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# taz.de -- Enteignung von Wohnungskonzernen: Es darf enteignet werden
> Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes fällt eindeutig aus: Die
> Forderung von „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ ist zulässig.
Bild: Kann man der Deutschen Wohnen schön vor die Nase halten
Berlin taz | Kann es wirklich rechtens sein, die Bestände der großen
privaten Wohnungskonzerne Berlins zu enteignen? Die Immobilienbranche und
die Oppositionsparteien im Abgeordnetenhaus waren sich in ihrem Urteil
bislang einig: Nicht verfassungskonform, hieß es einstimmig. Doch damit
haben sie sich wohl getäuscht. Der Wissenschaftliche Dienst des
Abgeordnetenhauses kommt in einem Gutachten zum gegenteiligen Ergebnis: Das
Begehren der Initiative [1][„Deutsche Wohnen und Co enteignen“] ist
rechtlich möglich.
„Eine Vergesellschaftung des Wohnungsbestandes von Immobilienunternehmen in
Berlin mit mindestens 3.000 Wohnungen wäre auf der Grundlage von Art.15 GG
möglich“, schreiben die von Parlamentspräsident Wolfgang Wieland
beauftragten Gutachter in einem 38 Seiten langen Papier. Der Artikel 15 des
Grundgesetzes sieht vor, dass unter anderem „Grund und Boden“ gegen
Entschädigung in Gemeineigentum überführt werden kann – darunter fallen, so
das Prüfergebnis, auch die „Bestandteile und Zubehör“ der Grundstücke, a…
Wohnungen.
Zwar sei der Artikel 15 in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie zur
Anwendung gekommen, dennoch ist der Paragraf „geltendes Recht“. Dass es in
der Berliner Verfassung keine entsprechende Norm gibt, steht der
„Zuständigkeit des Landes Berlin zum Erlass eines entsprechenden Gesetzes“
nicht im Wege. Laut den Gutachtern kann trotz gewisser Bedenken die
Verhältnismäßigkeit eines „Vergesellschaftungsgesetzes bejaht werden“.
Ausschlaggebend hierfür sei das „weite politische Ermessen des Parlaments“.
Ebenso auf Zustimmung stößt die Zielstellung des Volksbegehrens,
ausschließlich private Gesellschaften zu verstaatlichen. „Es erscheint
sachlich gerechtfertigt, öffentliche und genossenschaftlich organisierte
Wohnungsunternehmen von einer Sozialisierung auszunehmen, da die Annahme
nicht willkürlich erscheint, dass bei ihnen der Schutz der Mieter vor
überhöhten Mieten eher gewährleistet ist als bei privaten, auf
Gewinnerzielung ausgerichteten Unternehmen.“
## Eindeutiges Urteil
Der Sprecher von Deutsche Wohnen und Co. enteignen, Rouzbeh Taheri, spricht
auf Anfrage der taz von einer „positiven Überraschung über die
Eindeutigkeit des Urteils“. Momentan befinde sich der Vorschlag, für den
die Initiative bereits 77.000 Unterschriften, davon etwa 60.000 gültige,
gesammelt hatte, in der Prüfung der Innenverwaltung. „Spätestens mit diesem
Gutachten dürfte es für den Innensenator keinen Grund mehr geben, die
Überprüfung in die Länge zu ziehen“, so Taheri. Er erwarte einen „positi…
Bescheid in den nächsten Wochen.“
Die Prüfung hatte Anfang Juli begonnen, eine Frist gibt es aber nicht. Bei
anderen Volksbegehren dauerte eine Prüfung schon mal ein ganzes Jahr. Das
Enteignungsbegehren ist aber deutlich weniger komplex. Es formuliert
nämlich kein konkretes Gesetz, sondern fordert den Senat auf, ein
entsprechendes Gesetz zu erlassen. Der Landesvorstand der Linken hatte
bereits vor zwei Wochen gefordert, es dürfe bei der Prüfung „keine
Verzögerung“ geben.
Einen kleinen Dämpfer für die Initiative enthält das Gutachten dennoch. So
sei eine Vergesellschaftung mit einer Entschädigung „deutlich unter dem
Verkehrswert“ nicht angemessen. Die Initiative sprach bislang von einem
Entschädigungswert von 7,3 bis 13,7 Milliarden Euro, eine interne
Kostenschätzung des Senats von 28,6 bis 36 Milliarden Euro. Finanzsenator
Matthias Kollatz (SPD) hatte zuletzt selbst von 20 Milliarden Euro
gesprochen. Für Taheri ist die Summe ein „politischer Aushandlungsprozess“.
Die Mieterbewegung der Stadt hat sich unterdessen darauf verständigt, in
der [2][aktuellen Debatte um gesetzliche Regulierungen] der Mieten selbst
aktiv zu werden. Am 3. Oktober wollen die Initiativen, die im Bündnis
Mietenwahnsinn Berlin zusammengeschlossen sind, erneut auf die Straßen
gehen. „Richtig deckeln, dann enteignen. Rote Karte für die Spekulation“,
soll das Motto lauten. Darüber haben sich bei einem Bündnistreffen am
Diestagabend mehr als 70 VertreterInnen verschiedener Initiativen geeinigt.
4 Sep 2019
## LINKS
[1] /Deutsche-Wohnen-und-Co-enteignen/!t5562213
[2] /Mietendeckel-in-Berlin/!5619375
## AUTOREN
Erik Peter
## TAGS
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Mietendeckel
Deutsche Wohnen & Co enteignen
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Die Linke Berlin
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Katrin Lompscher
Schwerpunkt Gentrifizierung in Berlin
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Immobilienbranche
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