| # taz.de -- Projekt „Faire Milch“: „Das Ding zwischen bio und billig“ | |
| > Nach Vorwürfen und Reibereien: Bei der Initiative gegen den massiven | |
| > Preisverfall bei Milch machen wieder mehr Bauernhöfe mit. | |
| Bild: Der Liter wird ein bisschen teurer, damit die Landwirte von ihrer Arbeit … | |
| Berlin taz | Fünf Jahre ist es her, dass viele Milchbauern nicht mehr | |
| zusehen wollten, wie sie immer nur draufzahlten. Immer neu überlegen | |
| mussten, ob sie die Kühe schlachten, Hof und Dorf verlassen sollten. Sie | |
| organisierten sich im Bundesverband Deutscher Milchviehhalter, kurz BDM, | |
| sie streikten, schütteten ihre Milch in den Gully. Irgendwie muss sich der | |
| Markt doch umkrempeln lassen, dachten sie. Das war der Anfang der | |
| sogenannten Fairen Milch, auf dem Logo eine schwarz-rot-goldene Kuh names | |
| Faironika. | |
| So erzählt es jedenfalls Michael Braun. Er hält im Bergischen Land in | |
| Nordrhein-Westfalen selbst Kühe und ist im Beirat des BDM. Die Idee der | |
| „fairen Milch“: Der BDM verkauft sie selbst, zusammen mit der | |
| Milchvermarktung Süddeutschland MVS. Der Liter wird ein bisschen teurer, | |
| damit die Landwirte von ihrer Arbeit leben können. 2010 kamen die | |
| Milchtüten mit der Aufschrift „40 Cent je Liter für unsere Milchbauern“ in | |
| die Supermärkte. | |
| Was dann folgte, war nicht immer einfach. Vorwürfe, Reibereien und ein | |
| Zerwürfnis. Aber Braun uns seine Kollegen haben nicht aufgegeben. Und die | |
| „faire Milch“ ist als Gegenmodell zur etablierten Preispolitik so wichtig | |
| wie nie. | |
| Denn die EU hat im April die Milchquote abgeschafft, mit der 30 Jahre lange | |
| die Produktionsmenge gedeckelt wurde. Seither dürfen die Bauern liefern, so | |
| viel sie können – und nun ist zu viel Milch da, und bei den Preisen kein | |
| Halten. | |
| ## Teure Ökomilch | |
| Die entscheidenden Agrarpolitiker hatten der Vorstellung angehangen, dass | |
| der Markt alles regeln werde. Doch in China brach die Nachfrage ein. | |
| Russland verhängte wegen der Ukraine-Krise Einfuhrverbote. Ähnlich wie in | |
| den achtziger Jahren der „Milchseen“ und „Butterberge“ zahlt die EU ber… | |
| Molkereien, die Milchpulver einlagern. Preise verfallen. | |
| Nur von der teureren Ökomilch lasse sich derzeit noch leben, sagt Braun. | |
| Aber ein Landwirt könne nicht von heute auf morgen umstellen, Ställe | |
| umbauen, die strengen Biovorgaben einhalten. Die „faire Milch“ sei darum | |
| als „Ding zwischen bio und billig“ gedacht. Bauern, die mitmachen wollen, | |
| bekommen keine Extravorgaben zur Tierhhaltung, auf Gentechnik oder | |
| Sojafutter aus Übersee müssen sie aber verzichten. | |
| Hört sich einfach an. Ist und war es aber nicht. Anfangs war es die | |
| Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, die gegen die „faire Milch“ vorging. | |
| Die Verbraucherschützer störten sich an Formulierungen wie: „aus Ihrer | |
| Region“ und „Die heimische Produktion spart unnötige Transportwege“. Die | |
| fairen-Milch-Leute strichen das. Denn tatsächlich kann in der | |
| Fairen-Milch-Tüte, die in Stuttgart im Regal steht, Milch von einem Hof aus | |
| Nordrhein-Westfalen stecken. Sie wird bundesweit nur in einer Molkerei | |
| abgefüllt. | |
| Dann zog die in Bad Homburg ansässige Wettbewerbszentrale vor Gericht. Sie | |
| argumentierte, die Bezeichnung „fair“ sei wettbewerbswidrig, und stellte | |
| das gesamte Modell infrage. Nur ein kleiner Teil der gelieferten Milch | |
| könne als „faire Milch“ verkauft werden. Das Oberlandesgericht München | |
| entschied dann aber: Die Bauern dürfen den Namen „faire Milch“ behalten. | |
| ## Neustart mit zwei Labeln | |
| Doch danach stellten Rewe und Tegut den Verkauf ein, die Bauern in NRW | |
| sprangen ab. Der BDM stritt sich mit dem Geschäftsfüher der MVS. Es habe | |
| „grundlegende Differenzen“ und einige „Prozesse“ gegeben – mehr sagt … | |
| nicht. Beide trennten sich – und fingen wieder von vorn an. Jeder für sich. | |
| Seither gibt es zwei Marken. | |
| Die MVS erfand ein neues Label – „Sternenfair-Milch“ – und gewann Rewe | |
| zurück. Die gibt es heute in Bayern, NordrheinWestfalen und | |
| Baden-Württemberg. Der BDM behielt die Marke „Faire Milch“, musste sich | |
| aber neue Partner suchen und fand sie in der DFM Vermarktungsgesellschaft | |
| aus Grefrath und bei Edeka. Sechs Monate dauerte es, bis Braun und seine | |
| Leute weitermachen konnten. Die „faire Milch“ gibt es in Baden Württenberg, | |
| Hessen, Niedersachsen, Nordbayern, Nordrhein- Westfalen, Thüringen, Sachsen | |
| und seit diesem Monat auch in Rheinland-Pfalz. | |
| Braun gibt sich zuversichtlich. Der Markt wächst „deutlich“, sagt er. Knapp | |
| 60 Bauern machten bei der Marke „faire Milch“ mit. Jeden Monat kämen welche | |
| hinzu. Sie wollen nach wie vor den Markt umkrempeln. | |
| 12 Nov 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Hanna Gersmann | |
| ## TAGS | |
| Landwirtschaft | |
| Milch | |
| Landwirtschaft | |
| Schwerpunkt Gentechnik | |
| Landwirtschaft | |
| Milchquote | |
| MIlchpreis | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Niedersachsens Bauern bangen: Das Höfesterben geht weiter | |
| Niedersachsens Landwirtschaftskammer verspricht steigende Erträge, doch | |
| Agrarminister und Bauernverbände fürchten um die Existenz von Betrieben. | |
| Testbiotech-Chef über Gen-Lachs: „Es wird nicht beim Lachs bleiben“ | |
| Christoh Then kritisiert die Entscheidung der US-Umweltbehörde, | |
| gentechnisch veränderten Lachs für den Verzehr zuzulassen. | |
| Bauernverband setzt auf Wettbewerb: Das Ende der Idylle | |
| Fallende Preise bedrohen Milchbauern nicht nur in Niedersachsen in ihrer | |
| Existenz. Manche Landwirte erwägen, auf Bioproduktion umzustellen. | |
| Kommentar Milchmarkt: Ohne Quote gibt es Tote | |
| Weidegang? Ach, das würde zuviel Zeit und, durch die lange Strecke, zuviel | |
| Energie verbrauchen. Die sollen die Kühe gefälligst in die Milch stecken. | |
| Wettkampf um Milchpreise: Bio zahlt sich aus | |
| Konventionelle Landwirte suchen ihr Glück auf dem Weltmarkt und leiden nun | |
| unter Dumpingpreisen. Anders als Ökobauern. |