# taz.de -- Werder-Ultras über Polizei-Ermittlungen: „Das ist wirklich läch… | |
> Die Polizei Bremen ermittelt, weil sie eine Fan-Choreografie der | |
> Antifa-Ultras „Cercle d’Amis“ für einen Gewaltaufruf hält. Die Ultras | |
> widersprechen | |
Bild: Beim Spiel gegen Hoffenheim feierten die Antifa-Ultras vom Cercle d´Amis… | |
taz: Herr Singer, haben Sie schon Post vom Staatsanwalt bekommen? | |
Pico Singer*: Nein, ich habe von den Ermittlungen gegen uns aus der Zeitung | |
erfahren. Es gab einen [1][Aufmacher im Weser-Kurier], in dem stumpf das | |
nachgeplappert wurde, was die Polizei zu unserer Choreo gesagt hat – ohne | |
die Vorwürfe kritisch zu hinterfragen oder jemanden von den Ultras zu Wort | |
kommen zu lassen. | |
Fürs Protokoll: Ihr Logo, eine maskierte Person mit einer Zwille, ist nicht | |
„gewaltverherrlichend“ und keine „öffentliche Aufforderung zu Straftaten… | |
Nein. Es ist wirklich lächerlich, daraus Strafverfolgung zu machen. Die | |
Vorwürfe sind haltlos und unbegründet, da wir lediglich unser Gruppensymbol | |
gezeigt haben und damit natürlich nicht zu Gewalt aufgerufen haben. Wir | |
reden hier von einer Öffentlichkeitsaktion, die wir monatelang in | |
Abstimmung mit dem Verein und Sicherheitsbeauftragten geplant haben. | |
Außerdem nimmt unser Logo durch Banner und sogar ein Flugblatt klaren Bezug | |
auf das 15-jährige Jubiläum des Cercle d’Amis (CDA), Werder Bremens erster | |
antifaschistischer Ultragruppierung. | |
Können Sie sich erklären, warum die Polizei trotzdem Anzeige erstattete? | |
Es gibt zu wenig Akzeptanz für Fankultur: In Bremen gibt es seit Längerem | |
eine deutlich verschärfte Gangart gegenüber Ultras. Der Innensenator Ulrich | |
Mäurer setzt auf Konfrontation. Dabei suchen Ultras in der Regel keine | |
Auseinandersetzungen. Das ist eine klare Unterscheidung zu Hooligans: Die | |
betrachten aktive Gewalt als ihr Kulturgut. Wir verteidigen uns lediglich, | |
wenn wir angegriffen werden, und lassen uns von den Ultras anderer Vereine | |
nicht die Fahnen klauen. | |
Wofür stehen die Ultras in Bremen? | |
In den letzten 15 Jahren haben wir zusammen Werders anderen linken | |
Ultragruppen Hooligans und Nazis aus dem Stadion verdrängt und damit auch | |
für weniger Gewalt gesorgt. Wir schaffen Freiräume für Menschen im Fußball, | |
führen Genderdiskussionen und bieten Alternativmodelle zum kommerziellen | |
Fußball, verkaufen etwa selbstgemachte günstige Fan-Artikel und machen | |
Veranstaltungen im Ostkurven-Saal. | |
Woher kommt das Logo? | |
Es stammt tatsächlich von einem inzwischen verstorbenen Gründungsmitglied, | |
das damals das Symbol einfach eingeführt hat. Wir haben nicht im Detail | |
diskutiert, wohin der zielt oder was es aussagt. Das Logo ist seit Jahren | |
in der Kurve präsent und ist einfach ein Symbol, das sich in ähnlicher | |
Weise in verschiedenen linken Widerstandsgruppen findet und das in keiner | |
Weise strafrechtlich relevant ist. Wir wollen damit zwar niemandem auf die | |
Füße treten, aber trotzdem etwas aussagen. | |
Nämlich? | |
Es symbolisiert den antifaschistischen Kampf in der Kurve. Ich bin 46 Jahre | |
alt und gehe seit 18 Jahren zu Werder Bremen. Damals gab es sehr viele | |
Nazis in der Kurve. Entsprechende Nazi-Symbolik war allgegenwärtig: | |
Embleme, Zeichen und Tattoos, aber auch rassistische Sprüche und Gesänge | |
waren immer da. Zum Beispiel haben schon mal an die 50 Leute das | |
antisemitische „U-Bahn-Lied“ gesungen … | |
… in dem Nazis etwa singen, dass sie eine „U-Bahn von Hamburg nach | |
Auschwitz“ bauen wollen … | |
… oder sie machten jedes Mal Affenlaute, sobald ein dunkelhäutiger Spieler | |
am Ball war. Das war in der Ostkurve total präsent. Es war die Kurve der | |
„Standarte“ und der rechten Hooligans. Links aussehende Leute oder Leute | |
mit Punkfrisuren wurden angemacht. Wir sind zu Anfang immer geschlossen als | |
Gruppe hin und zurück und mussten darauf achten, dass uns keiner auflauert. | |
Was haben Sie dagegen gemacht? | |
Ein Freund von hat uns motiviert, präsenter aufzutreten. Er hatte auch | |
viele Kontakte zu St. Pauli, bei denen die antifaschistische Grundhaltung | |
aller Fangruppen Konsens ist. Wir kamen aus der | |
antifaschistisch-subkulturellen Szene und dachten: Wir haben an anderer | |
Stelle gegen Faschismus gekämpft und das können wir auch im Stadion tun – | |
und damit meine ich nicht tätliche Auseinandersetzungen. Also haben wir | |
2002 den CDA mit einer klar antirassistischen Botschaft gegründet. In der | |
Folge gründeten sich noch weitere Gruppen, die sich ebenfalls | |
antifaschistisch positionierten. | |
Gab es keine Widerstände? | |
Ein Großteil der Werder-Fans und der Ostkurve solidarisierte sich. Vielen | |
hat das einfach aus den Herzen gesprochen. Leute riefen: „Hau ab!“ und | |
„Nazis raus!“, wenn etwa jemand einen Hitlergruß gezeigt hat. | |
Und was haben die Nazis gemacht? | |
Die Rechten haben die Schnauze gehalten, weil sie gemerkt haben, dass ihre | |
Auftritte und Gesänge nicht mehr salonfähig waren. Auch Ordner haben | |
Rechte, die sich offen gezeigt haben, rausgeschmissen, wenn sie sich | |
eindeutig geäußert haben oder Nazi-Klamotten trugen. Auch der Verein hat | |
sich ausdrücklich für Vielfalt ausgesprochen. | |
Kam es nicht zu Gewalt? | |
Natürlich gab es Angriffe der Nazis. Aber im Weserstadion hatten sie schon | |
bald keine Rückzugsräume mehr. Tätliche Angriffe gab es etwa bei | |
Champions-League-Auswärtsspielen. Da machten viele Hools klare Ansagen wie: | |
„Fußball ist Fußball und Politik ist Politik“ – das bedeutete für sie | |
immer: rechts sein ist okay, aber Antirassismus ist zu politisch. Der | |
Gipfel war der Angriff auf die Geburtstagsfeier der antirassistischen | |
Ultragruppe „Racaille Verte“ im Ostkurvensaal mit mehreren Verletzten. | |
Fühlen Sie sich ausreichend vom Verein unterstützt? | |
Grundsätzlich schon: Wir haben klare Fürsprecher. Werder ist meistens | |
solidarisch. Auch über die Choreo wusste der Verein ja Bescheid. | |
Klaus-Dieter Fischer saß sogar schon mit uns in der Kneipe und hat große | |
Sympathien für die Ultrakultur geäußert. Das ist gut, denn eine bunte und | |
lebendige Kurve kann nicht diktiert werden. Sie kann nur existieren, wenn | |
Menschen im Stadion tagtäglich daran mitwirken und sich dafür aussprechen. | |
* Name geändert | |
26 May 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://www.weser-kurier.de/startseite_artikel,-polizei-ermittelt-wegen-fanb… | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
## TAGS | |
Ultras | |
Werder Bremen | |
Polizei Bremen | |
Polizei | |
Innere Sicherheit | |
Fankultur | |
Fußball | |
Schwerpunkt Antifa | |
TSG Hoffenheim | |
Polizei Bremen | |
Polizei Bremen | |
Werder Bremen | |
Polizei Bremen | |
Werder Bremen | |
Fußball-Bundesliga | |
Fußball | |
Eintracht Braunschweig | |
Werder Bremen | |
Fußballvereine | |
Ultras | |
Ultras | |
Antisemitismus | |
Pyrotechnik | |
Lazio Rom | |
Prozess | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Grassierender Anti-Hoppismus: Keine Ultra-Geschmacklosigkeiten | |
Hoffenheims Mäzen wird wieder mal beleidigt. Das Spiel wird unterbrochen. | |
Steht der Milliardär etwa unter besonderem Schutz? | |
Polizist wirbt für rechte Hooligan-Marke: Prügelspaß bei Bremer Polizei | |
Ein Bremer Polizist hat das Logo des rechten Versandhandels „Spaß kostet“ | |
auf seinem Schlagstock. Die Polizei prüft disziplinarische Maßnahmen. | |
Bremer Fanbetreuer über Stadionkultur: „Auch Ultras gehören kritisiert“ | |
Thomas Hafke leitete 30 Jahre das Bremer Fanprojekt, nun wurde ihm | |
gekündigt. | |
Ermittlungen gegen Ultras eingestellt: Kein Aufruf zu Gewalt | |
Die Bremer Konrad-Adenauer-Stiftung macht Stimmung gegen linke Ultras. | |
Ermittlungen wegen eines Banners werden eingestellt. | |
Prügelnde Werder-Bremen-Fans: Schlägerei nach Werder-Spiel | |
Nach dem Heimspiel am Samstag prügelten sich linke Ultras und mutmaßliche | |
Neonazis aus der Hooligan-Szene. Die Ultras üben Kritik an der | |
Polizeistrategie | |
Polizeischikanen beim Nordderby: Werder kritisiert die Polizei | |
Wegen stundenlanger Kontrollen verpassten Bremen-Ultras mal wieder das | |
Nordderby beim HSV. Der Werder-Präsident kritisiert die Polizei deutlich. | |
Eskalation bei Fußballspiel: Anzeige gegen Berliner Polizei | |
Die Polizei ging beim Auswärtsspiel gegen Hertha BSC rigide gegen | |
Werder-Ultras vor. Scharfe Kritik kommt vom Fanprojekt. 26 Ultras | |
festgenommen | |
EM im Weserstadion: Kick mit der Glaskugel | |
Bremen will EM-Austragungsort 2024 werden. Dafür nimmt die Stadt schwammige | |
Vorgaben und die Profitgier der Uefa in Kauf. | |
Razzien in Braunschweig und Hannover: Ultras wehren sich | |
Die Polizei durchsuchte 101 Wohnungen von Fußballfans in Hannover und | |
Braunschweig. Dagegen wollen die Betroffenen juristisch vorgehen. | |
Werder-Präsident über radikale Fans: „Wir würden Rechte niemals dulden“ | |
Der Präsident von Werder Bremen, Hubertus Hess-Grunewald, über Gründe für | |
das gute Verhältnis zu linken Ultras und den Kampf gegen Rechte. | |
Ultras in Bremen: Fankurve wird nazifrei | |
Linke Fans von Werder Bremen haben dafür gesorgt, dass Nazis in der | |
Ostkurve nicht mehr willkommen sind. Vor 15 Jahren sah das noch ganz anders | |
aus. | |
Man sollte den Werder-Ultras danken: Undankbare Polizei | |
Die Polizei ermittelt gegen einen Teil von Werder Bremens Ultras – wegen | |
einer Choreo. Die Ultras und das Fan-Projekt kritisieren das und haben | |
Recht damit. | |
Hardcore-Fußballfans und der DFB: Auch Ultras sind Eventmanager | |
Fußballferne Inszenierungen können die Hardcorefans genauso gut wie Helene | |
Fischer. Sie sind Teil des Geschäfts, das sie verteufeln. | |
Antisemitische Fußballfans: Eine Frage der Volksverhetzung | |
Nach einem Spiel des HSV sollen Anhänger ein antisemitisches Lied gegrölt | |
haben. Die Linke wirft der Polizei vor, nichts dagegen unternommen zu haben | |
Bremer Ultras im Clinch mit ihrem Verein: Bei Werder brennt die Hütte | |
Normalerweise halten Verein und Fußballfans zusammen. Nun nicht mehr: Die | |
Ultras von Werder Bremen fühlen sich im Stich gelassen. | |
Gewalt beim Fußball: Spiel-Absage nach Hooligan-Aufruf | |
Werder Bremen will doch nicht gegen Lazio Rom spielen. Rechte Hooligans | |
hatten mobilisiert, Experten vor Gewaltausbrüchen gewarnt. | |
Beim Testspiel Werder-Lazio droht Gewalt: Im Visier der Nazi-Hools | |
Rechte Hools mobilisieren für August nach Bremen: zum Testspiel von Werder | |
gegen Lazio Rom. Ein Fanforscher rät, den Aufruf ernstzunehmen. | |
Justiz: Staatsanwalt beschuldigt | |
Im Prozess gegen den linken Ultra Valentin S. haben die Verteidiger den | |
Bremer Staatsanwalt angezeigt. Er habe zu lang nicht gegen einen rechten | |
Hooligan ermittelt. |