# taz.de -- Neues Kreuzberger Zentrum: Mieterhöhung trotz allem | |
> Vor knapp zwei Jahren wurde das Neue Kreuzberger Zentrum am Kottbusser | |
> Tor rekommunalisiert. Nun bekamen die BewohnerInnen Mieterhöhungen. | |
Bild: Gehört der Wohnungsbaugesellschaft Gewobag: das Neue Kreuzberger Zentrum… | |
Als Mitte 2017 das Neue Kreuzberger Zentrum (NKZ), dieser Koloss des | |
soziales Wohnungsbaus am Kottbusser Tor, durch die Wohnungsbaugesellschaft | |
Gewobag übernommen wurde, war die Erleichterung bei MieterInnen und | |
Gewerbetreibenden gewaltig. Statt eines nach maximalem Profit strebenden | |
privaten Wohnungsunternehmens gingen die 295 Sozialwohnungen und 90 | |
Gewerbeeinheiten damit an ein Unternehmen der öffentlichen Hand. | |
Mieterhöhungen und die folgende Verdrängung einkommensschwacher Klientel | |
waren damit vom Tisch. So die Überzeugung damals. Doch mit dieser | |
Sicherheit ist es nun vorbei. | |
Am 30. April erhielten alle WohnungsmieterInnen der insgesamt sechs Gebäude | |
Mieterhöhungen, die ab Juni gelten sollen. Auf Anfrage der taz teilte die | |
Gewobag mit, dass die Mieterhöhungen in einer Spanne von 6,74 Euro bis | |
19,85 Euro pro Monat liegen, im Maximalfall also bei 238,20 Euro im Jahr. | |
In einem der taz vorliegenden Schreiben für eine 73 Quadratmeter große | |
Wohnung sollen die MieterInnen monatlich 14,45 Euro mehr zahlen, ein | |
Aufschlag von immerhin 2,45 Prozent. „Für die Leute hier ist das total viel | |
Geld“, sagt Marie Schubenz, Sprecherin des Mieterrates. Sie fordert die | |
Rücknahme der Forderungen, „schließlich wurde das NKZ doch gekauft, um die | |
Mieten stabil zu halten“. Die Gewobag spricht von „nachholenden | |
Anpassungen“. | |
Seit 2008 hatten die ehemaligen privaten Eigentümer des NKZ auf die im | |
sozialen Wohnungsbau mögliche Mietsteigerung um 20 Cent pro Quadratmeter | |
und Jahr verzichtet. Für die Wohnung, deren Berechnungsgrundlage die taz | |
einsehen konnte, ergibt dies einen Verzicht von insgesamt etwa 100 Euro. | |
Einen Teil davon fordert die Gewobag nun ein und kündigt an, „auch künftig | |
erforderliche Mietsteigerungen sozialverträglich“ umzusetzen. Als | |
Begründung werden insbesondere gestiegene Verwaltungs- und | |
Instandhaltungskosten genannt. In ihrem Schreiben verweist die Gewobag | |
zudem auf die Gesamtinvestition, also jene knapp 60 Millionen, die der | |
Ankauf des NKZ gekostet hat. | |
## Ein Überschuss von 29 Millionen Euro | |
Mit über 60.000 Wohnungen gehört die Gewobag, die derzeit ihren 100. | |
Geburtstag feiert, zu den größten Vermietern der Stadt. Die Miete der | |
Gewobag-Wohnungen betrug im Jahr 2018 durchschnittlich 6,09 Euro pro | |
Quadratmeter, die Bestandsmieten erhöhte sie im Vergleich zu 2017 um 1,8 | |
Prozent. Im selben Jahr erzielte die Gesellschaft einen Jahresüberschuss | |
von etwa 29 Millionen Euro. | |
Der Senat hat kein Problem mit den Gewobag-Forderungen. Aus dem | |
Stadtentwicklungsressort heißt es auf Anfrage: Die | |
Wirtschaftlichkeitsberechnung der Gewobag, die im Zuge des Ankaufs erstellt | |
wurde, „beinhaltet eine Bestandsmietenentwicklung“. Verwiesen wird auf die | |
Kooperationsvereinbarung „Leistbare Mieten, Wohnungsneubau und soziale | |
Wohnraumversorgung“, die Senatorin Katrin Lompscher (Linke) 2017 mit den | |
sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften geschlossen hat. Demnach | |
dürfen die Gesellschaften die Mieten nur um maximal zwei Prozent im Jahr | |
anheben. Möglich seien aber auch „einmalige Mieterhöhungen bis zu vier | |
Prozent innerhalb von zwei Jahren“, so die Senatsverwaltung. Für | |
MieterInnen, die nach der Steigerung mehr als 30 Prozent ihres | |
Haushaltsnettoeinkommens für die Miete zahlen müssten, besteht die | |
Möglichkeit, einen Härtefallantrag zu stellen. Bei einem erfolgreichen | |
Antrag wird ein Mietzuschuss gewährt. | |
Schubenz reicht das nicht; sie verweist auf die Verhandlungen im Zuge der | |
Übernahme des NKZ zwischen Gewobag, Mieterrat und Senat. Damals sei | |
mündlich vereinbart worden, bei den Mieten den „Status quo zu erhalten“. | |
Schubenz sagt: „Wir sind davon ausgegangen, dass wir uns darauf verlassen | |
können, dass die Mieten stabil bleiben.“ Wohnungsstaatssekretär Sebastian | |
Scheel (Linke), der ebenfalls an den Verhandlungen teilgenommen hatte, | |
äußerte sich auf taz-Anfrage nicht zu den damaligen Absprachen. | |
Pikiert ist der Mieterrat noch über einen weiteren Punkt. Anderthalb Jahre | |
lang wurde mit der Gewobag eine Kooperationsvereinbarung ausgearbeitet, die | |
Anfang Oktober vergangenen Jahres als Modellprojekt präsentiert wurde. | |
Geeinigt hatte man sich darauf, wichtige Entscheidungen rund um das | |
symbolträchtige Gebäude, etwa über die Vermietungspolitik und | |
Instandhaltung, über die Gewerbeentwicklung und Maßnahmen für eine | |
verbesserten Sicherheit, zukünftig im Konsens zu treffen. | |
Seitdem kommen VertreterInnen beider Seiten regelmäßig zusammen, zuletzt | |
Anfang April. Das Thema Mieterhöhungen sei da jedoch nicht zur Sprache | |
gekommen, sagt Schubenz. Stattdessen seien sie erst dann per Mail | |
informiert worden, als auch die MieterInnen schon ihre Schreiben erhielten. | |
Die Gewobag spricht von einem „Kommunikationsproblem“, das zu der | |
„zeitlichen Überschneidung“ geführt habe. Demnach habe der Hauswart die | |
Mieterhöhungen eine Woche zu früh verteilt. Schubenz sagt für den | |
Mieterrat: „Wir erwarten, dass die Zusammenarbeit deutlich verbessert | |
wird.“ | |
Grundsätzliche Kritik kommt von der Mieterinitiative Kotti & Co., die sich | |
seit vielen Jahren für bezahlbare Mieten am Kottbusser Tor einsetzt. Ihr | |
Sprecher, Georgios Thodos, sagt: „Ob diese Mieterhöhung nun Dummheit oder | |
politisches Kalkül sind, ist noch nicht einzuschätzen.“ Sie sei aber ein | |
Zeichen dafür, „dass die Gewobag die Zeichen der Zeit noch nicht verstanden | |
hat“. Als Konsequenz fordert Thodos, die landeseigenen Wohnungsunternehmen | |
„weiter zu demokratisieren“. | |
Die Mieterhöhungen der Gewobag sind derweil nicht die einzigen am Kotti. | |
Auch die Deutsche Wohnen, der die Gebäude am südlichen Teil des Platzes | |
gehören, erhöhte zum April die Miete von 31 Mietparteien in vier Häusern um | |
pauschal 25 Euro. Der private Wohnungskonzern begründet den Schritt ähnlich | |
wie das landeseigene Unternehmen mit einer nachholenden Forderung. Es | |
handele sich um eine vor zwei Jahren ausgesprochene Mieterhöhung, auf die | |
damals verzichtet wurde. „Diesen Verzicht haben wir nun teilweise | |
abgebaut“, so ein Unternehmenssprecher auf taz-Anfrage. Weitere | |
Mieterhöhungsspielräume dürften sich am Montag ergeben. Da stellt Senatorin | |
Katrin Lompscher den neuen Mietspiegel 2019 vor. | |
9 May 2019 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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