| # taz.de -- Grundsteinlegung am Tacheles-Gelände: Kalt, modern und teuer | |
| > Vor der Grundsteinlegung am Standort des Tacheles wird bekannt, dass der | |
| > Neubau vom schwedischen Designkonzern Fotografiska bespielt werden soll. | |
| Bild: Als das Tacheles noch Tacheles war: ein Bild von 2012 | |
| Am Donnerstag (19. September) um 13 Uhr soll es so weit sein. Die Bauherren | |
| von pwr development legen den Grundstein auf dem Areal des früheren | |
| Tacheles in der Oranienburger Straße. Im Zuge dessen sollen die | |
| Kapitalsammelstellen Aermont und Parella Weinberg, deren Bauentwickler pwr, | |
| die ausführenden Architekturbüros und der frühere Regierende Bürgermeister | |
| Klaus Wowereit (SPD) die Entscheidung über die vertraglich fixierte | |
| Kulturbespielung bekannt geben. | |
| Dass die Wahl des Konglomerats wahrscheinlich auf den schwedischen | |
| Designkonzern Fotografiska fällt, sickerte nun vorab durch. Auch die eher | |
| kapitalgetriebene bürgerliche Presse ist nicht amüsiert. | |
| „Ausnahmen und Befreiungen vom Bebauungsplan“ seien für etwa 12 Neubauten | |
| erteilt worden, wie der Tagesspiegel ermittelte. Der frühere Bausenator | |
| Peter Strieder (SPD) steht für das Blatt im Verdacht, mit den Investoren | |
| mehr als nur gekungelt zu haben, dessen Frau Anja Strieder heute | |
| Einladungen für die PR-Firma „Am Tacheles“ verschickt. Die Zeitung | |
| insinuiert ferner, dass auch Wowereits Regierungswirken im Zusammenhang mit | |
| der Nachnutzung des Tacheles und allen Nachbararealen aufgearbeitet werden | |
| müsse. | |
| ## Für den weiten Geldbeutel | |
| Es geht um keine Kleinigkeit. Das Areal zwischen Johannis-, Friedrich- und | |
| Oranienburger Straße wird mit den Ausnahmegenehmigungen insgesamt sein | |
| Gesicht verändern, nicht nur die rund 25.000 Tacheles-Quadratmeter. Geplant | |
| ist in dem Quartier neben Malls, Luxuswohnungen und gläsernen | |
| High-Class-Food-Rooms auch ein gigantisches unterirdisches Parkhaus. | |
| Für die Einzelentscheidung, das Tacheles in einen Designtempel zu | |
| verwandeln, liegt nahe, dass sich Auftraggeber und Kulturfunktionäre vom | |
| postmodern-pittoresken Museum Fotografiska in Stockholm haben blenden | |
| lassen. Der Fotografiska-Konzern ist aber keinesfalls mit dem Museum | |
| gleichzusetzen, sondern ein Designkonzern, der nordeuropäische Schlichtheit | |
| für solvente Großabnehmer:nnen vermarktet. Ultrarationalistisches Ambiente | |
| für den weiten Geldbeutel. | |
| Für Udo Wiegand, der jahrelang im Tacheles die Etage „ixes Studiotheater“ | |
| betrieben hatte, war das Areal mit seinen divergierenden Gruppen ein | |
| „Schmelztiegel für nichtakademische Künstler:nnen“. Von der Wendezeit bis | |
| September 2012 sei das Tacheles ein Ort gewesen, an dem echte | |
| Kulturinteressierte spontan zusammengetroffen seien. „Da konnte es | |
| passieren, dass Leute aus Sankt Petersburg, Buenos Aires, Kuala Lumpur und | |
| Eberswalde gerade in Berlin angekommen waren und sofort anfingen, zusammen | |
| Kunst zu produzieren.“ | |
| Diese Funktion des Tacheles und anderer Orte würden Kulturfunktionäre und | |
| Kapital gern simulieren, aber nie wirklich hinbekommen. Zur Entscheidung | |
| für Fotografiska merkt Wiegand an, „damit ist das Potential des Ortes bei | |
| weitem nicht erfüllt“. Das Tacheles sei unter den 2012 gewaltsam | |
| herbeigeführten Umständen „sowieso unwiederbringlich“. Interessant sei | |
| dagegen die geplante brachiale Totalumgestaltung der Berliner Kernstadt. | |
| 19 Sep 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Anselm Lenz | |
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