# taz.de -- Monopolexperte über Autoindustrie: „Es lohnt sich, Kartelle zu b… | |
> Den ehemaligen Vorsitzenden der Monopolkommission, Daniel Zimmer, wundern | |
> Absprachen und Kartellbildung wenig. Strafen nützten nicht viel. | |
Bild: Ursache: technischer Defekt (keine G20-Gegner weit und breit!) | |
taz: Herr Zimmer, hat es Sie erstaunt, dass es in der Automobilindustrie | |
illegale Kartellabsprachen gegeben haben soll? | |
Daniel Zimmer: Die aktuellen Vorwürfe kann ich nicht bewerten. Aber während | |
meiner Arbeit in der Monopolkommission hat es mich immer wieder verblüfft, | |
wie verbreitet die Kartellierung ist. Auch in Bereichen des täglichen | |
Bedarfs wie Wurst, Bier oder Schokolade gab es Preisabsprachen. | |
Reichen die Strafen nicht, die bei Kartellen verhängt werden können? | |
Bisher ist die wesentliche Sanktion das Bußgeld. Diese Geldstrafen nehmen | |
zwar zum Teil schwindelerregende Höhen an und können Milliardenbeträge | |
erreichen, aber offenbar lohnt es sich für die Unternehmen immer noch, | |
Kartelle zu bilden. Denn letztlich ist die Wahrscheinlichkeit gering, | |
entdeckt zu werden. | |
Aber die Strafen sind doch drakonisch – und können bis zu 10 Prozent des | |
Umsatzes erreichen. | |
Das ist eine absolute Obergrenze, die fast nie erreicht wird. Denn eine | |
zentrale Frage ist: Wie viel des Umsatzes war eigentlich durch das Kartell | |
betroffen? | |
Oft scheint gar kein Kartell nötig zu sein, um Preise abzusprechen. | |
Beispiel Tankstelle: Der Sprit kostet überall das Gleiche. | |
Das ist ein Sonderfall. Bei Kraftstoffen handelt es sich um sogenannte | |
homogene Produkte, die überall gleich sind. Die Autofahrer erwarten nicht, | |
dass Diesel bei Esso besser wäre als bei Shell. Zudem sind die Preise | |
vollkommen transparent, weil sie in großen Ziffern angezeigt werden. Die | |
Konkurrenz kann also sofort reagieren, wenn ein Konzern seine Spritpreise | |
ändert. Da kann sich oft kein Wettbewerb entfalten. Aber homogene Güter | |
sind selten. | |
Was auffällt: Die meisten Kartelle fliegen auf, weil sich die Beteiligten | |
selbst anzeigen. Auch VW und Daimler haben sich bei der EU-Kommission | |
gemeldet. | |
Die Kronzeugenregelung hat sich da als durchaus wirkungsvoll erwiesen: Die | |
Unternehmen wissen, dass sie [1][straffrei ausgehen, wenn sie sich als | |
Erste melden] und Beweismittel liefern, die die restlichen | |
Kartellmitglieder überführen. Allerdings gibt es diese Kronzeugenprogramme | |
jetzt seit über zehn Jahren, und trotzdem scheint die Zahl der Kartelle | |
nicht abzunehmen. Sie werden offensichtlich immer noch als lohnend | |
betrachtet. | |
Haben die Unternehmen keine Angst vor den Kartellbehörden? | |
Die Kronzeugenprogramme haben offenbar eine paradoxe Wirkung: Sie machen | |
das Risiko eines Kartells für die Unternehmen kalkulierbar. Die Manager | |
wissen, dass sie straffrei bleiben, wenn sie sich als Erste melden. | |
Haben Sie Verbesserungsvorschläge? | |
Das Kartellrecht scheint seine wesentliche Funktion bisher zu verfehlen. | |
Sein Zweck ist ja nicht, Geld in die Staatskassen zu spülen, indem man | |
Milliardenstrafen verhängt. Es soll eigentlich der Prävention und | |
Abschreckung dienen. Bußgelder allein scheinen aber nicht zu reichen. Die | |
Position der Monopolkommission ist daher: Man muss prüfen, ob nicht bei | |
glasklaren Verstößen Haftstrafen sinnvoll wären, die die Verantwortlichen | |
persönlich treffen – also die Manager im Vorstand und im Vertrieb. In | |
anderen Ländern wie etwa den USA gibt es dies. | |
Besonders wirkungsvoll scheinen angedrohte Haftstrafen aber nicht zu sein: | |
Auch in den USA gibt es Kartelle. | |
Man muss immer das Gesamtsystem sehen. In den USA herrschen insgesamt | |
andere Rahmenbedingungen. Die Kartellbehörden haben wenig Mitarbeiter; | |
stattdessen setzt man auf die Klagen der Geschädigten. | |
Auch in Deutschland wird diskutiert, ob man beispielsweise Sammelklagen | |
einführen sollte. Was halten Sie davon? | |
Ich bin mir nicht sicher, ob man Sammelklagen amerikanischen Stils | |
einführen sollte. Von diesem Instrument profitieren in den USA sehr | |
wesentlich die Anwälte, indem sie Erfolgsbeteiligungen kassieren. Besser | |
wäre es, das deutsche und europäische System weiter zu entwickeln. Wir | |
haben schon starke Kartellbehörden, aber die Sanktionen für die Unternehmen | |
müssten noch zielgenauer sein, indem man in eindeutigen Fällen | |
beispielsweise über Haftstrafen für die Manager nachdenkt. | |
25 Jul 2017 | |
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## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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