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# taz.de -- Kommentar Zukunft der Autoindustrie: Das Kartell wird uns erpressen
> Egal wie wütend wir auf die Autobauer sind, ihnen drohen keine schlimmen
> Strafen. Denn brechen sie zusammen, ist unser Wohlstand in Gefahr.
Bild: Die Praktiken der Autobauer haben schon so einige Todesopfer gefordert
VW und die Deutsche Bank haben etwas gemeinsam. Sie sind „too big to fail“.
Zu groß zum Scheitern.
Mit dieser Analogie aus der Finanzwirtschaft ist der Rahmen für einen der
größten Skandale der deutschen Wirtschaftsgeschichte gesetzt. Der Plot:
Daimler, VW inklusive Porsche und Audi sowie BMW bilden seit 20 Jahren ein
Kartell. Sie haben sich abgesprochen und in ihren Autos lieber
Supersoundsysteme eingebaut als eine funktionierende Abgasreinigung. Die
Giftstoffe haben Menschen getötet. Wo bleibt die Empörung von
CDU-Kanzleramtsminister Peter Altmaier oder von CDU-Generalsekretär Peter
Tauber: Wenn Autoanzünder Terroristen sind, weil sie Menschen töten
könnten, warum sind Autobauer, die Menschen töten, dann keine Terroristen?
Genug der Polemik. Man kann wutschäumend im Dreieck springen ob des
Skandals der deutschen Autobauer, es ändert nichts an der Tatsache, das sie
eben too big to fail sind.
Das ist die Lehre aus der Bankenkrise: Das Weltfinanzsystem verkraftet den
Zusammenbruch einer Großbank nicht. Kommt sie in eine Krise, bringt das die
Politik in eine ausweglose Situation. Entweder die Bank mit
Steuermilliarden retten (moralisch unmöglich) oder pleitegehen lassen (und
ein ökonomisches Chaos riskieren). Deshalb können Großbanken exzessive
Risiken eingehen: Sie sind in der Lage, durch ihre schiere Größe Staaten zu
erpressen.
So verhält es sich mit der deutschen Autoindustrie und Deutschland im
Allgemeinen. Daimler, VW und BMW gemeinsam können die Nation erpressen.
Brechen sie zusammen, ist unser Wohlstand gefährdet.
## Eine Zukunft ist nur ohne die aktuellen Manager möglich
Warum die deutsche Bundesregierung alles daran setzt, VW ob des
Dieselskandals vor Zahlungen in Deutschland zu schützen? Das ist eine
industriepolitische Entscheidung. Nach 20 Milliarden Dollar Strafen in den
USA würde jede weitere Belastung hierzulande dem Konzern die Möglichkeit
rauben, weiter zu konkurrieren. Milliarden versenkt für die falsche Technik
(Diesel), dann Strafen dafür gezahlt und jetzt den Vorsprung der
Produzenten aus dem Ausland aufholen – das ist die VW-Agenda. Ähnlich
verhält es sich bei BMW und Daimler. Ihr gesamtes Fahrzeugkonzept – große,
luxuriöse Karren – ist der Muff des 20 Jahrhunderts.
Milliardeninvestitionen in den vermeintlich sauberen Diesel sind für die
Katz.
Die Ursache des Dilemmas ist rund um Angela Merkel zu suchen. Das Kartell,
um das es hier geht, besteht nicht nur aus Daimler, BMW und dem VW-Konzern.
Die Bundesregierung gehört zu diesem Kartell dazu. Ob Behörden von den
geheimen Absprachen wussten, ist gegenwärtig Spekulation. Aber die
Regierungen Merkel haben die politischen und administrativen Grundlagen
gelegt, in denen das Monsterkartell gedeihen konnte. Die Bundeskanzlerin
höchstselbst hat 2013 die Versuche der EU blockiert, für die deutschen
Autobauer ungünstige CO2-Grenzwerte durchzusetzen.
Das hat zwar unmittelbar nichts mit dem jetzigen Skandal zu tun, zeigt
aber: Wir haben es in Deutschland mit einem Komplex aus Politik und
Autoindustrie zu tun, der die politische Agenda beherrscht. Insofern ist
das Autokartell das deutsche Fukushima: Die Nuklearkatastrophe in Japan war
nur möglich, weil Politik und Atomindustrie so verflochten waren, dass
offensichtliche Fehler ignoriert wurden. In Japan waren der fehlende
Tsunamischutz bei AKWs an der Küste Jahre vor dem Atomunfall bekannt. In
Deutschland ist den Behörden seit einem Jahrzehnt bekannt, dass Dieselautos
krank machen. Sie haben die Gefahr ignoriert.
Deshalb ist es mit kartellrechtlicher Aufklärung nach diesem Skandal nicht
getan. Was notwendig wäre: eine Bundeskanzlerin, die eingesteht, dass sie
blind war für die Versprechen der Autoindustrie. Parteien, die sich ein
Moratorium auferlegen: zehn Jahre keine Spenden mehr aus der Autoindustrie.
Eine eigenständige, nicht von den Weisungen eines Ministers abhängige
Bundesbehörde zur Kontrolle der Autoindustrie. Richter und Staatsanwälte,
die Strafen durchsetzen, auch wenn das existenzielle Krisen für die
deutschen Autobauer bedeutet. Nur dann ändert sich die Kultur in den
Konzernen selbst.
VW, Daimler und BMW werden alles daran setzen, ihr Erpressungspotenzial
auszuspielen. Ihr braucht uns, wird die Erzählung lauten, ständig variiert
und garniert mit chinesischen Konkurrenten und Google-Autos, die es zu
überholen gilt. Damit haben die Manager nicht unrecht. Sie sollten deshalb
verantwortungsvoll handeln und kollektiv abtreten. Nur ohne sie haben ihre
Konzerne eine Zukunft.
25 Jul 2017
## AUTOREN
Ingo Arzt
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