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# taz.de -- Urteil zu Polizeikontrollen in Hamburg: „Gefährlicher Ort“ ist…
> Laut Verwaltungsgericht darf die Polizei auf St. Pauli nicht anlasslos
> Personalien prüfen. Geklagt hatte ein Schwarzer wegen Racial Profiling.
Bild: Wütend auf die Polizei: Demo im Park Fiction gegen Racial Profiling und …
Hamburg taz | Werden Sie auch häufig, etwa auf dem Heimweg vom Sport, von
der Polizei angehalten? In Ihrer Sporttasche könnten sich ja Drogen
befinden, mit denen Sie dealen. Barakat H. weiß gar nicht mehr so genau,
[1][wie häufig die Polizei bei ihm schon eine Identitätsfeststellung
durchgeführt hat wegen dieser Vermutung]. Der gebürtige Togolese wohnt seit
einigen Jahren auf St. Pauli und hat diese Woche gerichtlich bestätigt
bekommen, dass er in der Vergangenheit mehrfach unrechtmäßig von der
Polizei kontrolliert wurde.
Zwar wurde nicht geklärt, [2][ob der Anlass der Kontrollen seine Hautfarbe
war], dafür jedoch kam das Gericht zu dem Schluss, dass Hamburgs bisherige
Polizeipraxis an „gefährlichen Orten“ verfassungswidrig ist.
Im Februar 2017 hatte H. beschlossen, die Stadt Hamburg wegen einer
rassistischen Kontrolle zu verklagen – und Recht bekommen. Deshalb
erweiterten H. und sein Anwalt Carsten Gericke die Klage von damals um
drei – exemplarische – Fälle und brachten sie erneut vor Gericht. Einen
davon erkannte die Stadt zuvor als rechtswidrig an, einen weiteren zog H.
zurück. Blieben zwei übrig.
Dem Gericht schilderte H. etwa einen Fall, als er im November 2017 mit
einem Freund zurück vom Sport kam. Kurz nachdem sie die S-Bahn-Station
Reeperbahn verließen, wurden sie von zwei Polizisten angehalten. „Ich sah
sie schon auf uns zukommen“, sagte H. vor Gericht.
## Polizisten verneinen Racial Profiling
Die beiden Freunde hätten von dem Beamten wissen wollen, warum sie
kontrolliert werden. Auch sein Freund sagte später aus, dass die Polizisten
darauf nicht geantwortet hätten. „Ich fragte sie, warum sich immer wieder
das Gleiche wiederholt“, sagte H. Erklärt habe es ihm keiner der
Polizisten.
Währenddessen kamen weitere Polizist*innen hinzu. „Ich empfand die
Situation als zunehmend bedrohlich“, sagte H.s Freund. Erst als beide ihre
Ausweispapiere vorzeigten, habe sich die Situation entspannt. Auch er
glaubt, dass die beiden nur wegen H.s Hautfarbe kontrolliert wurden. „Ich
als Weißer werde nie kontrolliert, außer ich bin mit Schwarzen unterwegs“,
sagt er.
Dass H.s Hautfarbe Anlass für die Kontrolle gewesen sei, verneinten
wiederum beide Polizisten vor Gericht. Im Rahmen ihres sogenannten
Präsenzauftrags hätten sie beim Kläger und dessen Freund ein „auffälliges
Verhalten“ erkannt – so hätten sie etwa in ihren Sporttaschen gewühlt.
Präsenzauftrag meint: Der Süden St. Paulis ist [3][von der Polizei als
„gefährlicher Ort“ eingestuft], weil es dort intensive Verstöße gegen das
Betäubungsmittelgesetz gebe. Deshalb dürfen Polizeibeamt*innen die
Identität von Menschen feststellen und sie sogar durchsuchen, sofern
„tatsächliche Anhaltspunkte dies erforderlich machen“. Anderswo ist das der
Polizei so nicht erlaubt.
## „Freiheitsrechte grundlegend gestärkt“
Ursprünglich ging es in dem Prozess also um die Frage, ob Hamburger
Polizist*innen Racial Profiling betreiben. Ob also die Entscheidung zur
polizeilichen Kontrolle zumindest auch von der Hautfarbe H.s abhängt. Diese
Frage beantworteten jedoch die Richter*innen nicht – weil die Kontrollen,
sozusagen einen Schritt vorher, ohnehin schon rechtswidrig waren.
„In beiden Fällen lagen die Voraussetzungen einer Identitätsfeststellung
nicht vor“, teilt das Gericht mit. Für H.s Anwalt Carsten Gericke ist das
ein großer Erfolg: „Das Verwaltungsgericht hat die Freiheitsrechte
grundlegend gestärkt.“
Denn, das betonten die Richter*innen, einfach so oder nur auf vagen
Verdacht dürfe niemand kontrolliert werden. Auch nicht an einem
„gefährlichen Ort“: „Es müssen auch gewisse Anhaltspunkte für einen Be…
der kontrollierten Person zur entsprechenden Gefahr – hier also der
Betäubungsmittelkriminalität – vorliegen“.
Weil es in den Fällen nicht einmal vage Anhaltspunkte gab, brauchte das
Gericht auch kein Urteil mehr darüber zu fällen, ob die Polizei Racial
Profiling betreibt. Gericke sieht das jedoch nicht als Makel: „Damit sind
verdachtsunabhängige Kontrollen generell unzulässig.“ Egal also, welche
Hautfarbe jemand hat.
## Polizei: Fälle sind nur „Ausnahmen“
Wird sich durch das Urteil etwas am viel kritisierten Verhalten der Polizei
zumindest an den „gefährlichen Orten“ ändern? Gericke sieht vor allem die
Politik in der Pflicht. „Wir erwarten nun, dass die Hamburger Politik
diesen neuerlichen gerichtlichen Denkzettel ernst nimmt“, sagt der Anwalt.
Auf Nachfrage der taz an die Innenbehörde, ob sie nun dafür sorgen wolle,
dass sich die polizeiliche Kontrollpraxis ändert, damit derartige
rechtswidrige Kontrollen künftig verhindert werden, verweist diese an die
Hamburger Polizei.
Die gibt sich unbeeindruckt von der Entscheidung des Gerichts. Es seien
nicht einmal eine Handvoll Fälle von den insgesamt mehr als 170.000
Kontrollen, die die Polizei im Rahmen der Drogenbekämpfung an den
„gefährlichen Orten“ durchgeführt hat, als rechtswidrig erkannt. „Diese
Ausnahmen bestätigen eher die ‚Regel‘, als dass sie sie infrage stellen“,
sagt Sandra Levgrün von der Hamburger Polizei. Außerdem prüfe die Polizei
noch, ob sie Berufung einlegen werde.
14 Nov 2020
## LINKS
[1] /Racial-Profiling-vor-Gericht/!5702204
[2] /Racial-Profiling-auf-St-Pauli/!5668319
[3] /Streit-um-Hamburger-Gefahrengebiete/!5332840
## AUTOREN
André Zuschlag
## TAGS
Schwerpunkt Polizeikontrollen in Hamburg
Schwerpunkt Rassismus
Gefahrengebiet
St. Pauli
Racial Profiling
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