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# taz.de -- Überdüngung: Naturschützer wollen strengere Regeln
> Niedersachsen und die Nordsee werden zunehmend mit Stickstoffen und
> Phosphaten aus der Landwirtschaft überdüngt. Die EU verklagt deshalb
> Deutschland.
Bild: 80.000 Tonnen Stickstoff zu viel Jahr für Jahr im Boden: Landleben in Ni…
HAMBURG taz | Niedersachsen wird überdüngt, und die Nordsee auch. Der
Hauptgrund dafür sei „die industrielle Landwirtschaft mit ihrer
Intensivtierhaltung“, kritisiert Carl-Wilhelm Bodenstein-Dresler,
Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in
Niedersachsen. „Bereits jetzt ist das Grundwasser vielerorts mit Nitrat
belastet, Gewässer sind in schlechtem ökologischen Zustand.“ Die
Konzentration der Tierhaltung auf immer weniger und immer größere Betriebe
führe dazu, dass diese Höfe nicht genug Fläche für ihre Gülle hätten: „…
Folge ist die Überdüngung von Böden und Wasser“, so Bodenstein-Dresler.
Das Problem ist bekannt, Lösungen aber sind nicht in Sicht. Auch während
der gerade zu Ende gegangenen winterlichen Sperrfrist für das Ausbringen
von Gülle auf Grünland haben viele Betriebe munter gedüngt. Geahndet werden
solche Verstöße in Deutschlands größten Agrarland Niedersachsen nicht.
Nach dem Nährstoffbericht des Landes wurden 2014 und 2015 aus Dünger
jeweils rund 80.000 Tonnen Stickstoff zu viel in die Böden eingebracht,
dazu mindestens 30.000 Tonnen Phosphor. „Dieses entspricht einem Geldwert
von mehr als 100 Millionen Euro“, heißt es im Nährstoffbericht 2014/2015.
„Durch den Abbau dieser Nährstoffüberschüsse besteht sowohl
betriebswirtschaftlich wie auch volkswirtschaftlich ein beeindruckendes
Einsparpotenzial.“
In der Konsequenz ist das Grundwasser in Niedersachsen stark belastet. 44
von 90 Grundwassersystemen seien in einem schlechten chemischen Zustand,
antwortete vor einen halben Jahr die Bundesregierung auf eine schriftliche
Anfrage des niedersächsischen Bundestagsabgeordneten Peter Meiwald (Grüne).
Auch fast alle Flüsse und Seen sind in einem mäßigen (27 Prozent),
unbefriedigenden (44 Prozent) oder schlechten (24 Prozent) Zustand.
Lediglich zwei Prozent weisen einen ökologisch guten Zustand auf.
Hauptursache seien „Belastungen durch Nitrat aus der Landwirtschaft“, so
die Bundesregierung.
Fast alle Gewässer in Niedersachsen sind durch Stickstoffeinträge aus der
Landwirtschaft mit Nitraten und Phosphaten belastet, in einigen Regionen
kommen erhöhte Konzentrationen an Pflanzenschutzmitteln hinzu, vor allem in
Flüssen aus dem Harz finden sich zudem immer noch große Mengen an
Schwermetallen wie Blei, Cadmium und Quecksilber aus dem ehemaligen
Bergbau. Deshalb sind vor allem die drei großen Flüsse Elbe, Weser und Ems
sowie ihre Mündungsgebiete im Wattenmeer der Nordsee hoch belastet: Seit
2008 ist nirgendwo der ökologische Zustand besser geworden, bestenfalls
blieb er gleich schlecht (siehe Kasten).
Wegen fortgesetzter Überdüngung und Verunreinigung des Grundwassers hat die
Europäische Kommission Ende Oktober vorigen Jahres Deutschland vor dem
Europäischen Gerichtshof in Luxemburg verklagt. Rund ein Drittel der Fläche
der Bundesrepublik ist davon betroffen, in Schleswig-Holstein aber sogar
die Hälfte und in Niedersachsen mehr als 60 Prozent.
Deutschland hätte schon seit Jahren für strengere Maßnahmen gegen die
Verschmutzung sorgen müssen, argumentiert die Kommission: Die
EU-Nitratrichtlinie ist seit 1991 in Kraft. Umweltschützer und grüne
Politiker wie Schleswig-Holsteins Umwelt- und Agrarminister Robert Habeck
fordern deshalb seit Längerem von der Bundesregierung eine „Düngeverordnung
ohne Schlupflöcher“. Darauf aber kann sich die Große Koalition in Berlin
nicht einigen.
Ende Januar wurde die Abstimmung im Bundestag über eine Einigung zwischen
CSU-Agrarminister Christian Schmidt und SPD-Umweltministerin Barbara
Hendricks kurzfristig wieder von der Tagesordnung gestrichen: Die für Höfe
vorgesehene „Stoffstrombilanz“, die wirksame Kontrollen des
Düngemitteleinsatzes ermöglicht hätte, wurde vom Bauernflügel der Union
verhindert: Bis zur Bundestagswahl im September wird weiter ungehemmt auf
Gewässerschutz geschissen.
12 Feb 2017
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
## TAGS
Landwirtschaft
Gülle
Umweltaktivisten
Schwerpunkt Landtagswahlen
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Ökologie
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