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# taz.de -- Mutmaßliche Polizeigewalt in Mannheim: Ein ruhiger Mann, nie aufbr…
> Anfang Mai starb in Mannheim ein Mann mit Behinderung bei einem
> Polizeieinsatz. Unter seinen Kollegen herrschen Aufregung, Trauer und
> Verunsicherung.
Bild: Der Gedenkort für den Verstorbenen in der Mannheimer Innenstadt
Mannheim taz | Das Video, das zeigt, wie ein Polizeibeamter einem am Boden
liegenden Mann ins Gesicht schlägt, ist auf Twitter mittlerweile gelöscht.
Noch liegen Blumen an jener Stelle. Der Mann [1][kam möglicherweise zu
Tode], weil Beamte die Reaktionen des psychisch Kranken falsch deuteten und
weil der Mann an einer Herzschwäche litt.
„Ich kann mir nicht vorstellen, dass er die Polizei provoziert hat“, sagt
Andreas Scheibner, der mit ihm in den Mannheimer Sozialwerkstätten zusammen
gearbeitet hat. Mit Rücksicht auf die Privatsphäre seiner Familie soll er
Frank Kovac heißen, Scheibner hat ihn gut gekannt. Kovac sei immer ruhig
und ausgeglichen gewesen, sagt er.
Am 2. Mai alarmierte ein Arzt des Zentralinstituts für seelische Gesundheit
die Polizei. Ein Patient habe die ambulante Praxis verlassen, er sei eine
Gefahr für sich selbst und benötige Hilfe. Die Beamten griffen den Mann
wenig später in der Mannheimer Innenstadt auf. Ob er der Polizei gegenüber
aggressiv gewesen ist, zeigen die Videos, die im Netz kursierten, nicht.
Frank Kovac wurde nach den Faustschlägen des Beamten ohnmächtig.
Rettungskräfte brachten ihn ins Krankenhaus, wo er wenig später starb.
Erste Untersuchungen der Gerichtsmediziner ergaben, dass er nicht an den
Schlägen gestorben ist. Die Beamten sind seit dem Vorfall vom Dienst
suspendiert, die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen sie. Nach Angaben der
Behörden haben sie sich noch nicht geäußert.
## Demos gegen Polizeigewalt sind inzwischen abgeebt
Der Fall hat in Mannheim für Unruhe gesorgt. Da der Ort in unmittelbarer
Nähe zu Läden der türkischen Community liegt, waberten zuerst Gerüchte, der
Tote habe türkische Wurzeln. Das war falsch, Kovac war gebürtiger Kroate,
hatte seit Jahren einen deutschen Pass.
Die Demonstrationen gegen [2][Polizeigewalt], zu denen kurz nach der Tat
Hunderte kamen, haben sich gelegt. Doch Aufregung und Trauer herrschen bei
jenen, die ähnliche psychische Einschränkungen wie Kovac haben und mit ihm
zusammen gearbeitet haben.
„Sie werden von mir keine Bestätigung erhalten, dass der Mann bei uns
gearbeitet hat“, sagt Manfred Krusch, Geschäftsführer der
Arbeitstherapeutischen Einrichtungen Mannheim (ATW). Er beruft sich auf die
Schutzpflicht gegenüber den über 300 psychisch unterschiedlich stark
erkrankten Menschen, die er in der Einrichtung beschäftigt.
Andere Mitarbeiter bestätigen, Kovac habe bis zu seinem Tod dort
gearbeitet. Der Vorfall habe große Verunsicherung ausgelöst: Auffallend
viele hätten sich krankgemeldet und seien tagelang nicht zur Arbeit
erschienen. Viele Einzelgespräche seien nötig gewesen, um die Menschen zu
beruhigen.
## Ein Baum als Andenken
Andreas Scheibner, der selbst an ADHS und einer Essstörung leidet, hat bis
vor sieben Jahren mit Kovac im Werkstattrat der Einrichtung gearbeitet.
Heute lebt er in Berlin und engagiert sich im Vorstand des Allgemeinen
Behindertenverbands Deutschland (ABiD). Kovac sei damals sein
Stellvertreter als Werkstattrat gewesen, erinnert er sich. Ein ruhiger
Mann, nie aufbrausend. „Er hat viele Gespräche für mich mit der
Werkstattleitung oder den Gruppenleitern geführt, wenn ich nicht da war. Er
war immer ein sehr zuverlässiger Kollege.“
Kovac habe bis zu seinem Tod in der Kantine gearbeitet, erzählt ein anderer
Mitarbeiter, der seinen Namen nicht nennen möchte. Nett und freundlich sei
er gewesen. Auch er kann sich an keine Ausraster von ihm erinnern;
Reaktionen, die bei anderen in der Einrichtung nicht ungewöhnlich seien.
Trotz seines Körperumfangs und der Herzschwäche, sei Kovac sportlich
gewesen, er habe mit anderen leidenschaftlich Fußball gespielt. Alle, die
ihn kannten, sagen, er habe in stabilen Verhältnissen gelebt.
Die Werkstätten haben versucht, der Trauer um Frank Kovac eine Form zu
geben. Neben vielen Gesprächen gab es vergangene Woche eine Trauerfeier.
Als Andenken soll ein Baum für ihn gepflanzt werden.
Andreas Scheibner, der Ex-Kollege und Behindertenrechtler hofft, dass die
Polizei in Mannheim etwas aus dem Vorfall lerne. Aber er hat seine Zweifel.
2010 habe er selbst erst mit einem Stadtrat bei der Polizei vorstellig
werden müssen, bis die Beamten bereit gewesen seien, seine Anzeige
aufzunehmen, erzählt er. Menschen mit Behinderung würden von Polizisten oft
nicht ernst genommen oder falsch eingeschätzt. Behinderte müssten in die
Polizeiausbildung viele stärker integriert werden, findet Scheibner, damit
die Beamten lernen, Reaktionen besser zu deuten. Auch der Hamburger
Polizeiforscher Rafael Baer fordert das.
Der Polizeipräsident von Mannheim, Siegfried Kollmar, hat kürzlich gesagt,
es werde lange brauchen, bis die Polizei in Mannheim wieder Vertrauen
zurückgewinne. Vor allem bei Menschen mit Behinderung wird er einiges zu
tun haben.
20 May 2022
## LINKS
[1] /Toedlicher-Polizeieinsatz-in-Mannheim/!5847659
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## AUTOREN
Benno Stieber
## TAGS
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Leben mit Behinderung
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