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# taz.de -- Teures Kreuzberg: Betonkoloss im Ausverkauf
> Das „Neue Kreuzberger Zentrum“ am Kotti soll an einen neuen
> Privateigentümer verkauft werden – ein Belastungstest für die
> rot-rot-grüne Wohnungspolitik.
Bild: Das Kottbusser Tor ist inzwischen eine begehrte Lage.
Das Neue Kreuzberger Zentrum (NKZ) mit seinen steinernen Terrassen, Treppen
und Gängen ist das Wahrzeichen des Kottbusser Tors. Nun soll der quer über
der Adalbertstraße liegende Betonkoloss verkauft werden: Voraussichtlich
Mitte April werde bei einer Versammlung der Gesellschafter entschieden, an
wen das Gebäude gehe, bestätigte am Freitag der Beiratsvorsitzende der
Kommanditgesellschaft, Peter Ackermann, der taz.
Trotz der rot-rot-grünen Absichten, Wohnungen zu rekommunalisieren, könnte
die Stadt am Kotti leer ausgehen: Zwar gehört die landeseigene
Wohnungsbaugesellschaft Gewobag zu den Interessenten, doch ein privates
Unternehmen, die Juwelus Investitions- und Beteiligungs GmbH & Co KG, habe
den höchsten Preis genannt, so Ackermann. Die exakte Summe wollte er nicht
nennen, der Preis bewege sich aber im zweistelligen Millionenbereich.
Der Gebäudekomplex, der heute offiziell „Zentrum Kreuzberg | Kreuzberg
Merkezi“ heißt, hat eine bewegte Geschichte: Finanziert wurde es von einer
Kommanditgesellschaft mit fast 500 Investoren – darunter viele Gutverdiener
aus Westdeutschland. Das Berlinförderungsgesetz von 1950 machte die Stadt
zum lukrativen Einsatzort für Investitionen, es gab umfangreiche Zulagen
und Abschreibungsmöglichkeiten. Ab den 70er Jahren wurde auch der soziale
Wohnungsbau üppig gefördert – etwa rund um den Kotti.
Nach der Fertigstellung 1974 blieben viele Gewerbeflächen leer. Im Viertel
stieg die Kriminalitätsrate, das Zentrum stand mehrmals vor dem Bankrott.
In den 80er Jahren bemühte sich die Stadt, die Situation in dem Quartier zu
verbessern. In den letzten zehn Jahren entwickelte sich das Gebäude dann zu
einem begehrten Ort zum Wohnen, Arbeiten und Partymachen.
Das NKZ umfasst 295 Wohnungen und rund 90 gewerbliche Einheiten. Es gehört
heute insgesamt 360 Personen in der ganzen Republik, die zusammen die
Kommanditgesellschaft bilden. Laut Ackermann sind sie so verschuldet, dass
sie verkaufen müssen. So fordere die Investitionsbank Berlin 40 Millionen
Euro zurück. Selbst bei einer Vollvermietung des Gebäudes käme nicht genug
Geld herein, um die Schulden bedienen zu können.
Am Donnerstag fand laut Ackermann ein Treffen statt um herauszufinden,
welche Käufer welchen Kaufpreis zahlen würden – dabei unterlag die Gewobag
dem privaten Interessenten. Ackermann betonte aber, dass noch nichts
unterschrieben sei.
In der Stadtentwicklungsverwaltung beobachtet man den Vorgang aufmerksam.
Erst wenn ein Kaufvertrag unterzeichnet ist, könnte sich das Land über den
Bezirk einschalten und sein Vorkaufsrecht geltend machen. „Uns ist bewusst,
wie wichtig und emotional aufgeladen das Neue Kreuzberger Zentrum ist“,
sagte Senatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) am Freitag. Der Senat werde
alle Möglichkeiten prüfen, was man im Sinne der Mieter tun könne. Florian
Schmidt, Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, bekräftigte: „Absolutes
Ziel ist es, die Zusammensetzung der Bevölkerung zu erhalten.“
Bewohner und Gewerbetreibende im NKZ sind besorgt: Im Dezember bekamen sie
Wind von dem anstehenden Verkauf und gründeten einen Mieterrat, der am
Freitag den Vorgang überhaupt erst öffentlich machte. „Wir befürchten, dass
ein neuer privater Eigentümer das NKZ komplett saniert, die Mieten erhöht
und die Verdrängung noch krasser wird“, sagte Ryan Harty vom Mieterrat.
Ginge es nach diesem, hätte die Wohnungsbaugesellschaft den Zuschlag
bekommen. Jetzt herrscht Skepsis. Harty: „Das ist nicht die
Stadterneuerung, wie wir sie uns wünschen.“
24 Mar 2017
## AUTOREN
Antje Lang-Lendorff
Fabian Franke
## TAGS
Kottbusser Tor
Sozialer Wohnungsbau
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Immobilien
Mietenpolitik
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