# taz.de -- Politischer Ideenkampf in der Klimakrise: Blut, Boden, Umweltschutz | |
> Manche rechte Gruppen wollen Klimaschutz zu ihrem Thema machen und | |
> nationalistisch umsetzen. Dagegen verwehrt sich die Klimabewegung. | |
Bild: Klimaschutz ist bei Rechten nicht mehrheitsfähig. Einige versuchen trotz… | |
Es ist der Freitag vor den Wahlen zum europäischen Parlament im Mai 2019, | |
Fridays for Future haben europaweit zum Protest aufgerufen. Auch in der | |
Erfurter Innenstadt haben sich hunderte junge Menschen versammelt. „Wir | |
sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“, skandieren sie | |
entschlossen, denn sie alle eint ein gemeinsames Ziel – oder etwa nicht? | |
Unter die Protestierenden haben sich junge Männer mit pinkem Banner | |
gemischt, auf dem „Europa! Jugend! Revolution!“ prangt. Darunter weist der | |
Schriftzug „schuelersprecher.info“ subtil darauf hin, dass es sich bei | |
ihnen um Anhänger der Jungen Nationalisten handelt, der Jugendorganisation | |
der NPD. | |
Mit Slogans wie „Umweltschutz ist Heimatschutz“ machen rechtsextreme | |
Parteien wie die NPD oder der Dritte Weg sowie Abgeordnete der AfD gerne | |
deutlich, dass ökologische Anliegen nicht per se links-grün, sondern auch | |
völkisch-braun besetzt werden können. Unter den Rechten hat ein Dreiklang | |
aus Volk, Heimat und Natur Tradition. | |
Schon die nationalsozialistische Vernichtungsideologie von „Blut und Boden“ | |
beruht auf der Illusion, das rassistisch definierte Volk sei eng mit seinem | |
ursprünglichen Siedlungsgebiet verwoben. Die behauptete Überlegenheit der | |
„arischen Rasse“ entspringe demnach den harten Gegebenheiten der rauen | |
deutschen Natur. Indem das deutsche Volk sich durchgeschlagen hätte, sei es | |
zur „Herrenrasse“ aufgestiegen. Wer nun diese Umwelt zerstört, bedroht der | |
völkischen Ideologie zufolge Heimat und Überleben des Volkes. | |
## Rechte versuchen Klimaprotest zu unterwandern | |
Völkische und rechtsextreme Akteur*innen und Gruppierungen machen | |
Umweltverbänden und -initiativen vor allem auf lokaler Ebene tatsächlich | |
immer wieder zu schaffen. Lukas Nicolaisen, Leiter der Fachstelle | |
Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN), | |
beobachtet: „Meist sind es kleinere Zusammenschlüsse wie lokale Initiativen | |
gegen Windkraftausbau oder für ökologischen Landbau, die potenziell dafür | |
anfällig sind, unterwandert zu werden, weil man sich zunächst aus ganz | |
anderen Gründen zusammengeschlossen hat und möglicherweise überfordert mit | |
der Einflussnahme von rechts ist.“ | |
Dass Rechtsextremisten ausgerechnet auch auf Klimademonstrationen wie in | |
Erfurt unterwegs sind, mag verwirren. Den rechten Diskurs über den | |
Klimawandel dominiert insbesondere die AfD, die die wissenschaftlichen | |
[1][Erkenntnisse zur menschengemachten Erderhitzung als „Klimahysterie“ | |
diskreditiert] und die deutsche Verantwortung beim Klimaschutz negiert. Das | |
täuscht darüber hinweg, dass es auf nationalistischer Seite [2][auch | |
Befürworter des Klimaschutzes gibt]. | |
Auf der Homepage der NPD-Jugend-Kampagne schuelersprecher.info wird der | |
Klimawandel als eine der größten Herausforderungen Europas aufgefasst, der | |
Dritte Weg klärt in seinem „Plädoyer für eine radikale nationalistische | |
Umweltschutzpolitik“ über Mythen rund um die Windenergie auf und | |
charakterisiert erneuerbare Energien als „absolute Notwendigkeit“. | |
Auch wenn Klimaschutz im rechten politischen Spektrum noch nicht | |
mehrheitsfähig ist, [3][sieht Lukas Nicolaisen dahinter eine geschickte | |
Strategie]. „Die rechtsextremen Klimaschützer*innen versuchen einerseits, | |
auf die vielen jungen Menschen von Fridays for Future einzuwirken und | |
andererseits, Klimaschutz in ihrem Sinne umzudeuten“, so der Experte. „Das | |
heißt, sie verbinden Klimaschutz mit rassistischen Forderungen wie | |
Grenzschließungen oder Geburtenkontrollen für den globalen Süden.“ | |
## Nicht auf Argumentationsmuster reinfallen | |
Die Klimagerechtigkeitsbewegung hält Nicolaisen grundsätzlich für resistent | |
gegen rechte Einflussversuche. Wo allerdings auf nationale | |
Argumentationsmuster zurückgegriffen werde, könnten sich jedoch auch | |
Klimaschützer*innen für völkische Vereinnahmung angreifbar machen. | |
So irritierte der renommierte Energieprofessor und Scientist For Future | |
Volker Quaschning zuletzt mit seinem [4][Youtube-Video] „Warum für AfD und | |
CDU/CSU Energiewende und Klimaschutz Thema Nummer 1 sein sollte“ zahlreiche | |
Klimaaktivist*innen. | |
Vor einer plakativ platzierten Deutschlandflagge versucht Quaschning hier, | |
auch Anhänger*innen rechtskonservativen bis völkischen Gedankenguts den | |
Klimaschutz mittels Verweis auf Energieautarkie, den Schutz deutscher | |
Heimat und deutschen Waldes und der Begrenzung des Flüchtlingszustroms | |
infolge des Klimawandels schmackhaft zu machen. | |
Tadzio Müller, Referent für Klimagerechtigkeit bei der | |
Rosa-Luxemburg-Stiftung, wirft ihm in einem [5][Antwortvideo] vor, | |
Klimaschutz als unpolitisch zu definieren und mit seinem Video unbewusst | |
eine „völlig inakzeptable politische Position“ zu legitimieren. | |
Bei der Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz | |
ist man überzeugt, dass eine entschiedene Abgrenzung der Klimabewegung von | |
rechtem Gedankengut, ein entsprechendes Selbstverständnis und Aufklärung | |
notwendig sind, damit die Gesellschaftstransformation hin zu einer | |
klimagerechten Welt erfolgreich sein kann. | |
Auf der Klimademonstration in Erfurt haben sich die Jungen Nationalisten | |
jedenfalls nicht lange wohlgefühlt. Nur kurz nachdem sie ihr Banner | |
ausrollten, wurden sie als Rechtsextremisten enttarnt, der | |
Demonstrationszug von den Ordner*innen gestoppt und die Neonazis mit lauten | |
„Nazis raus“-Rufen von der Demonstration ausgeschlossen. | |
27 Sep 2020 | |
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[4] https://www.youtube.com/watch?v=1o0muObJL3A&feature=emb_title | |
[5] https://www.youtube.com/watch?v=w2HCAywOArk&feature=emb_title | |
## AUTOREN | |
Annika Liebert | |
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