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# taz.de -- Naturschützer über rechten Ideologien: „Naturschutz ist nicht p…
> Auch Nazis können Umweltschützer sein, sagt Lukas Nicolaisen von der
> Fachstelle Naturschutz und Rechtsextremismus.
Bild: Der Wald: Auch Rechte wollen ihn schützen
taz: Herr Nicolaisen, die Anti-AKW-Bewegung, die Grünen, Wachstumskritik.
Umwelt– und Naturschutz sind linke Themen, richtig?
Lukas Nicolaisen: Das denken viele, aber das stimmt so nicht. Naturschutz
ist nicht per se links. Seit wir die Fachstelle Naturschutz und
Rechtsextremismus gegründet haben, passiert uns das oft, das Leute sagen:
Was hat das denn bitte miteinander zu tun? Natur– und Umweltschutz wird oft
als relativ neue Bewegung wahrgenommen, die in den siebziger, achtziger
Jahren ihren Anfang nahm und dabei sehr liberale, alternative, linke Züge
trug. Aber eigentlich liegen die Anfänge dieser Bewegungen viel weiter
zurück, und leider finden wir da sehr viele Verknüpfungen mit
faschistischen, extrem rechten und völkischen Ideologien, die ihnen ihren
Stempel aufgedrückt haben.
Welche denn zum Beispiel?
Eine der ersten Ökologiebewegungen, 1904 von Ernst Rudorff gegründet, war
der Bund Heimatschutz. Da wurde schon der Dreiklang aufgemacht, der sich
später auch im Nationalsozialismus findet: Naturschutz ist Heimatschutz ist
Volksschutz. Und Ernst Haeckel, der die ökologischen Wissenschaften
mitbegründet hat und etwa den Begriff Ökologie überhaupt im
deutschsprachigen Raum eingeführt hat, gilt auch als Wegbereiter von
Rassenlehre und Eugenik.
Der Naturschutz hat also braune Wurzeln?
Zumindest können wir viele Verknüpfungen finden. Das ist ja auch ein Grund,
warum das Thema aktuell für Rechte wieder so attraktiv ist.
Wie äußert sich das?
Wir beobachten zum Beispiel, dass neurechte Magazine wie Compact oder
Sezession vermehrt über Umwelt– und Naturschutzthemen schreiben, wo dann
auch immer Heimatschutz mit gemeint ist. Sogar bei rechtsextremen
Kleinparteien wie Der dritte Weg können wir ein recht ausgefeiltes Programm
zu diesen Themen finden. Und von Vordenkern der Neuen Rechten gibt es klare
Aussagen dazu, man müsse den Ökologiebegriff zurück erobern und wieder
nutzbar machen für die rechte Szene.
Was erhoffen sich die Rechten strategisch von der Besetzung dieser Themen?
Zum einen ist natürlich klar, dass diese Themen im Mainstream gut ankommen,
dass sie gerade in der bürgerlichen Mittelschicht einen positiven Anklang
haben. Deswegen soll das als Türöffner benutzt werden. Aber es ist auch
wichtig festzuhalten: Wenn Rechte sich mit Natur- und Umweltschutz
beschäftigen, dann ist das nicht nur vorgeschoben, aus strategischen
Gründen. Bestimmte Vorstellungen von Umwelt und Natur sind zentrale Themen
in einem rechten Weltbild, sich damit zu beschäftigen liegt in ihrem
eigenen politischen Interesse.
Was sind das für Vorstellungen? Ist das alles nur rückwärtsgewandt, oder
finden sich auch nach vorne gerichtete Versatzstücke?
Die Themen, die auch in rechten Kreisen unter diesen Schlagwörtern
diskutiert werden, sind zum Teil sehr neu. Zum Beispiel regionale
Wirtschaftskreisläufe: Das ist für Rechte interessant, wenn die Betonung
darauf gelegt wird, dass das Geld bei den eigenen Leuten bleibt. Auch die
Degrowth-Bewegung und Wachstumskritik kann für Rechte interessant sein,
wenn sie mit stark antiamerikanischen und zum Teil auch antisemitischen
Haltung verbunden wird. Das macht es auch so schwierig: Die Themenfelder
sind nicht per se rechts, aber wenn man genau hinschaut, kann man rechte
Ideologien finden.
In der Rechten ist es weit verbreitet, den Klimawandel zu leugnen. Wie
passt das mit einer Betonung von Ökologiethemen zusammen?
Ich glaube, das liegt schlicht daran, dass man bei diesem Thema nicht in
den eigenen Grenzen bleiben kann: Wer an den Klimawandel glaubt, muss
global denken. Man müsste dann anfangen, Verantwortung für Menschen in
anderen Teilen der Welt zu übernehmen.
Am Wochenende veranstalten Sie eine Fachtagung zu dem Thema. Dabei geht es
auch darum, wie Menschen, die im Umwelt- und Naturschutz aktiv sind, mit
Rechten umgehen können. Welche Probleme gibt es in der Praxis?
Es gibt Unterwanderungsbestrebungen, zum Beispiel in der
Anti-Braunkohle-Bewegung oder bei der gegen Gentechnik. Auch bei
Großdemonstrationen sehen wir das, die Anti-TTIP-Proteste oder die
Wir-haben-es-satt-Demonstration mussten sich zum Beispiel in letzter Zeit
mit Versuchen der Vereinnahmung auseinandersetzen. Und grundsätzlich gilt
eben, dass es auch Natur– und Umweltschützer aus dem rechtsextremen
Spektrum gibt, und ich denke, dass sich der Rest der Bewegung dazu auch
positionieren muss.
Was müsste aus Ihrer Sicht dafür passieren?
Aus meiner Sicht wäre das Wichtigste, dass man sich noch mal stärker mit
der eigenen Geschichte auseinandersetzt, sich traut, sich mit den Anfängen
der Bewegung zu beschäftigen. Dann kann man feststellen, welche
problematischen Konzepte vielleicht zu unkritisch übernommen wurden.
Bei welchen Konzepten sehen Sie den größten Handlungsbedarf?
Ganz wichtig ist das bei der Diskussion um „Überbevölkerung“: Wenn das
immer mit einem Blick auf den globalen Süden als Problem beschrieben wird,
während die Steigerung der deutschen Geburtenrate positiv wahrgenommen
wird, hat das einen klar rassistischen Unterton.
Und im engeren Bereich des Naturschutzes?
Da gibt es zum Beispiel das Thema Neobiota, also die sogenannten
gebietsfremden Arten. Da wird sehr schnell gesetzt: Fremd ist gleich
schlecht. Aggressiv-invasiv zum Beispiel ist ein Begriff, den es in der
Wissenschaft eigentlich gar nicht gibt, der aber häufig verwendet wird. Und
Rechte übertragen das dann nur zu gerne auch auf gesellschaftliches
Zusammenleben. Dahinter steht aber auch die Frage, welches Verständnis von
Naturschutz man hat: Muss die Natur konserviert werden, oder darf es da
auch Veränderung und Dynamik geben?
Spielt Fortschritts- und Technologiefeindlichkeit auch eine Rolle?
Charlotte Roche hat neulich einen Text darüber veröffentlicht, dass das
Stadtleben alle krank mache und alle aufs Land ziehen sollten. Das finde
ich schon sehr antimodern, da findet sich ein Fortschrittspessimismus, der
seit den Anfängen der Ökologiebewegung existiert und unhinterfragt
weitergetragen wird. Dabei ist es zum Beispiel so, dass die Biodiversität
in der Stadt mittlerweile größer ist als auf dem Land, wo Monokulturen
vorherrschen. Aber das wird überhaupt nicht reflektiert in solchen
Äußerungen.
2 Jun 2018
## AUTOREN
Malene Gürgen
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