# taz.de -- Protest gegen Akelius in Berlin: Radikale Profitmaximierung | |
> Berlins schlimmster Vermieter? Mieter des Immobilienkonzerns Akelius | |
> haben sich vernetzt und ein umfassendes Dossier vorgestellt. | |
Bild: Enteignen wollen Berlins Mieter nicht nur die Deutsche Wohnen, sondern au… | |
BERLIN taz | Die Vorstellung im Veranstaltungsraum „Aquarium“ in | |
Berlin-Kreuzberg beginnt wie eine Trauerfeier: Ein Mann liest einen der | |
vielen Erfahrungsberichte vor, die [1][das Netzwerk der Akelius-Mieter für | |
ein Dossier] zusammengestellt hat. Er intoniert so, dass sein Vortrag an | |
eine Trauerrede erinnert. | |
Die Geschichte geht so: Seit fast 20 Jahren gemütliche Dreizimmerwohnung in | |
Lichtenberg, Akelius kauft das Haus, der Ärger mit den | |
Mieterhöhungsverlangen beginnt, der Berichtende wehrt sich – andere geben | |
einfach auf und gehen irgendwann. Der Mieter schreibt: „Immer wenn ich Post | |
von Akelius im Briefkasten vorfinde, habe ich ein ungutes Gefühl und Angst, | |
was denn jetzt schon wieder kommt.“ | |
Bei der Angst bleibt es laut der Initiative nicht. Die Mieter berichten | |
über unangekündigte oder verschleppte Reparaturen, beschweren sich über | |
einen „völlig überzogenen und Ressourcen verschwendenden | |
Modernisierungswahn vor Neuvermietungen“ sowie ignorierte Meldungen und | |
Beschwerden. Und: Akelius mache selbst viele Fehler, nutze aber jeden | |
kleinen Fehler der Mieter, um sie rauszuschmeißen. | |
Akelius ist ein schwedisches Immobilien-Unternehmen, das mit dem Co. der | |
Kampagne „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ mitgemeint ist. In dem über | |
150-seitigen Dossier legen die Akelius-Mieter, die sich seit über einem | |
Jahr vernetzen, einen umfangreichen Steckbrief über den seit 2006 auf dem | |
Berliner Wohnungsmarkt aktiven Konzern vor. Hinter diesem steht ein | |
Firmengeflecht um Gründer Roger Akelius und seine Akelius Residential | |
Property AB mit Sitz in der Nähe von Stockholm, deren Verbindungen zu einer | |
Stiftung auf den Bahamas führen. | |
## Schlimmer als Deutsche Wohnen? | |
„Uns geht es darum, dass wir, Mieter von Akelius, wissen, mit wem wir es zu | |
tun haben“, sagt eine Aktivistin und Akelius-Mieterin der taz. In ihrem | |
Dossier schreibt die Mieterinitative: „In Berlin fällt Akelius als | |
radikaler Mietpreistreiber auf.“ Das Dossier zeichnet das Profil eines | |
Konzerns, der sich auf hochwertige Modernisierungen und darauf folgende | |
große Sprünge bei Angebotsmieten spezialisiert hat. Ihre Erkenntnisse | |
belegen die Aktivisten mit Zahlen, die sie aus der Analyse von 1.265 | |
Wohnungsangeboten und Geschäftsberichten von Akelius gewonnen haben. | |
Akelius besitzt in Berlin knapp 14.000 Wohnungen (weltweit etwa 50.400), | |
damit weniger als Deutsche Wohnen, die hier über 115.000 Wohnungen ihr | |
Eigentum nennt. Doch die Mietpreise von Akelius fallen krasser aus: Bei | |
einem durchschnittlichen Berliner Mietspiegel von 6,72 Euro pro | |
Quadratmeter im Jahr 2019 bietet Akelius seine Wohnungen im Schnitt für | |
17,86 Euro, der Durchschnitt der Bestandsmieten liegt bei 8,64 Euro. Zum | |
Vergleich: Die Durchschnittsmiete der Deutschen Wohnen liegt bei 6,70 Euro | |
pro Quadratmeter. | |
Tatsächlich bekommt Akelius offenbar nicht alle Wohnungen zu diesem Preis | |
vermietet, aber selbst die realisierten Neuvertragsmieten liegen laut Ini | |
auf sehr hohem Niveau: bei durchschnittlich 16,42 Euro. Die Altmieten hat | |
die Initiative auch berechnet: Sie lagen in den betroffenen Häusern vor dem | |
Kauf von Akelius im Schnitt bei 4,40 Euro pro Quadratmeter. | |
Über das Geschäftsmodell heißt es im Bericht der Initiative: „Akelius | |
versteht sich als Entwickler ‚moderner‘ Wohnungen. Hochpreisige | |
Neuvermietung nach Modernisierungen sind das zentrale Geschäftsmodell von | |
Akelius und ein Garant für gute Kapitalrenditen.“ Tatsächlich nutzt Akelius | |
[2][91,7 Prozent seiner jährlichen Investitionen] von 349 Millionen Euro | |
für Modernisierungen. Deutsche Wohnen investiert 42,3 Prozent in | |
Modernisierungen. | |
## Nach oben kaum eine Grenze | |
Die Mieter verweisen in ihrem Dossier auch auf die [3][Studie | |
„Profitmaximierer oder verantwortungsvolle Vermieter?“]. Laut dieser steht | |
Akelius in Berlin bei den Modernisierungskosten an erster Stelle aller | |
Vermieter: Im Jahr 2018 habe das Unternehmen durchschnittlich 105 Euro pro | |
Quadratmeter für Modernisierungen ausgegeben. Im Vergleich: Bei der | |
landeseigenen Gewobag waren es 12 Euro. Diese Geschäftspraxis von Akelius | |
führe in Berlin zu Mietpreisen von maximal 42 Euro pro Quadratmeter – das | |
jedenfalls war der höchste Quadratmeterpreis, den die Mieter unter den | |
Akelius-Angeboten finden konnten. | |
Entscheidender Kritikpunkt der Initiative, der auch für die gegenwärtige | |
politische Debatte um den Mietendeckel relevant sein dürfte: Akelius treibe | |
die Modernisierungskosten gezielt in die Höhe, um die Mietpreisbremse zu | |
umgehen. Eine Ausnahme der Mietpreisbremse macht das möglich. Wenn | |
Modernisierungskosten pro Quadratmeter ein Drittel eines festgelegten | |
Neubaupreises erreichen, greift die Mietpreisbremse nicht mehr. | |
Ralf Spann, Europa-Chef des schwedischen Wohnungskonzerns Akelius, weist | |
auf Anfrage der taz die Vorwürfe der Mieter zurück: Alle Mieter seien „bei | |
uns willkommen“. Sein Unternehmen übe kein Druck auf Mieter aus, über | |
Baumaßnahmen würden die Mieter informiert, Bauarbeiten würden nicht | |
verschleppt, Mieterbeschwerden nicht ignoriert. | |
Voreigentümer hätten laut Spann die Instandhaltung vernachlässigt, und sein | |
Unternehmen übernehme deshalb Verantwortung für notwendige Instandhaltungen | |
und Modernisierungen. Die Wohnungen würden „auf den Standard von | |
Eigentumswohnungen“ saniert. | |
## Ein rigoroser Mietendeckel würde Akelius wehtun | |
Den Vorwurf, sein Unternehmen würde mit den Modernisierungen die | |
Mietpreisbremse umgehen, nennt Spann „schlicht falsch“. Und ergänzt: „Der | |
Gesetzgeber sieht ausdrücklich vor, bei einer umfassenden Modernisierung | |
die Miete frei zu vereinbaren.“ Genau diese Ausnahme nutze Akelius bewusst | |
aus, kritisieren dagegen die Mieter. Spann sagt auch, dass Akelius | |
„aufgrund der politischen Diskussion zur Begrenzung der Miethöhe“ nicht | |
mehr umfassend modernisieren werde. Wenn er dieses Versprechen hält, dann | |
wäre das aus Sicht der Mietervernetzung ein echter Erfolg. | |
Am Montagabend im Kreuzberger Aquarium stellt ein Mann im Publikum am Ende | |
der Veranstaltung die entscheidende Frage, die alle im Raum umtreibt: „Wo | |
ist Akelius verwundbar?“ Christoph Trautvetter vom Netzwerk | |
Steuergerechtigkeit, der die Akelius-Mieter unterstützt, antwortet: „Das | |
beste Instrument wäre ein rigoroser Mietendeckel, der die überhöhten Mieten | |
zurechtrückt.“ Damit meint er einen Mietendeckel mit einer Obergrenze, an | |
die Akelius seine Mietpreise anpassen müsste. „Dann kämen wir in einen | |
Bereich, wo es Akelius richtig wehtut.“ | |
Ob tatsächlich ein radikaler Mietendeckel kommen wird, ob die großen | |
Konzerne tatsächlich enteignet werden – das sind bis auf Weiteres zwei | |
große Fragezeichen der stadtpolitischen Debatte in Berlin. Bis dahin geht | |
es, wie eine weitere Nachfrage aus dem Publikum verdeutlicht, um konkrete | |
Handlungsmöglichkeiten der Mieter. Eine Akelius-Mieterin fasst ihre vielen | |
Tipps so zusammen: „Organisiert euch! Wenn man organisiert ist, kann man | |
zusammen auftreten, wenn Akelius im Hof steht.“ | |
13 Aug 2019 | |
## LINKS | |
[1] https://akelius-vernetzung.de/material/dossier/ | |
[2] /Archiv-Suche/!5583078&s=gareth+deutsche+wohnen+enteignen&SuchRahme… | |
[3] https://www.rosalux.de/publikation/id/40502/profitmaximierer-oder-verantwor… | |
## AUTOREN | |
Volkan Ağar | |
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