| # taz.de -- Ökolobbyist über politische Strategien: „Wir müssen uns einmis… | |
| > Der Landwirtschaftsminister will den Ökolandbau zwar fördern, legt aber | |
| > keinen Zeitpunkt fest. Die Biobauern sollten sich besser organisieren, | |
| > sagt Lobbyist Jan Plagge. | |
| Bild: Vor der Kamera funktioniert's, dahinter macht die Politik zu wenig für g… | |
| taz: Herr Plagge, Sie sind einer der wichtigsten Lobbyisten der Ökobauern. | |
| Sie sagen: „Es reicht nicht mehr, wenn wir uns nur mit Agrarpolitik | |
| beschäftigen.“ Dabei gibt es doch noch viel zu tun, etwa gegen zu viel | |
| Chemie auf dem Acker? | |
| Jan Plagge: Das Gift ist zu billig. In den letzten 20 Jahren ist der | |
| Verkauf von Pestiziden wie Glyphosat allein in Deutschland um etwa 40 | |
| Prozent gestiegen. Mit einer Pestizidabgabe ließe sich der Trend ändern. | |
| Die ist aber zuallererst eine Entscheidung des Finanzministers. Wie hoch | |
| muss die Abgabe sein? Wohin fließen die Einnahmen, etwa in die Züchtung von | |
| robusten Ökopflanzen? Wir müssen uns daher auch in Finanz- und | |
| Wirtschaftspolitik einmischen. | |
| Wie soll das gehen? Sie haben nicht einmal genug Kraft, um | |
| Bundesagrarminister Christian Schmidt zu überzeugen. Er hat auf der | |
| Biofach-Messe seine „Zukunftsstrategie Ökolandbau“ vorgestellt … | |
| … nach der 20 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland | |
| ökologisch bewirtschaftet werden sollten. Derzeit sind es 10 Prozent. | |
| Ja, aber Schmidt nennt keinen Zeitpunkt, bis wann er das Ziel erreichen | |
| will. | |
| Klar wollten wir einen Zeitpunkt. Aber immerhin hat sich Schmidt auf der | |
| Biofach festgelegt, dass es um zehn Jahre geht. Außerdem steht in der | |
| Strategie, dass die Ökoforschung mit mehr Geld gefördert wird. Das ist | |
| wirklich ein Fortschritt. | |
| Wie muss sich eine Lobby aufstellen, damit sie in der Regierung Gehör | |
| findet? | |
| Sie brauchen viele Unterstützer, eine breite Legitimation, sonst sind sie | |
| für die Politiker uninteressant, die Mehrheiten brauchen. | |
| Muss man klug reden, viel lächeln, sich auf jeder Hauptstadtparty tummeln? | |
| Natürlich geht viel über den Aufbau von Beziehungen, aber das | |
| Allerwichtigste ist ein breites Netzwerk, das fachkundig ist und immer | |
| wieder präsent. | |
| Sind Sie neidisch auf den mächtigen Deutschen Bauernverband? | |
| Allerdings, seine Vertreter sitzen in allen wichtigen politischen Gremien, | |
| von der kommunalen Ebene bis hoch zur europäischen, in denen über die | |
| Zukunft der Landwirtschaft entschieden wird. Er schafft es knapp 6 | |
| Milliarden Euro jährliche Subventionen an die deutschen Bauern zu | |
| verteidigen, ohne dafür einen substanziellen Mehrwert für die Umwelt zu | |
| schaffen oder bäuerliche Existenzen zu sichern. | |
| Wie oft haben Sie einen Termin beim Agrarminister? | |
| Regulär einmal im Jahr. Der Bauernverband hat sicher mehr. Und ich habe | |
| auch nicht Schmidts Handynummer. | |
| Wie viel Geld geben Sie für die Lobbyarbeit aus? | |
| Die deutsche Biobranche macht im Jahr 9,5 Milliarden Euro Umsatz, ihr | |
| Dachverband, der BÖLW, bekommt davon ungefähr eine halbe Million Euro, das | |
| ist wenig für Lobbyarbeit. | |
| Zu wenig? | |
| Einige Biounternehmer sind einfach zu klein, um etwas zahlen zu können. | |
| Andere lehnen es ab, sich politisch zu organisieren. Sie meinen, wir tun | |
| sowieso das Richtige, das muss doch jeder verstehen, da brauche ich keine | |
| extra Lobby. Das ist ein Irrtum. Wie sollen sich eine Regierung und die | |
| Beamten, die eine Entscheidung vorbereiten, ein Bild machen, wenn sie nicht | |
| mit Praktikern sprechen und die sich nicht organisieren? | |
| Was fordern Sie genau? | |
| Der Staat ist Deutschlands größter Kunde. Aber wenn Ministerien oder | |
| Behörden für ihre Kantinen, ihre Büros, ihre Fuhrparke einkaufen, wird | |
| selten an Bio gedacht, auch nicht an Regionalität, sondern an den | |
| billigsten Preis. Er ist kein Vorbild für unsere Idee, dass jeder | |
| Unternehmer sich daran messen soll, ob er dem Gemeinwohl einen Mehrwert | |
| bietet. | |
| So selbstlos? | |
| Das ist nicht selbstlos. Das ist egoistisch. Schaue ich nur auf meinen | |
| Profit und vernichte dabei ökologische und soziale Stabilität, kann ich | |
| mein Unternehmen nicht mehr entwickeln, weil die Gesellschaft | |
| zusammenbrechen wird. | |
| Seit diesem Jahr gelten neue Regeln, wie Unternehmen über ökologisches und | |
| soziales Engagement berichten müssen – hilft das? | |
| Das betrifft bislang nur wenige große Unternehmen. Das bringt erst etwas, | |
| wenn fast alle mitmachen müssen und die Besten nicht nur einen Imagegewinn | |
| haben, sondern auch einen Steuervorteil. | |
| Sie fürchten mehr Bürokratie nicht? | |
| Nein, bisher sind wir davon ausgegangen, dass der freie Markt alles regelt. | |
| Jetzt zeigt sich aber, dass er mit Blick auf die öffentlichen Güter wie | |
| Wasser, Boden, Luft, Klima gar nichts regelt. Wir müssen ein System | |
| entwickeln, in dem die Übernahme von Verantwortung für die Gemeinschaft | |
| anerkannt wird. | |
| Haben Sie schon mit dem Finanzminister oder dem Wirtschaftsminister und | |
| seiner Nachfolgerin gesprochen? | |
| Leider nicht. | |
| 21 Feb 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Hanna Gersmann | |
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