
Einsatz oft die Arbeit erleichtert. „Wir erleben es nicht selten, dass eine
Frau keine Männer in die Wohnung lassen will. Eine diversifizierte
Gesellschaft erfordert diversifizierte Antworten“, erklärt sie.
## Mehr Freiheit auch für Männer
Durch Frauen in den Wachen und den Führungsgremien würde die [3][interne
Dynamik der Feuerwehr] langsam, aber sicher verändert, und das sei gut und
notwendig. „Durch die Frauen kommt eine Vielfalt an Kriterien und Zugängen
in die Mannschaft, die es so nicht gab“, ist sie sich sicher. Das würde es
auch Männern erlauben, aus dem bisher vorherrschenden Bild der Männlichkeit
auszuscheren. „Anpassung? So würde ich das nicht nennen. Die Einbindung von
Frauen ist ein Prozess der Normalisierung der Einheit“, resümiert die junge
Frau.
Das nachzuvollziehen, fällt nicht allen leicht. So ist etwa Betriebsrat
Toño del Rio von der sozialdemokratischen Gewerkschaft UGT zwischen
politisch korrektem und zeitgemäßem Diskurs und der Vertretung der
Interessen der bisher überwältigenden Mehrheit der männlichen Kollegen hin-
und hergerissen. Natürlich sei er für die Gleichberechtigung der Frau.
„Aber das mit den 40 Prozent ist doch nur Marketing“, erklärt er. „Wäre…
Gesellschaft reif, bräuchte es keine positive Diskriminierung“, ist sich
der Feuerwehrmann aus Badalona, einer Nachbarstadt Barcelonas, sicher.
## Frauen von ganz allein?
Antidiskriminierung müsse bei der „Erziehung der Gesellschaft ansetzen“,
meint er. Dann würden auch von ganz alleine mehr Frauen kommen. Dass dies
die Gleichberechtigung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschiebt, scheint
ihn nicht zu beunruhigen „Viele Frauen fühlen sich nicht wohl mit den 40
Prozent. Es sieht nach einem Geschenk aus.“
„Geschenk? Das ist sicher kein Geschenk. Aber es ist kein leichtes
Problem“, sagt Jael Soro. „Klar will ich, dass es mehr Frauen bei der
Feuerwehr gibt. Und mit der Quote wird der Frauenanteil schneller steigen
als ohne, das ist sicher“, fügt sie hinzu. Dennoch würde es auch ihr
gefallen, wenn der Wechsel natürlich vonstatten gehe. „Es wäre besser, die
Gesellschaft würde bestimmte Berufe nicht geschlechtsspezifisch sehen;
also, wenn der Machismus in der Gesellschaft nicht mehr akzeptiert wäre.
Vielleicht bin ich etwas idealistisch“, sagt sie.
## Fehlende Vorbilder
Denn dass dies nicht leicht ist, weiß sie aus eigener Anschauung. Ihr
20-monatiger Sohn unterscheide sehr wohl, [4][welches Spielzeug für Jungs
und welches für Mädchen sei]. „Und das, obwohl wir ihn anders erziehen“,
sagt sie. Es fehle den Mädchen an Vorbildern, um sich selbst vorstellen zu
können, sogenannte männliche Berufe wie Feuerwehrfrau auszuführen.
Nicht so bei ihr. „Mein Vater war Feuerwehrmann, ich habe ihn oft auf der
Wache besucht“, sagt sie. Was sie dort sah, faszinierte sie als Mädchen.
Nach einem Architekturstudium bewarb sich die sportliche Frau – Basketball,
Fußball, Langstreckenläufe – und wurde in die Feuerwehrakademie
aufgenommen.
## „Nicht mehr wie vor 50 Jahren“
Soro arbeitet auf der Wache in Lleida, der westlichsten Provinz
Kataloniens. Es sind 24-Stunden-Schichten, danach hat sie zwei Tage frei.
Nur neue Wachen sind so eingerichtet, dass auch Frauen ihre eigenen
Umkleidekabinen und Duschen haben. Lleida gehört nicht dazu. „Ich ziehe
mich in den Räumlichkeiten für die Vorgesetzten um“, berichtet Soro.
Die Erfahrungen mit den Kollegen seien durchweg positiv. „Ich bin eine
unter vielen“, sagt die junge Feuerwehrfrau. Diskriminierung durch ihre
männliche Kollegen habe sie kaum gespürt. „Vielleicht nehmen sie sich
zurück und reden hinten herum, das weiß ich nicht“, meint sie dann. Wenn
überhaupt, dann hätten viele Kollegen versucht ihr zu helfen. „Das könnte
man als väterliches Gehabe interpretieren. Aber das ist bei allen Neuen so,
nicht nur bei mir als Frau“, so berichtet es Jael Soro. „Die Feuerwehrleute
von heute sind nicht mehr die von vor 50 Jahren. Die Menschen und die
Gesellschaft, sie verändern sich“.
9 Feb 2023
## LINKS
[1] /Rassismus-beim-Rettungsdienst/!5879278
[2] /Interview-mit-Anwaeltin-fuer-Diskriminierung/!5867544
[3] /Skandal-um-Bremer-Feuerwehr/!5773085
[4] /Debatte-Gendermarketing/!5020906
## AUTOREN
Reiner Wandler
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