# taz.de -- Café Südblock, Kotti & Co. und Aquarium: Keimzelle droht der Ausv… | |
> Am Kottbusser Tor sollen drei Häuser mit Geschichte verkauft werden. | |
> Betroffen sind 120 Sozialwohnungen und wichtige Institutionen der | |
> Mietenbewegung. | |
Bild: Auf der Suche nach ihrem Vermieter: Wenn der Kotti zum Ku’damm kommt, p… | |
Berlin taz | Die Keimzelle der Berliner [1][Mietenbewegung] soll offenbar | |
verkauft werden: Der Südblock am Kotti, also die Admiralsstraße 1 und 2 | |
sowie die Skalitzer Straße 6 sollen in einem Bieterverfahren veräußert | |
werden, wie der Mieter-Zusammenschluss [2][Kotti & Co.] in einer | |
[3][Mitteilung] vom Mittwochabend schreibt. Neben 120 Sozialwohnungen wurde | |
dort von Bewohner:innen der Verein Kotti & Co. gegründet, der sich seit | |
2012 in einem selbst gezimmerten Protesthaus vor den Gebäuden trifft. | |
Ebenso wären von einem Verkauf das Café Südblock und der oft von sozialen | |
und linken Initiativen genutzte Veranstaltungsort Aquarium betroffen – | |
alles direkt am Kotti und damit im Herzen von Kreuzberg. | |
In einem Bieterverfahren, das einer Auktion ähnelt, versuchen Eigentümer | |
meist, einen möglichst hohen Preis für zu verkaufende Immobilien zu | |
erzielen. Entsprechend besorgt sind Mieter:innen, dass potentielle Käufer | |
auf eine hohe Rendite schielen wird. Durch Zufall und mit „großer | |
Bestürzung“ habe man von dem Bieterverfahren gehört. | |
Protest ließ entsprechend nicht lange auf sich warten: Spontan trafen sich | |
am Donnerstagnachmittag um die 40 Mieter:innen, um gemeinsam mit der U1 zum | |
Kurfürstendamm 199 zu fahren, wo die Eigentümer:innen sitzen sollen. | |
Hausbesitzer ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung namens | |
„Admiralstraße 1-6 Grundstücks-GmbH. & Co. Hausbau KG.“ Auf taz-Anfrage | |
reagierte die Firma bislang weder telefonisch noch schriftlich. Eine eigene | |
Email-Adresse hat die Firma nicht, wird aber verwaltet von der Valea | |
Vermögensverwaltung, deren [4][Website] sich [5][seit 2017] im Aufbau | |
befindet und die unter der selben Adresse gemeldet ist. | |
## Maserati-Harry und der korrupte CDU-Bausenator | |
Laut Kotti & Co. handelt es sich um einen privaten Fonds von 150 privaten | |
Anleger:innen. Auf dem Weg dorthin wird der Eintrag aus dem Handelsregister | |
herumgereicht. Unter den dort gelisteten Anleger:innen finden sich durchaus | |
illustre Persönlichkeiten: Neben dem wegen Steuerhinterziehung verurteilten | |
und geschassten Chef der Treberhilfe Berlin, Harald Ehlert – besser bekannt | |
als [6][Maserati-Harry –], ist wohl auch der Sohn des Ex-CDU-Bausenators | |
Klaus Franke darunter, der wegen Korruption gehen musste. | |
Während der Fahrt und beim Demozug mit Trillerpfeifen, Trommeln und | |
Sprechchören über den Ku’damm begegnet der bunt gemischten Gruppe viel | |
Zuspruch. Eine Mutter mit Kinderwagen hat auf ihrem Plakat „Besorgte | |
Mieter:innen“ steht und wird in der U-Bahn von einem jüngeren Mann mit | |
Base-Cap angesprochen. Er sagt: „Na, davon kann ich ein Lied singen. Uns | |
haben die nach 12 Jahren aus der Oranienstraße gentrifiziert.“ | |
Mitgebracht haben die Mieter:innen rund 150 Briefe an alle Anleger:innen | |
der GmbH. Darin fordern sie, dass diese die Häuser an das Land übergeben | |
sollen – zu einem „sozialverträglichen Verkaufspreis“ und unter | |
„Arbeitsplatzgarantie für die derzeitigen Hauswarte“. Tatsächlich soll die | |
Degewo bereits ein Angebot für die Häuser abgegeben haben, wie ein Mieter | |
berichtete, das habe die Gesellschaft allerdings offenbar abgelehnt. Die | |
Degewo wollte auf taz-Anfrage keine Stellung nehmen. | |
„Die Stimmung ist kämpferisch“, sagt Karolina Sanders (Name geändert) von | |
Kotti & Co., die selbst Mieterin dort ist. „Viele sind empört und haben | |
große Sorgen. Aber es gibt auch eine große Entschlossenheit, die Häuser zu | |
verteidigen.“ Die Mieter:innen befürchten eine Verschlechterung des | |
Zustands ihrer Häuser, in denen ohnehin schon zu wenig in Instandhaltung | |
investiert worden sei. | |
Am Kurfürstendamm 199 deutet auf den ersten Blick nichts auf den Vermieter | |
hin. Nur der Name der Vermögensverwaltung steht dort auf einem Schild. Vor | |
der Tür warten allerdings schon Polizist:innen, die den Eingang bewachen. | |
Reinlassen wollen sie erst mal keinen. Der Geschäftsführer sei nicht da und | |
die Angestellten wollten nicht aufmachen, lässt die Polizei mitteilen. | |
Die Rede eines Mieters mit Megafon vor der Hausnummer 199 ist dennoch | |
kämpferisch: „Allen möglichen profitorientierten Käufern sagen wir hiermit | |
klar und deutlich: wir werden um unsere Häuser kämpfen – wer hier kauft, | |
kauft Ärger!“ Die bisherigen Vermieter:innen versuchten, möglichst viel | |
Rendite aus den mit staatlichen geförderten Wohnraum zu ziehen, sagt er. | |
Auf diese Weise diene Eigentum nicht der Allgemeinheit, sondern müsse | |
enteignet werden. Beim „spekulativen Verkauf von Sozialwohnungen ist die | |
Enteignung angemessen“, ruft er, woraufhin der Rest und sogar ein paar | |
Passant:innen am Ku’damm jubeln. „Wir sind eine vielfältige | |
Mieter*innenschaft, die sicherlich viele Unterschiede in Lebensweise, | |
Glauben, Migrationsgeschichte und Lebenseinstellungen hat. Aber was uns | |
vereint: Wir wollen hier am Kotti wohnen bleiben“, ruft er. Erneut ist | |
Jubel die Antwort. | |
Der Südblock liegt in einem Milieuschutzgebiet, so dass der Bezirk | |
kommunales Vorkaufsrecht vornehmen könnte, wenn beim Verkauf alles [7][mit | |
rechten Dingen zugeht]. Aber ob dieses auch tatsächlich zum Einsatz kommt, | |
hängt auch immer davon ab, wie teuer eine Übernahme ist. Auf taz-Anfrage | |
teilt der Bezirk mit, dass ein möglicher Verkauf „an das Bezirksamt | |
herangetragen“ worden sei – „sollte ein Verkauf stattfinden, wird das | |
Bezirksamt prüfen, ob eine Vorkaufsrechtsprüfung möglich ist“, heißt es. | |
Bei einer etwaigen Übernahme durch eine landeseigenen Wohnungsgesellschaft | |
erhofft sich der Verein auch die Unterstützung vom Senat. Berlins | |
rot-rot-grüne Landesregierung hat 2016 versprochen, sich für die Erhaltung | |
von sozialen Wohnraum einzusetzen. | |
Das direkt gegenüber vom Südblock gelegene [8][Neue Kreuzberger Zentrum | |
(NKZ)] wurde 2017 nach viel hin und her von der Gewobag gekauft. Auch | |
damals haben Eigentümer [9][laut Kotti & Co.] zunächst versucht, ein | |
Bieterverfahren zu eröffnen. Wohl um den Preis in die Höhe zu treiben. | |
Auch wenn sie den Geschäftsführer, einen Herrn Seidel nicht sprechen | |
dürfen, so dürfen die Mieter:innen nach einer Weile in Polizeibegleitung | |
zumindest ihre Briefe einwerfen. | |
Problem nur: Der Briefkasten ist gar nicht so leicht zu finden. Auf | |
mehreren Briefkasten in dem Haus finden sich gleich unübersichtlich eine | |
große Menge von GmbHs. Irgendwann ist er doch gefunden. Die Admiralstraßen | |
GmbH teilt sich den Briefkasten mit zehn anderen Firmen und zwei | |
Rechtsanwält:innen. | |
Update, 17:30 Uhr: Der ursprüngliche Artikel wurde ergänzt um die | |
Geschehnisse um die Demonstration am Nachmittag. | |
13 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Gentrifizierung-in-Berlin/!t5473161 | |
[2] /5-Jahre-Protestcamp-am-Kottbusser-Tor/!5409622 | |
[3] https://kottiundco.net/2020/02/09/kein-verkauf-am-kotti/ | |
[4] http://www.valea-berlin.de/ | |
[5] https://web.archive.org/web/20170515000000*/http://www.valea-berlin.de/ | |
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Harald_Ehlert | |
[7] /Mietenwahnsinn-in-Berlin/!5581628 | |
[8] /Neues-Kreuzberger-Zentrum/!5536689 | |
[9] https://kottiundco.net/2017/04/16/nkz-enteignen/ | |
## AUTOREN | |
Gareth Joswig | |
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