# taz.de -- Niedersachsens Bauern bangen: Das Höfesterben geht weiter | |
> Niedersachsens Landwirtschaftskammer verspricht steigende Erträge, doch | |
> Agrarminister und Bauernverbände fürchten um die Existenz von Betrieben. | |
Bild: Großvieh macht doch Mist: Niedersachsens Landwirte verdienen besser als … | |
HANNOVER taz | Gerhard Schwetje, Präsident der Landwirtschaftskammer | |
Niedersachsen, setzt auf das Prinzip Hoffnung. Nach den Berechnung seiner | |
Ökonomen können Haupterwerbslandwirte in Deutschlands Agrarland Nummer eins | |
mit steigenden Erträgen rechnen: Um rund zehn Prozent dürften die Einkünfte | |
aller Betriebe im noch bis Anfang Juni laufenden Wirtschaftsjahr 2016/17 | |
steigen, glauben sie. 67.500 Euro könne der durchschnittliche Hof | |
erwirtschaften, teilt die Kammer mit – und zieht ein positives Fazit: „Nach | |
zwei wirtschaftlich schwierigen Jahren“ sehen die Landwirte „endlich wieder | |
Licht am Ende des Tunnels“. | |
Geradezu explosionsartige Ertragssteigerungen prophezeit die Kammer | |
ausgerechnet den gebeutelten Milchviehhaltern und Schweinemästern. Der | |
durchschnittliche Milcherzeuger könne mit einem Ertrag von 77.000 Euro vor | |
Investitionen, Steuern und Sozialabgaben rechnen – ein Plus von satten 48 | |
Prozent im Vergleich zu den vorherigen fünf Geschäftsjahren seit 2011. Auch | |
den Haltern von Mastschweinen wird eine 30-prozentige Steigerung ihres | |
Einkommens auf 67.000 Euro versprochen. | |
Bei Landwirten allerdings sorgen Schwetjes Zahlen für blanke Wut. Eine | |
„Dreistigkeit sondergleichen“ sei die Positivprognose, sagt nicht nur | |
Elisabeth Hartje vom Bundesverband deutscher Milchviehhalter. Von | |
„Durchhalteparolen“ spricht auch Ottmar Ilchmann von der | |
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL), zu der sich | |
traditionell wirtschaftende Betriebe zusammengeschlossen haben. „Die | |
wollen, dass wir nicht nachdenklich werden, sondern auf die Zukunft | |
hoffen“, sagt er. „Nicht umsonst fehlt jedes Wort des Bedauerns über die | |
ganzen Betriebe, die aufgeben mussten.“ | |
Denn nicht nur unter Milcherzeugern grassiert seit Jahren ein massives | |
Höfesterben. Gab es 2006 deutschlandweit noch rund 105.000 | |
Milchviehbetriebe, waren es 2016 nur noch 69.174 – davon 10.086 in | |
Niedersachsen. Bei den Schweinefleischproduzenten sieht es nicht viel | |
besser aus: Der Bauernverband Landvolk, der sonst einer rationellen, | |
großindustriellen Landwirtschaft das Wort redet, klagt etwa, dass in | |
Niedersachsen 2016 jeder zehnte Sauenhalter aufgegeben habe. | |
Der Grund dafür ist einfach: Die Erzeugerpreise sind einfach nicht | |
existenzsichernd. Von August bis November vergangenen Jahres zahlten die | |
Molkereien den Bauern nur noch 20 Cent pro Liter Milch – in die Gewinnzone | |
kommt ein traditionell wirtschaftender Hof mit durchschnittlich 86 Kühen | |
wie in Niedersachsen aber erst bei Preisen ab 40 Cent. „Pro Jahr und Kuh | |
haben unsere Betriebe zwischen 1.000 und 2.000 Euro Verlust gemacht“, sagt | |
Milchbäuerin Hartje. | |
Aktuell liegen die Preise bei 32 Cent pro Liter Milch. „Damit können wir | |
zwar das Futter bezahlen, verdienen selbst aber keinen Cent“, schildert | |
Hartje die Existenzkrise vieler Landwirte. „Nicht wenige Bauern können | |
mittlerweile Hartz IV beantragen“, glaubt auch der ABL-Vorsitzende | |
Ilchmann. Hoffnung sei kaum in Sicht: „Weil Mengenreduzierungen auslaufen | |
und vermehrt in der Krise eingelagertes Milchpulver auf den Markt kommt, | |
sinken die Preise schon wieder“, sagt Hartje. | |
„Gerade im Milchmarkt ist die Krise noch lange nicht vorbei“, fürchtet auch | |
Niedersachsens grüner Landwirtschaftsminister Christian Meyer. Zwar haben | |
EU und Bund allein in den vergangenen zwei Jahren eine Milliarde Euro zur | |
Stabilisierung des Milchmarkts ausgegeben. Allerdings habe der | |
exportorientierte Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) | |
dafür gesorgt, dass nur 150 Millionen an die Reduzierung der Milchmenge | |
gekoppelt wurden, kritisiert Meyer – der Rest sei ohne nachhaltige Wirkung | |
auf den Preis verpufft. | |
14 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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