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# taz.de -- Umweltsünden in der Landwirtschaft: Anzeige per App
> Hans-Jürgen Schnellrieder (Grüne) hat eine App entwickelt, mit der sich
> Verstöße gegen Umweltauflagen anonym melden lassen. Die Bauernverbände
> sind empört.
Bild: Wo geht's hin? Ein Landwirt trägt einen Kanister mit Glyphosat über sei…
HAMBURG taz | Missstände in der Landwirtschaft gibt es viele: Ein Bauer
fährt Gülle aus, obwohl der Acker gefroren ist; er setzt Glyphosat ein, wo
er es nicht durfte; jemand entsorgt irgendwo illegal Müll. Hans-Jürgen
Schnellrieder aus Fintel im Kreis Rotenburg an der Wümme hat für genau
diese Probleme eine App namens „Grüne Umwelt“ entwickelt. Damit können
Menschen auf mutmaßliche Verstöße in der Landwirtschaft hinweisen.
Bauern aber sind empört und fühlen sich denunziert, denn die App
funktioniert anonym. Jeder kann einen Verstoß melden. Dazu lädt der User
ein Foto hoch, per GPS wird der Ort hinzugefügt. Administrator
Schnellrieder prüft die Verstöße und leitet sie gegebenenfalls an die
Behörden, etwa die Landwirtschaftskammer Niedersachsen, weiter.
„Die Landwirte wissen sehr genau, dass sie keine Wegränder abspritzen, Mist
nicht unabgedeckt draußen lagern oder auch Gülle nicht ohne Einarbeitung
auf den Acker fahren dürfen“, sagt der 70-Jährige. „Es kümmert sie aber
vielfach nicht, weil sie bislang unentdeckt geblieben sind und auch wenig
zu befürchten hatten.“
Dieses ungestrafte Davonkommen gelte es zu beenden und Transparenz zu
schaffen. Der Unternehmensberater bezeichnet die App als einfache
Möglichkeit, auf Verstöße hinzuweisen. „Vergebens sucht man in den Portalen
der Naturschutzbehörde und der Landwirtschaftskammer Adressen, an die sich
Bürger wenden können.“
Er wolle aber auch mit den Landwirten in Dialog treten und über die
Missstände reden. Bauern aus Niederbayern bis Friesland hätten ihn
angerufen. Er unterhielt sich stundenlang mit ihnen. Schnellrieders Ziel
ist es, dass der Einsatz von Pestiziden und der Nitratüberschuss verringert
wird. Monokulturen soll nach seiner Überzeugung etwas entgegen gestellt
werden: Es sollten Lebensinseln für Pflanzen und Insekten entstehen.
Soweit die Theorie. Die App war im Februar zwei Wochen online, dann musste
Lokalpolitiker Schnellrieder seine Erfindung wieder abschalten. 3.000
Menschen in ganz Deutschland hatten die App heruntergeladen, er bekam über
500 Falschmeldungen. Die Leute luden Fotos von ihren Penissen oder von
ihrem Geschäft in der Kloschüssel hoch – mit dem Kommentar, dass das
Umweltverschmutzung sei. Sie beleidigten Schnellrieder und schimpften auf
die Grünen – die App trug die Sonnenblume der Partei Bündnis 90/Die Grünen
im Logo.
Schnellrieder konnte die Falschmeldungen abfangen. Allerdings bekam er auch
Kritik aus den eigenen Reihen. Stefan Körner, Landesvorsitzender der Grünen
in Niedersachsen, sieht ein Problem darin, dass die App den Eindruck
erweckt, von der Partei getragen zu werden. „Die App ist vom Initiator
vorschnell veröffentlicht worden, ohne dass unsere Gremien sich damit
befasst hätten“, sagt er.
Miriam Staudte, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im
niedersächsischen Landtag und Sprecherin für Landwirtschaft, sieht das
ähnlich. Immerhin aber zeige die App, „dass es Bedarf gibt, über die
Landwirtschaft zu sprechen“. Auch wüssten die Bürger oft nicht, an wen sie
sich bei den Behörden wenden könnten. Diese sollten Staudte zufolge die
Kontrollen verstärken.
Zuvor hatten sich schon Bauernverbände und der Landwirtschaft nahestehende
Internetportale auf Schnellrieder eingeschossen. „Man kann nur mit dem Kopf
schütteln, wie hier der grüne Lokalpolitiker aus Fintel agiert hat“,
schreibt etwa die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands.
Denunziantentum könne nicht die Basis unserer Gesellschaft sein, das habe
uns unsere Geschichte doch längst gelehrt, heißt es weiter. Das
Internetportal „Agrar heute“ spricht von einer „Petz-App“.
„Ja, ich habe einen Fehler gemacht“, sagt Schnellrieder. „Ich hätte das
Logo unserer Partei nur mit einem Beschluss verwenden sollen.“ Der
Entwickler verteidigt jedoch sein Konzept: „Die Kritik verstehe ich
insofern nicht, weil es darum geht, eine Öffentlichkeit für Verstöße zu
schaffen, die Natur und Mensch schädigen.“ Jeder habe ein Interesse an
giftfreier Luft, giftfreien Böden und Gewässern. Die Verursacher blieben
jedoch lieber im Verborgenen.
In zwei Monaten will Schnellrieder eine neue Version der App rausbringen –
in Absprache mit seiner Partei. In die neue Version will er die Adressen
der zuständigen Behörden einpflegen. „Das ist viel Arbeit, die Adressen
herauszufinden“, sagt er. Es gebe da ein Durcheinander an Zuständigkeiten.
Die Rückkehr der App könnte für den niedersächsischen Landesbauernverband
ein Grund sein, zu klagen. „Wir haben das schon an unsere Rechtsabteilung
gegeben“, sagt Jörn Ehlers vom Verband.
27 Mar 2018
## AUTOREN
Philipp Schulte
## TAGS
Umweltaktivisten
Landwirtschaft
Umweltschutz
Denunziation
Umweltvergiftung
Landwirtschaft
Tierschutz
Landwirtschaft
Düngemittel
Massentierhaltung
Umweltschutz
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