| # taz.de -- Radikaler Mietendeckel in Berlin: Jetzt wird's dirty | |
| > Die Mieterbewegung sieht die weitreichenden Vorschläge für einen | |
| > Mietendeckel als großen Erfolg. Jetzt gelte es, diese gegen Angriffe zu | |
| > verteidigen. | |
| Bild: Ohne Mieterbewegung kein Mietendeckel | |
| Berlin taz | Dass die [1][bekannt gewordenen Vorschläge] zum | |
| [2][Mietendeckel] radikal sind, darin sind sich alle einig. Doch während | |
| Immobilienwirtschaft, Politiker aller nichtlinken Parteien sowie Teile der | |
| Presse die nächste sozialistische Diktatur heraufbeschwören, zeigt sich die | |
| MieterInnenbewegung der Stadt positiv überrascht. | |
| „Wir freuen uns wirklich, dass da ein großer Wurf versucht wird“, sagt | |
| Rouzbeh Taheri, Sprecher des [3][Volksbegehrens Deutsche Wohnen und Co | |
| enteignen]. Moritz Neumann vom Mietenwahnsinn-Bündnis, das im April | |
| Zehntausende Mieter auf die Straßen brachte, spricht von übertroffenen | |
| Erwartungen und „drastischen Maßnahmen“. Ulrike Hamann von Kotti und Co | |
| sagt: „Der Mietendeckel kann gar nicht radikal genug sein.“ Der Vorschlag | |
| sei eine „Freude für die MieterInnen auf dem normalen Wohnungsmarkt der | |
| Stadt“. | |
| Der Entwurf aus dem Hause von Stadtentwicklungssenatorin [4][Katrin | |
| Lompscher] (Linke) will Mieterhöhungen unterbinden und benennt zugleich | |
| Obergrenzen von maximal 6,03 Euro pro Quadratmeter im Altbau und 7,97 Euro | |
| pro Quadratmeter für Wohnungen, die zwischen 1991 und 2013 gebaut wurden: | |
| insgesamt 17 Werte, differenziert nach Alter und Ausstattung der Wohnung, | |
| unabhängig von ihrer Lage. Dazu kommen maximal 20 Prozent Aufschlag für | |
| Modernisierungsmaßnahmen. | |
| Auch Wohnungen in schick sanierten Gründerzeitbauten dürfen dann für nicht | |
| mehr als 8 Euro pro qm kosten, was sogleich bei einigen Kommentatoren eine | |
| Neiddebatte über die reichen Profiteure des Deckels entfachte. Die | |
| Mietenbewegung widerspricht: „Wir finden gut, wenn wir alle bald wieder am | |
| Ku’damm wohnen können“, so Neumann. | |
| Es ist ein Punkt aus dem Entwurf, der besonders elektrisiert: die Absenkung | |
| der Mieten in bestehenden Verträgen. Mieten, die über den Obergrenzen | |
| liegen, sollen auf Antrag ans Bezirksamt reduziert werden können. Womöglich | |
| könnten davon Hunderttausende MieterInnen profitieren. Dies ginge deutlich | |
| über die ursprüngliche Kernidee des Mietendeckels hinaus. Die sah das | |
| bloße Einfrieren der Mieten auf ihrem derzeitigen Stand vor. Zementiert | |
| würden damit all jene utopischen Preise von 12 oder gar 15 Euro pro | |
| Quadratmeter. „Es ist doch klar, dass die zurückgefahren werden müssen“, | |
| ist Neumann überzeugt, „nur den Status quo zu erhalten, reicht nicht.“ | |
| ## Härter als der Mieterverein | |
| Die kompromisslose Haltung aus dem Senat hatte selbst der Berliner | |
| Mieterverein nicht vermutet, der in seinem kürzlich präsentierten Vorschlag | |
| zur Ausgestaltung des Deckels noch die Möglichkeit von Mieterhöhungen | |
| vorsah – bis zu Obergrenzen, die teils zwei Euro über den jetzt vorgelegten | |
| Zahlen lagen. Damit blieb der Mieterverein hinter den Forderungen von | |
| Mieterbewegung und den Eckpunkten des Senats zurück. Nun sprang | |
| Mietervereins-Geschäftsführer Reiner Wild Lompscher jedoch zur Seite: „Man | |
| kann nicht einerseits das Verhalten der Renditejäger kritisieren, aber wenn | |
| es darum geht, ihnen Einhalt zu gebieten, dann plötzlich kalte Füße | |
| bekommen.“ | |
| Lompscher hat am Montag ihre Position erneut bestätigt. Um eine gemischte | |
| Stadt zu sichern, sei „es erforderlich, in die Bestandsmieten | |
| einzugreifen“. Gleichzeitig wies sie aber auch noch mal darauf hin, dass | |
| das aktuell diskutierte Papier lediglich ein „Referentenentwurf“ sei. | |
| Heißt: Der Drops ist noch lange nicht gelutscht. Ob am Ende ein Gesetz | |
| steht, das einer großen Zahl von MieterInnen die Absenkung ihrer Mieten | |
| ermöglicht, bleibt abzuwarten – und muss gegen mächtige Kritiker | |
| durchgesetzt werden. | |
| In der Mieterbewegung ist man sich sicher, dass ohne ihr Engagement diese | |
| Form der Regulierung nicht zur Debatte stünde. „Dass solche Maßnahmen | |
| überhaupt im Raum stehen, ist nur möglich, weil die Bewegung so stark ist“, | |
| sagt Neumann. Koalitionsintern werde es nun hart. Aus bestimmten | |
| SPD-Kreisen, etwa der AG Soziale Stadt, die sich stets als Sprachrohr der | |
| Immobilienwirtschaft versteht, wird bereits scharf geschossen – was | |
| niemanden verwundert. | |
| Taheri spricht von einem „Bündnis aus neoliberalen Parteien und der | |
| Immobilienwirtschaft“, gegen die man den Mietendeckel nun verteidigen | |
| müsse. Dessen Durchsetzung wäre nach punktuellen Erfolgen für die Bewegung | |
| ein „erster stadtweiter Durchbruch“. | |
| ## Es geht an die Rendite | |
| Auch im Bündnis Zwangsräumung verhindern will man diesen Mietendeckel | |
| verteidigen. Sprecher Malte Schmieder spricht vom „weitgehendsten | |
| Markteingriff in der Geschichte der BRD“. Weil es nun ernsthaft um die | |
| Rendite gehe, werde es „dirty“. | |
| Was das heißt, war schon zu lesen. „Die Linken zünden Berlin an“, schrieb | |
| die Berliner Morgenpost über die Mietendeckel-Vorschläge. Dort und im | |
| Tagesspiegel wurde am Montag über den Einfluss der radikalen Linken auf die | |
| Senatorin gemutmaßt. Die Politik erinnere an die Streitschrift „Das Rote | |
| Berlin“, die das postautonome Bündnis Interventionistische Linke (IL) | |
| vergangenes Jahr herausgegeben hatte; Mietenexperte Andrej Holm sei das | |
| Bindeglied. | |
| IL-Sprecher Stefan Alt sagte auf Anfrage, sie würden sich freuen, wenn sie | |
| so viel Einfluss hätten. Tatsächlich aber spreche weder Lompscher mit ihnen | |
| noch gäbe es Verbindungen zu Holm. „Wir wollen mehr, als R2G jemals | |
| umsetzen wird“, so Alt und nennt die Demokratisierung des Wohnungssektors | |
| und die „Abschaffung des privaten Wohnungsmarktes“ als Ziel. | |
| „Die Investoren werden nach jeder Lücke suchen, gegen alles klagen“, ist | |
| Alt überzeugt, daher sei deren Vergesellschaftung unausweichlich. Das sieht | |
| Taheri ebenso, der sich am Montag über weitere Kursverluste für die Aktie | |
| der Deutsche Wohnen, die demonstrativ Mieterhöhungen verschickte, freute. | |
| Notwendige Entschädigungszahlungen an die Unternehmen bei einer | |
| [5][Enteignung] sinken damit weiter. | |
| 26 Aug 2019 | |
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| Erik Peter | |
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