Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ulf Poschardt über Porsche Cayenne: „Ein rollender Hochsicherhei…
> Der Chefredakteur der „Welt“ und Sportwagenfan würde das Ende des Cayenne
> nicht bedauern. Er betont aber die Freiheit des Konsums.
Bild: Eine Trutzburg auf Rädern und mit Dieselmotor
taz: Herr Poschardt, Sie haben ein Buch über Sportwagen geschrieben und
fahren selbst einen – stimmen Sie zu: Der Porsche Cayenne ist nicht
wirklich ein Sportwagen und sieht auch noch scheiße aus?
Ulf Poschardt: Der Cayenne kommt vom Sportwagenhersteller Porsche, ist ein
SUV, da kommt ja das Wort „Sport“ vor – aber es ist natürlich kein
Sportwagen. Ein Cayenne Turbo S ist trotzdem extrem schnell und versägt
viele kleinere und größere Sportwagen auf der Autobahn. Und „scheiße
aussehen“ ist ganz schön hart formuliert, kann man aber so sehen. Ich bin
überhaupt kein Fan von SUVs.
Welche Sportwagen fahren Sie denn?
Ich fahre klapprige alte, verglichen mit einem Cayenne geradezu winzige
911er von Porsche. Neben einem alten 911er sieht selbst ein VW Beetle oder
VW Fox richtig groß aus. Meine Autos sind winzig, leicht und schnell. Das
ist das Gegenprinzip.
Aber die alten 911er haben Stil – und das ist bei Sportwagen ja wichtiger
als Schnelligkeit, oder?
Ja, Schnelligkeit ist es nicht. Die reinen Zahlen sind längst uninteressant
geworden, weil mittlerweile jeder asiatische Mittelklassewagen in der
Sportausführung so schnell ist wie früher nur ein Porsche. Aber es geht bei
einem richtigen Sportwagen um das Gefühl – und was es mit einem macht. Dazu
gehören Geräusch und Gerüche, auch das extrem Unbequeme an diesen alten
Autos. Das ist ein ganz anderer Angang an das Thema.
Außerdem: Diesel und Sportwagen/SUV – das ist doch ein Widerspruch in sich,
denn Diesel zieht doch gar nicht richtig. Oder liege ich da falsch?
Naja, mit Diesel kriegen Sie mittlerweile auch Le-Mans-taugliche
Geschwindigkeiten hin. Aber gesoffen haben SUV oder Geländewagen, wie man
früher sagte, ja immer wie verrückt.
Jetzt sieht man ja einige Porsche Cayennes vor Waldorf-Kindergärten mit
Ökomuttis, die grün wählen – stimmt das Klischée?
Ab und zu sehe ich SUVs vor Waldorf-Kindergärten – und wie bei allen
Klischées ist da ein wahrer Kern dran. Aber das ist ja banal, dass in
urbanen, wohlhabenden Gebieten auch grün wählende reiche Menschen mit einem
bizarren Lebenswandel leben.
Wenn jetzt die Rückrufaktion für die 22.000 Porsche Cayenne mit Dieselmotor
und das gerichtlich bestätigte Fahrverbot in Stuttgart das Ende dieses
Models Cayenne einleiten sollten, gerade bei diesem Auto, das ein Symbol
ist: Wäre das nicht ein Fortschritt, in ästhetischer, aber natürlich auch
in ökologischer Hinsicht?
Ich bin ja ein Freund der Marktwirtschaft und der freien Entscheidung der
Menschen. Wir, die wir es gerne leicht und ökologisch korrekt haben,
sollten uns fragen, warum so viele Menschen, ja viele Familienmenschen
sogar so eine große Verpanzerung und so ein großes Sicherheitsbedürfnis
haben. Das ist ja ein Trutzburg, ein rollender Hochsicherheitstrakt.
Solange das Bedürfnis nach so etwas, einer physischen Überlegenheitsgeste
durch Blech, als Hülle und Stärke, da ist, werden diese Autos bleiben.
Solche Autos müssen allerdings nicht mit Diesel oder Benzin angetrieben
werden. Porsche hat ja neulich angekündigt, dass man das Modell Macan ab
2019 nur noch als Elektrowagen wird kaufen können.
Und ein Cayenne mit E-Antrieb wäre das dann wieder cool?
Cool finde ich SUVs überhaupt nicht. Die große Frage beim E-Antrieb –
darauf kann ich alle Simone Peters dieser Welt nur immer hinweisen – ist
ja, ob der Strom dann nicht von einem Kohlekraftwerk kommt. Denn dann ist
die Ökobilanz noch viel beschissener als mit jedem Diesel dieser Welt.
Ziemlich sinnvoll ist schon, dass alle Wagen einen Elektroantrieb haben.
Aber ich habe mal gehört, dass Berlin bisher nur die Stromversorgung für
6.000 E-Wagen bewerkstelligen kann. Aber unsere Hauptstadt kriegt das ja
mit ihrer ausgewiesenen Brillanz in Sachen Infrastruktur bestimmt hin.
28 Jul 2017
## AUTOREN
Philipp Gessler
## TAGS
Dieselskandal
Porsche
Diesel
Welt
Automobilbranche
Lesestück Recherche und Reportage
Dieselskandal
Kartell
Dieselskandal
Lesestück Meinung und Analyse
## ARTIKEL ZUM THEMA
Steffen Reiche über Christmetten-Predigt: „Kein Rabatt auf Menschenrechte“
Provozieren wollte Reiche mit seiner von Ulf Poschard kritisierten Predigt
nicht. Politisch stehen sich der Welt-Chef und der Pfarrer gar nicht so
fern.
Dieselskandal in der Autoindustrie: Maas will Musterklage ermöglichen
Der Justizminister spricht sich für eine Musterklage gegen die Autokonzerne
aus. Bei einer solchen Klageform schließen sich betroffene Verbraucher
zusammen.
Die Deutschen und das Auto: Die Sehnsucht nach dem Knall
Erst Dieselskandal, jetzt Kartellverdacht: Das deutsche Auto ist unter
Beschuss wie nie. Warum kommen wir dennoch nicht los?
Unzulässige Abschalteinrichtung: Erst VW, dann Audi, nun Porsche
Auch der Geländewagen Cayenne ist mit illegaler Abschalttechnik
ausgerüstet. Das hat Folgen für die Produktion.
Absprachen in der Autobranche: EU kannte Kartell-Verdacht
EU-Kommission und Bundeskartellamt hatten offenbar schon 2014 Hinweise auf
Absprachen. Volkswagen verteidigt diese unterdessen als „weltweit üblich“.
Wolfsburg und Volkswagen: Wo das Leben sicher und stabil ist
Ein Herz, darin zwei Buchstaben: VW. Wie gehen die Bewohner der Stadt, die
von und mit dem Konzern lebt, mit dem Dieselskandal um?
Kommentar Zukunft der Autoindustrie: Das Kartell wird uns erpressen
Egal wie wütend wir auf die Autobauer sind, ihnen drohen keine schlimmen
Strafen. Denn brechen sie zusammen, ist unser Wohlstand in Gefahr.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.