| # taz.de -- Protest gegen Luxussanierung: Bezahlbaren Wohnraum zerstört | |
| > Ein Haus soll luxuriös ausgebaut werden. Die Baustelle geht Mietern | |
| > gewaltig auf die Nerven – manche ziehen aus. Ein Fallbeispiel aus | |
| > Prenzlauer Berg. | |
| Bild: Das Dach ist weg: in der Anton-Saefkow-Straße wird ein Haus aufwendig sa… | |
| Ein riesiger Baukran ragt im Innenhof des Häuserblocks empor. „Früher war | |
| das hier ein richtiges Biotop“, erinnert sich Beate T. wehmütig, doch jetzt | |
| kommt es ihr vor, als würde sie auf einer Großbaustelle leben. Schon seit | |
| über einem Jahr modernisiert ihr Vermieter, der Immobilienkonzern Akelius, | |
| zwei Häuserblöcke in der Anton-Saefkow-Straße in Prenzlauer Berg. Sie und | |
| andere Mieter*innen fühlen sich im Stich gelassen, sie klagen über Lärm, | |
| Schäden in ihren Wohnungen und mangelnde Sicherheit auf der Baustelle. | |
| Konkret plant Akelius, das Dachgeschoss des Hauses, das nicht in einem | |
| Milieuschutzgebiet liegt, zu schicken Penthouse-Wohnungen auszubauen. Dazu | |
| muss das Dach erst einmal komplett abgerissen werden – zum Leidwesen der | |
| Mieter*innen. Zusätzlich werden Balkone angebracht, durch die sich die | |
| Monatsmieten langfristig um rund 100 Euro erhöhen werden. | |
| Beate T. (die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte) ist eine | |
| der Mieter*innen, die in der obersten Etage wohnen. Freude an ihrer | |
| liebevoll eingerichteten Wohnung hat sie schon lange nicht mehr. Durch die | |
| Arbeiten am Dach dringe immer wieder Feuchtigkeit ein, vermutet sie. Beate | |
| T. deutet auf die Decke in der Küche. Dort hängen Tropfen, auf den riesigen | |
| Wasserflecken hat sich großflächig Schimmel breitgemacht. Der ist auch | |
| deutlich riechbar. Aber lüften könne sie aufgrund der Staubbelastung | |
| während der Bauarbeiten nicht. | |
| Seit über acht Jahren wohne Beate T. hier, sei extra in die oberste Etage | |
| gezogen, um ihre Ruhe zu haben. Nun bekomme sie kaum Schlaf. Für ihre | |
| Arbeit als Reinigungskraft muss Beate T. um zwei Uhr nachts aufstehen, | |
| tagsüber gäbe es dann konstant Baulärm. Eine Ausweichwohnung wurde ihr | |
| nicht angeboten. „Ich weiß nicht, wie ich das durchhalten soll“, sagt sie, | |
| „ich bin jetzt schon am Ende meiner Kräfte.“ | |
| ## Sorgen um Sicherheit | |
| In der Wohnung einer anderen Mieterin, die die taz besichtigen konnte, kam | |
| es angeblich sogar zu einem Deckendurchbruch durch die Handwerker*innen. | |
| Tatsächlich waren an der Decke zwei kürzlich verspachtelte Stellen zu | |
| erkennen. An den Wänden und Decken finden sich zudem an vielen Stellen | |
| Risse. Laut der Mieterin, die ebenfalls anonym bleiben möchte, teilte | |
| Akelius ihr mündlich mit, zwei der drei Zimmer der Wohnung seien für die | |
| Dauer der Sanierung nicht zu benutzen. | |
| Auf taz-Anfrage weist Akelius die Vorwürfe zurück: „Die Behauptung, dass es | |
| im Rahmen der Bauarbeiten zu Deckendurchbrüchen gekommen ist, ist falsch“, | |
| so ein Sprecher des Unternehmens. Bei den Rissen handele es sich um | |
| „optische Mängel, die im Rahmen der Arbeiten beseitigt werden“. | |
| Die Mieter*innen machen sich aber auch Sorgen um die Sicherheit auf der | |
| Baustelle. Überall liege Baumaterial herum, was besonders nachts im | |
| unbeleuchteten Innenhof gefährlich sei. Die Mieter*innen beobachteten | |
| außerdem, wie Säcke mit Mineralwolle, auf denen „gesundheitsschädlich und | |
| krebserregend“ zu lesen ist, tagelang herumlagen. | |
| Verschlimmert werde die Situation dadurch, so Beate T., dass Akelius kaum | |
| bis gar nicht auf die Sorgen der Mieter*innen eingehe. Auf Nachfragen, zum | |
| Beispiel darüber, wie lange die Bauarbeiten noch voraussichtlich andauern | |
| werden, reagiere der Konzern nur verzögert oder ausweichend. „Die | |
| Kommunikation mit Akelius ist nicht gegeben“, fasst Beate T. die | |
| Erfahrungen mit dem Konzern zusammen. | |
| ## Prüfverfahren eingeleitet | |
| Auch aufgrund der wachsenden Sorge, die Baumaßnahmen können die Statik des | |
| Gebäudes gefährden, sammelten die Mieter*innen Unterschriften und wandten | |
| sich vergangenen Mittwoch in einem offenen Brief an die Bezirksverordneten | |
| in Pankow. Darin forderten sie den Bezirk auf, die Sicherheit der | |
| Baustelle, insbesondere bezüglich Statik und Gefahrenstoffe, zu überprüfen. | |
| Auf Nachfrage der taz teilte der zuständige Baustadtrat Vollrad Kuhn | |
| (Grüne) mit, ein Prüfverfahren sei eingeleitet worden. Sollten Mängel | |
| vorliegen, werde die Baustelle gegebenenfalls geschlossen. | |
| Akelius betonte, dass ein genehmigter Bauantrag vorliegt, in dessen Rahmen | |
| die Baumaßnahmen durch einen Statiker geprüft worden seien. Schadstoffe | |
| werden ordnungsgemäß entsorgt. Darüber hinaus drohte der Konzern sowohl den | |
| Mieter*innen als auch der taz mit rechtlichen Schritten, sollte behauptet | |
| werden, die Baumaßnahmen würden die Statik des Gebäudes gefährden. | |
| So oder so, sagt Beate T., seien viele Mieter*innen aufgrund der Strapazen | |
| ausgezogen. In der Regel werden die frei gewordenen Wohnungen von Akelius | |
| saniert, um sie dann deutlich teurer neu zu vermieten. | |
| ## Mietpreisbremse umgehen | |
| „Das ist das Geschäftsmodell von Akelius“, erklärt Kalle Kunkel von der | |
| Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen, die die Mieter*innen der | |
| Siedlung bei der Vernetzung unterstützt. Umfassende Modernisierungen sind | |
| für den Konzern ein Weg, die Mietpreisbremse zu umgehen. So verlangt der | |
| Konzern nicht selten das Doppelte der vorherigen Miete nach einer | |
| Sanierung. Ob die Wohnung wirklich sanierungsbedürftig ist, sei dabei eher | |
| zweitrangig. „Akelius zerstört durch unnötige Luxusmodernisierung | |
| systematisch bezahlbaren Wohnraum“, so Kunkel. | |
| [1][Der Mietendeckel, der vergangenen Donnerstag beschlossen wurde, soll | |
| diesem Geschäftsmodell einen Riegel vorschieben]. Für die Mieter*innen in | |
| der Anton-Saefkow-Straße kommt das allerdings zu spät. | |
| Für Beate T. und die anderen Mieter*innen gilt es vor allem, | |
| durchzuhalten. Gegenüber der taz sagte Akelius, die Bauarbeiten würden | |
| voraussichtlich noch bis Ende 2020 andauern. „Wir fühlen uns im Stich | |
| gelassen“, so Beate T., „es ist nicht möglich, unter den Umständen einen | |
| normalen Alltag zu führen.“ | |
| 2 Feb 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Mietendeckel-die-Praxis/!5656467 | |
| ## AUTOREN | |
| Jonas Wahmkow | |
| ## TAGS | |
| Luxussanierung | |
| Akelius | |
| Verdrängung | |
| Deutsche Wohnen & Co enteignen | |
| Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
| Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
| Stasi-Gedenkstätte | |
| Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
| Mietendeckel | |
| Lesestück Recherche und Reportage | |
| Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
| Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Share Deals bei Immobilienfirma: SPD zeigt Akelius an | |
| Die Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe (SPD) hat die Steuerfahndung | |
| alarmiert. Ihr Verdacht: Akelius soll in Neukölln Steuern hinterzogen | |
| haben. | |
| Akelius nach dem Mietendeckel: Zum Höchstpreis abstoßen | |
| Beim Immobilienkonzern Akelius setzt man nun auf einen | |
| „Privatisierungsplan“. Bisherige Mietwohnungen sollen als Eigentum verkauft | |
| werden. | |
| Pläne für Zwischennutzung: Interessenten gibt's mehr als genug | |
| In einem Haus auf dem ehemaligen Stasi-Gelände an der Frankfurter Allee | |
| will eine Initiative soziale und kulturelle Projekte ansiedeln. | |
| Umwandlung in Eigentumswohnungen: Das Milieu bleibt geschützt | |
| Mietwohnungen in Milieuschutzgebieten dürfen weiterhin nur mit Genehmigung | |
| in Eigentum umgewandelt werden. Vorkaufsrecht bleibt ein Problem. | |
| Mietendeckel: die Praxis: Noch schöner wohnen | |
| Jetzt ist der Mietendeckel beschlossen. Er verbietet Mieten über | |
| festgelegten Höchstgrenzen. Was MieterInnen jetzt tun müssen, erklären wir | |
| hier. | |
| Urbane Kämpfe und Digitalisierung: Der Turmbau zu Berlin | |
| Amazon will den Berliner Standort ausbauen. Dagegen formiert sich | |
| Widerstand. Könnte es gerade in Berlin gelingen, den Tech-Riesen | |
| aufzuhalten? | |
| Neubau nach dem Mietendeckel: Nie mehr Großbaustelle? | |
| Die Immobilienlobby klagt über den Mietendeckel in Berlin. Ihre Drohung, | |
| jetzt werde nicht mehr gebaut, ist aber haltlos. | |
| Protest gegen Akelius in Berlin: Radikale Profitmaximierung | |
| Berlins schlimmster Vermieter? Mieter des Immobilienkonzerns Akelius haben | |
| sich vernetzt und ein umfassendes Dossier vorgestellt. |