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# taz.de -- Bericht zu Diskriminierung: Rassismus ist in Deutschland Alltag
> Forschende haben den „Rassismusmonitor“ vorgestellt. Das Bewusstsein für
> das Problem ist groß – doch die Abwehrreflexe vieler sind es auch.
Bild: Demonstration gegen Rassismus im Juli 2020 in Berlin: Fast jede:r in Deut…
Berlin taz | Die große Mehrheit der Menschen in Deutschland ist in ihrem
Leben schon einmal mit Rassismus in Berührung gekommen – sei es als direkt
Betroffene, indirekt als Zeug*innen oder über Freund*innen und
Bekannte. Das sind zentrale Erkenntnisse einer [1][Studie], die am
Donnerstag in der Bundespressekonferenz vorgestellt wurde. Lediglich 35
Prozent der Befragten gaben an, noch keinerlei Berührung mit Rassismus
gehabt zu haben.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus sagte zu den Ergebnissen: „Extremismus
und Rassismus gehen uns alle an.“ Sie betonte insbesondere, dass viele
Deutsche bereit seien, sich gegen Rassismus zu engagieren. Daran wolle die
Bundesregierung beim Kampf gegen Rassismus „anknüpfen“.
Im Jahr 2020 hatte der Bundestag das Deutsche Zentrum für Integrations- und
Migrationsforschung (DeZIM) beauftragt, einen umfassenden [2][„Nationalen
Diskriminierungs- und Rassismusmonitor“] zu erstellen. Dieses Vorhaben zu
verstetigen ist zudem Teil des Koalitionsvertrags. Für die nun vorgelegte,
repräsentative Auftaktstudie „Rassistische Realitäten“ wurden 2021
telefonisch 5.000 Menschen befragt, um herauszufinden, wie verbreitet
rassistische Einstellungen, aber auch Rassismuserfahrungen in der
Gesellschaft sind.
Es gebe zwar Studien, die rassistische Einstellungen in der
Gesamtbevölkerung untersucht hätten, sagte Cihan Sinanoglu, Leiter der
Geschäftsstelle für den Rassismusmonitor, der taz. „Aber uns liegen bisher
wenig repräsentative Daten für die Lebenssituation und die strukturellen
Ausschlüsse von rassifizierten Gruppen vor, und auch wenig repräsentative
Daten zu ihren Diskriminierungserfahrungen.“ Dies wolle man ändern.
## Die Abwehrreflexe sind stark
90 Prozent der Befragten erkennen an, dass Rassismus in Deutschland
Realität ist. Mehr als ein Fünftel gab an, selbst schon Rassismus erfahren
zu haben. Dabei nannten viele Befragte nicht nur individuelles Verhalten
wie Beschimpfungen oder gar tätliche Angriffe, sondern auch strukturellen
und institutionellen Rassismus; etwa in den Bereichen Schule, Arbeitsmarkt,
Wohnen oder in Behörden.
Das Bewusstsein für Rassismus ist groß, das Problem selbst aber auch: Fast
die Hälfte der in der Studie Befragten glaubt an die Existenz menschlicher
„Rassen“. Auch rassistische Stereotype sind keine Seltenheit – etwa die
Vorstellung, dass bestimmte ethnische Gruppen von Natur aus „fleißiger“
seien als andere (33 Prozent), oder gar „besser“ (27 Prozent).
Obwohl eine große Mehrheit anerkennt, dass Rassismus in Deutschland Alltag
ist, sind auch die Abwehrreflexe groß. Viele verorten ihn in erster Linie
bei Rechtsextremen. Auch findet es etwas mehr als die Hälfte der Befragten
„Unsinn, dass bisher normale Wörter jetzt rassistisch sein sollen“. Fast 45
Prozent sehen die Meinungsfreiheit durch „Rassismusvorwürfe und politische
Korrektheit“ eingeschränkt.
Auffällig ist, welch große Rolle es spielt, wer von Rassismus betroffen
ist. So fragten die Forscher*innen ab, ob bestimmte Positionen
rassistisch seien, etwa wenn ein Comedian im Fernsehen einen klischeehaften
Witz macht, wenn eine Apotheke bestimmte Personen nicht einstellt, weil die
Kunden sich dann „unwohl fühlen“ könnten, wenn Menschen öfter als andere…
der Grenze kontrolliert werden oder eine Wohnung nicht bekommen, weil sie
„nicht in die Nachbarschaft passen“. Deutlich mehr Menschen schätzten diese
Situation als rassistisch ein, wenn sie in Bezug auf Schwarze oder jüdische
Menschen danach gefragt wurden, als wenn es [3][um Sinti*zze und
Rom*nja], um Osteurpäer*innen oder Muslim*innen ging.
„Die Frage, ob Rassismus in Deutschland existiert, stellt sich
gesamtgesellschaftlich betrachtet nicht mehr“, sagte Cihan Sinanoglu mit
Blick auf die Ergebnisse. Nun müsse die Politik betroffene Communities
besser unterstützen und das „antirassistische Potential in der
Gesellschaft“ fördern.
Ansatzpunkte dafür zeigt die Studie auf: Die Bereitschaft, sich zu
engagieren, ist groß. Fast jede*r zweite gab an, schon einmal
rassistischen Äußerungen widersprochen zu haben, und ein weiteres Drittel
würde das potenziell tun. Auch zu Unterschriftensammlungen, Demonstrationen
oder Geldspenden an antirassistische Organisationen sind potenziell viele
Menschen bereit. Lediglich rund 12 Prozent wollen sich in dieser Hinsicht
gar nicht engagieren.
5 May 2022
## LINKS
[1] https://www.rassismusmonitor.de/studie-rassistische-realitaeten/
[2] https://www.rassismusmonitor.de/
[3] /Schul-Beauftragter-ueber-Antiziganismus/!5824968
## AUTOREN
Dinah Riese
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