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# taz.de -- Pestizidverseuchung auf dem Biohof: Vom Winde vergiftet
> Drei Bauern gründen einen Biohof. Sie bestellen Beete, freuen sich auf
> die Ernte. Dann setzt auf dem Nachbarhof ein Großbauer Pestizide ein.
Bild: Der Wind kennt keine Grenzen bei angrenzenden Äckern
Marlin taz | Der Wind peitscht über Marlin, einem kleinen Dorf im Wendland.
Er rüttelt an der trockenen Erde eines kahlen Felds. Es gibt weder Bäume
noch Hecken, die ihn bremsen könnten. Böen wirbeln den Boden zu einer 20
Meter hohen, gelbweißen Staubwolke auf. Es ist Mittag, sie verdunkelt den
Himmel. Ein Video zeigt, wie sie auf dem Feld des Biohofs niedergeht.
„Es war eine richtige Weltuntergangsstimmung“, sagt Robert Hahn, der
Biobauer, dem der Acker gehört. Als der Sturm aufzog, rannte er raus, um
die Planen auf einem Teil seines Gemüseackers festzuzurren. Zuerst war er
fasziniert von dem Naturschauspiel und filmte mit seinem Handy die Wolke.
Er wusste nicht, dass dieser Tag im April seine berufliche Existenz
bedrohen wird. Er ahnte nicht, dass die Wolke Gift enthielt: ein Pestizid,
das der konventionell wirtschaftende Bauer von nebenan ein paar Tage zuvor
auf die Erde gespritzt hatte.
Das Gift hatte sich dort in der obersten Bodenschicht festgesetzt und
sollte Unkraut zerstören. Doch dann kam der Sturm und blies die Erde auf
Hahns Feld – wo nach den Regeln des ökologischen Landbaus solche
chemisch-synthetischen Pestizide nicht eingesetzt werden dürfen.
Erst eine Woche nach dem Sturm bemerkten Hahn und seine Kollegen, Judith
Taschenmacher und Roman Best, dass mit vielen ihrer Radieschen, Rettichen
und Rucolapflanzen etwas nicht stimmte: Sie bekamen erst gelbe, dann braune
Blätter, schließlich wurden sie welk und gingen ein.
„Ich habe mir erst eingeredet: Das sind Trockenheitssymptome. Aber die
Aufhellungen waren nur punktuell auf den Blättern, genau dort, wo der Staub
war“, sagt Hahn. Die Pflanzen hatten nicht zu wenig Wasser bekommen,
sondern zu viel Gift.
## „Abdrift“ heißt das Phänomen
Die drei Bauern mussten Hunderte Pflanzen auf den Kompost werfen, weil sie
zu stark geschädigt waren oder wahrscheinlich mehr Gift als zulässig
enthielten. „Drei Viertel der für den Mai gedachten Ernte ist
verlorengegangen“, sagt Hahn. Der Schaden wird wohl mehrere tausend Euro
betragen. Viel Geld für so einen kleinen Betrieb. „Es gibt ein Beet, das
jetzt gänzlich gelb ist. Das haben wir händisch geharkt. Wir haben die
Rillen gezogen, jedes Korn da reingelegt. Das tut einfach weh“, sagt der
Landwirt. „Für uns als überzeugte Biobauern ist das der Schock überhaupt�…
sagt Taschenmacher.
„Abdrift“ nennen Fachleute es, wenn Pestizide in Gewässer, Gärten oder auf
das Nachbarfeld geweht werden. Jedes Jahr würden in Deutschland Hunderte
Biobetriebe durch Pestizide von ihren konventionellen Nachbarn geschädigt,
schätzt der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Der BÖLW ist
der Dachverband der Ökobranche. Auch die Biokontrollstelle „Gesellschaft
für Ressourcenschutz“ rechnet mit dieser Größenordnung. Das Risiko durch
Abdrift dürfte viele Bauern davon abhalten, auf Bio umzustellen, befürchtet
der BÖLW. Denn fast alle Ökohöfe sind von herkömmlichen Betrieben umgeben.
Aber das Abdriftproblem gibt es nicht nur in der kleinen Bionische. Auch
konventionelle Betriebe werden immer wieder Opfer solcher Kontaminationen.
Zuweilen fliegt so viel Gift vom Nachbarn hinüber, dass ihre Lebensmittel
die Pestizidgrenzwerte überschreiten, die Behörden oder Supermarktketten
vorgeben. Wie viele Höfe davon betroffen sind, dazu veröffentlichen weder
Behörden noch Versicherer Statistiken.
An einem Freitagvormittag, vier Wochen nach dem Sturm in Marlin, sitzen
Hahn, Taschenmacher und Best in der Küche ihres Hofs. Robert Hahn ist ein
von der Feldarbeit braungebrannter 37-Jähriger mit Vollbart, Cargohose und
Sonnenbrille auf dem Basecap. Judith Taschenmacher, 32 Jahre, hat sich ihr
elfmonatiges Kind in einer Babytrage auf den Rücken geschnallt. Roman Best
ist fast zwei Meter groß und hat lange, nach hinten gebundene Haare. Der
34-Jährige hat wie die beiden anderen ökologische Agrarwissenschaften
studiert. Vor eineinhalb Jahren haben sie den kleinen Betrieb mit seinem
etwa zwei Fußballfelder großen Acker übernommen.
Die drei Existenzgründer stehen unter Druck. In ein paar Stunden werden
rund 60 Menschen auf ihrem Hof stehen, um zum ersten Mal Gemüse abzuholen.
Sie sind Mitglieder der „Solidarischen Landwirtschaft“, die die drei Bauern
gegründet haben. Das „Solawi-Prinzip“ ist einfach: Jedes Mitglied zahlt den
Landwirten einen festen Betrag im Monat, um die Produktionskosten zu
decken. Dafür erhält es einen Anteil der Ernte. Der Hof ist dadurch
unabhängig von schwankenden Marktpreisen, und die Verbraucher bekommen
Lebensmittel von Bauern aus der Region – nicht von anonymen Agrarfabriken.
Doch wegen der Pestizidwolke möchten die Bauern ihre Ernte nicht rausgeben.
Sie trauen sich noch nicht einmal, sie selbst zu essen. Das Gemüse könnte
zu viel Gift enthalten.
Die Mitglieder wissen noch nicht, dass sie heute mit leeren Händen nach
Hause gehen werden. „Wir wollen ihnen persönlich erklären, was passiert
ist“, sagt Taschenmacher, „damit sie unsere Not verstehen.“
Die drei wollen den Mitgliedern freistellen, ihren Beitrag von im Schnitt
80 Euro pro Person wie geplant zu zahlen oder bis zur nächsten Ernte zu
warten. Die Landwirte hoffen, dass alle schon jetzt überweisen. Denn die
laufenden Kosten zahlt die Hofgemeinschaft bisher vor allem mit ihrem
Ersparten. „Wir sind vollkommen abgebrannt“, sagt Taschenmacher. „Wir
brauchen die Beiträge, um weiterzumachen.“ Wenn die Mitglieder ablehnen,
dann könnte das Hofprojekt scheitern. „Das wird heute ein dramatischer
Nachmittag“, warnt Hahn.
## Die Gutachterin kostet – 1.500 Euro
Am Küchentisch der Bauern sitzt auch Annette Kleineke-Borchers. Sie ist
Gutachterin für Gartenbau. Die Landwirte haben sie beauftragt; die
Haftpflichtversicherung des Nachbarn hat nicht schnell genug einen Experten
geschickt, um die Beweise zu sichern. Das soll jetzt die Gutachterin
erledigen, aber das kostet 1.500 Euro, dazu kommen noch mehrere hundert
Euro für die Auswertung der Proben im Labor.
Kleineke-Borchers – Jahrgang 1953, dunkelblaue Cordhose, sehr akkurat
gebügeltes Hemd – kommt seit gut 30 Jahren immer dann zu ihren
Auftraggebern in der Landwirtschaft, wenn jemand einen Schaden angerichtet
hat. Regelmäßig geht es um Abdrift. Ihre Gutachten können vor Gericht als
Beweis dienen, weil sie von der Landwirtschaftskammer vereidigt ist.
Kleineke-Borchers Wort kann Schadenersatzprozesse entscheiden.
Die Rechtslage bei Pestizidabdrift ist klar: Der Verursacher muss den
Schaden ersetzen. Die Haftpflichtversicherungen, sagt Kleineke-Borchers,
würden aber bei Pestizidabdrift nicht mehr so leicht zahlen wie früher.
Einfach, weil die Fälle zunehmen. Das liegt vor allem am
Lebensmittelhandel: Supermarktketten wie Lidl verlangen von den Bauern
heutzutage mehr Laboranalysen von Pestizidrückständen in den
Nahrungsmitteln. So werden Probleme aufgedeckt, die früher niemand bemerkt
hätte. Deshalb schauen die Versicherer jetzt genauer hin und fordern mehr
Beweise.
Die drei Biobauern gucken immer ernster, als sie das hören.
Die Gutachterin rät ihnen davon ab, die Sache öffentlich zu machen. „Das
könnte kontraproduktiv für das Zusammenleben mit den Nachbarn im Dorf
sein“, sagt sie.
Genau deshalb gibt es kaum Berichte über konkrete Fälle von
Pestizidabdrift. Die Opfer fürchten, dass die Dorfgemeinschaft sie ächtet.
Aber die Marliner sind kämpferisch. Best hat früher eigenhändig Äcker
besetzt, auf denen Konzerne gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen
wollten. Hahn sagt: „Wir wollen, dass das nicht unter den Tisch gekehrt
wird wie bei vielen Sandstürmen, die derzeit in Deutschland passieren.“ Er
will, dass politischer Druck entsteht, damit Ökobauern besser vor
Pestizidabdrift geschützt werden.
Kleineke-Borchers packt ihren Metallkoffer, ihre Digitalkamera und eine
Rolle mit einem langen Maßband. Gemeinsam mit den Landwirten geht sie in
den Garten hinter dem Wohnhaus. Bereits nach wenigen Metern stoppt sie. Sie
fotografiert Kleegras und Brennnesseln. Ihre Blätter haben gelbe, manchmal
braune Flecken. Ein typisches Zeichen für Vergiftung durch ein
Unkrautvernichtungsmittel. „Das ist ja schon heftig hier“, sagt die
Gutachterin. Denn diese Pflanzen stehen immerhin 150 Meter vom Feld des
Nachbarn entfernt und sind dennoch erheblich verseucht.
Noch schlimmer ist es im Gewächshaus 50 Meter neben dem Nachbaracker. „Der
Staub ist durch alle Ritzen durchgekommen“, berichtet Hahn. Die Gutachterin
nimmt ein Mangoldblatt mit gelben Punkten in die Hand, guckt sich die
Unterseite an. Ihr Urteil: „Wenn Sie solche Symptome sehen, können Sie es
keinem mehr geben.“ Der Schaden sei „massiv“. So ist es auch beim
Blattstielgemüse, dem Asiasalat, dem Kohlrabi. Ähnlich ist das Bild auf
dem Acker der Hofgemeinschaft neben dem Gewächshaus.
## Die Kunden sind solidarisch
Um die Pestizidabdrift gerichtsfest zu beweisen, will Kleineke-Borchers
Proben des Bodens und der Pflanzen im Labor untersuchen lassen. Sie klappt
ihren Koffer auf, stülpt sich weiße Einmalhandschuhe aus Gummi über, damit
kein Stoff von ihren Händen die Proben verunreinigt. Sie schneidet jeweils
200 Gramm Blätter zum Beispiel von Wirsing-, Spitzkohl und Petersilie ab
und steckt sie in 3-Liter-Gefrierbeutel. In eine doppelt so große Tüte
schippt sie mit einer Handschaufel Ackererde, von zehn verschiedenen
Stellen pro Probe, damit sie möglichst repräsentativ ist. Schließlich misst
sie aus, wie viele Quadratmeter der einzelnen Beete betroffen sind.
Stundenlang untersucht Kleineke-Borchers den Acker; die Bauern müssen ihr
dabei helfen. Es ist Nachmittag geworden. Sie haben keine Zeit mehr fürs
Mittagessen. Die ersten Solawi-Mitglieder stehen schon auf dem Hof. Etwa 20
Leute setzen sich auf Bierbänke und ein paar Stühle im Kreis, die teils
unter dem Schleppdach eines alten Hofgebäudes stehen. Auf einem Tisch liegt
selbst gebackene Pizza, einige Mitglieder haben auch selbst gebackenes Brot
mitgebracht.
Hahn hat die Beine übereinandergeschlagen. Mit der einen Hand hält er die
andere fest. Er wirkt angespannt. „Wir können erst einmal kein Gemüse
liefern“, sagt er. Er erzählt den Solawi-Mitgliedern von der Wolke, den
Pestiziden, erklärt ihnen, was eine Abdrift ist, und sagt, dass gerade eine
Gutachterin da war, die den Schaden dokumentiert.
Die Runde ist still geworden. Die Vögel zwitschern, ein Kind wirft einen
Basketball in einen Korb auf dem Hof. Auf der Straße donnert ein schwerer
Traktor vorbei.
„Oh Mann, das ist ja wirklich …“, sagt Mareike Scharmer schließlich. Sie
trägt eine extravagante Brille mit einem dicken, sehr bunten
Kunststoffrahmen und eine türkisfarbene Hose, die mit Farbklecksen übersät
ist. Die 55-jährige Künstlerin ist Mitglied in der Solawi geworden, weil
sie näher dran sein möchte an der landwirtschaftlichen Produktion, weil sie
so „ein ganz anderes Verständnis entwickeln kann, wie viel Arbeit das ist
und was für Herzblut da drinsteckt“. Sie wollte unbedingt die jungen Leute
unterstützen, die den Mut hatten, hier einen Hof zu bewirtschaften. „Das
fand ich ganz großartig. Umso trauriger finde ich, was jetzt hier
passiert.“ Sie schüttelt den Kopf.
Dann stellen sie und andere Mitglieder Fragen: Ob auch das Gewächshaus von
der Verseuchung betroffen sei, ob das wieder passieren könne. Ob man das
Pestizid im Essen schmecke.
Ein Mann, der ganz in der Nähe wohnt, dankt der Hofgemeinschaft, dass sie
gegen die Pestizidbelastung der Nachbarschaft durch die konventionellen
Bauern vorgehen. „Wir haben das seit 20 Jahren hier.“
„Wenn es euch hilft, könnt ihr weiter von meinem Konto abbuchen“, sagt
einer. „Von meinem auch“, sagt Mareike Scharmer.
Genau für solche Fälle gebe es das Prinzip der Solidarischen
Landwirtschaft, sagt Oliver Kranik, der selbst Bauer in der Gegend ist. Die
Verbraucher lassen die Landwirte nicht allein mit dem Risiko. „Das ist
genau das, was uns ausmacht.“ Viele applaudieren. „Wir stehen hinter euch�…
ruft Scharmer.
Robert Hahn schießen die Tränen in die Augen: „Ich freue mich über jeden
von euch, der …“ – seine Stimme stockt – „… solidarisch ist“, erg…
Frau.
## Teil des Systems
Es sieht so aus, als ob die Gemeinschaft zusammenhält.
Doch Roman Best und die anderen wissen, dass ein Großteil der
Landwirtschaft anders funktioniert, dass Höfe wie ihrer kleine Ausnahmen
sind, die einer übermächtigen Industrie gegenüberstehen.
„Solange es in Deutschland nur 200 Solawi-Betriebe und nicht 2 Millionen
gibt, muss ich mich mit der konventionellen Landwirtschaft und ihren
zerstörerischen Auswirkungen auseinandersetzen“, sagt Best. Dieses System,
wie er die konventionelle Landwirtschaft nennt, werde von der
Chemieindustrie propagiert. „Da steckt richtig viel Kohle drin.“
Für Best ist auch der mutmaßlich für die Pestizidkontamination
verantwortliche Bauer ein Teil dieses Systems. Man kann nicht mal schnell
zu Fuß zu ihm rübergehen von Marlin aus. Denn der Landwirt wohnt ein paar
Kilometer entfernt in einem anderen Dorf. Er kann nicht in der Nähe von all
seinen Feldern sein. Schließlich bewirtschaftet er nicht wie die Marliner
nur 2, sondern gleich 200 Hektar.
Also anrufen. Seine Frau geht ans Telefon. Als sie ihn holt, hört man
Kindergebrabbel. Er habe einen Familienbetrieb mit zwei Mitarbeitern,
erzählt der Landwirt. Aber er kennt die Menschen nicht, die seine
Nahrungsmittel essen. Schließlich liefert er „an die Industrie“, wie er
sagt. Seine Petersilie zum Beispiel lande in Tütensuppen.
Er bestreitet nicht, dass das Pestizid zusammen mit der Erde von seinem
Acker auf das Feld der Marliner geflogen ist. Er weiß, dass das Labor
inzwischen das Gift Aclonifen sowohl in den Boden- als auch den
Pflanzenproben gefunden hat. Aclonifen ist der Wirkstoff seines
Unkrautvernichtungsmittels, „Bandur“ vom Hersteller Bayer.
In der Erde aus der Nähe seines Felds sind die Mengen größer als in weiter
entfernt gezogenen Proben. Das ist die für Abdrift typische Verteilung.
Auch deshalb ist es unwahrscheinlich, dass die Marliner selbst das Gift
gespritzt haben. Abgesehen davon, dass das aus ihrer Sicht sinnlos gewesen
wäre: Schließlich hat „Bandur“ ihre Ernte dezimiert, nicht vergrößert.
## Der Großbauer verteidigt sich
Er habe alles richtig gemacht, sagt der Landwirt. „Es ist kein
Anwendungsfehler“, beteuert er. Als er das Pestizid spritzte, sei das
Mittel nicht abgedriftet. Erst der außergewöhnlich starke Sturm habe den
Ackerboden herübergeweht. „Das war nicht vorhersehbar.“ Seiner Meinung
nach ist der Vorfall „höhere Gewalt“ – also nichts, wofür er etwas kann.
Die Böen hätten wahrscheinlich nicht so viel Boden mitgerissen, wenn er
beispielsweise von Kleegraswurzeln durchsetzt gewesen wäre. Mit so einer
„Zwischenfrucht“ sichern gerade Biobauern ihre Äcker gegen Erosion. „Von
der Sache her ist das richtig“, räumt der Landwirt ein. Aber auf der Fläche
seien erst im November Zuckerrüben gerodet worden. Und dann sei es zu spät,
um eine Zwischenfrucht zu säen.
Über die Verseuchung des Nachbarhofs sagt er: „Das ist eine Katastrophe für
alle Beteiligten.“ Aber er wirft der Hofgemeinschaft eine Mitschuld vor.
„Die anderen sind auch ein bisschen in der Sorgfaltspflicht. Wenn ihr
Gewächshaus nicht geschlossen ist bei so einem Sturmereignis, dann müssen
sie sich darum kümmern.“ Die Schäden, das bestätigt die Gutachterin, sind
jedoch auch außerhalb des Gewächshauses entstanden.
Ohne Pestizide könne er seine Petersilienfelder nicht bestellen, sagt der
Landwirt. Sie per Hand von Unkraut zu befreien, zum Beispiel mit
Erntehelfern, ist ihm bei einem Mindestlohn von 9 Euro und den niedrigen
Lebensmittelpreisen zu teuer.
Der Bauer kritisiert, dass die Marliner ihren Fall in die Presse bringen.
Er wolle nicht „in der Öffentlichkeit gebrandmarkt“ werden. „Das finde i…
nicht ganz fair.“ Die Marliner würden „Stimmungen machen“. Auf keinen Fa…
will er mit Namen in der Zeitung genannt werden.
Den Schaden hat er seiner Haftpflichtversicherung gemeldet, ob sie die
Summe übernimmt, ist noch unklar: „Ich weiß nicht, wie das weitergeht.“ D…
ist alles, was er dazu sagt.
## Gänsehautgefühl bei den Jungbauern
An dem Abend nach dem Krisentreffen der Solawi-Mitglieder in Marlin stehen
auf dem Biohof noch einige zusammen, sie trinken etwas und besprechen den
Tag. Endlich kann Robert Hahn auch etwas essen.
Sie haben sich geeinigt: Alle Mitglieder zahlen ihre Beiträge auch ohne
Ernte. Viele spenden der Hofgemeinschaft Geld.
Nicht auszudenken, wenn die Bauern nicht diese Gemeinschaft hätten, die sie
unterstützt. Auch mehr als einen Monat nach dem Sturm hat die Versicherung
über ihren Fall nicht entschieden und schon gar nicht gezahlt. Sie
überlegen jetzt, ob sie eine Hecke pflanzen als Barriere zum
konventionellen Nachbaracker. Viele Mitglieder wollen dabei helfen.
„Diese Solidarität rührt mich, ich kriege ein Gänsehautgefühl, weil ich
denke: Ja, das ist, weshalb ich mich seit so vielen Jahren mit Solawi
auseinandersetze. Weil ich die Chance habe, eine völlig neue Art von
Wirtschaft zu erfinden“, sagt Hahn. „Das ist genau das, wovon ich träume.�…
11 Jun 2018
## AUTOREN
Jost Maurin
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Landwirtschaft
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