| # taz.de -- Christian Meyer über Milchpolitik: „Der Bund setzt auf Höfester… | |
| > Wenn der Bund die Milchmenge weiterhin nicht steuert, machen norddeutsche | |
| > Bauern Milliardenverluste, warnt Niedersachsens Agrarminister Meyer. | |
| Bild: Zu viele Kühe: Niedersachsens Agrarminister Christian Meyer will die Mil… | |
| taz: Herr Meyer, kann denn nichts die Milchkrise stoppen? | |
| Christian Meyer: Darauf gibt es in der Marktwirtschaft eine klare Antwort: | |
| Wir haben eine Überkapazität. Also muss die Menge runter. Wenn das nicht | |
| freiwillig passiert, plädieren die Agrarminister der Länder für eine | |
| befristete Notreduzierung. | |
| Ohne staatliche Zuschüsse für die Milchbauern? | |
| Staatliche Zuschüsse müssen dazu führen, die Menge zu reduzieren und nicht | |
| die Krise durch Überkapazitäten für alle zu verschärfen. Die | |
| Agrarministerkonferenz hat deshalb gefordert, die künftigen Hilfsprogramme | |
| an eine Mengenreduktion zu koppeln. | |
| Wie soll das gehen? | |
| Die eine Möglichkeit ist, dass Landwirte, wenn sie eine Liquiditätshilfe | |
| bekommen, im Gegenzug mit der Milchmenge runter gehen müssen. Die andere | |
| wäre, dass Molkereien Milchlieferanten mehr zahlen, wenn sie ihre Menge | |
| gedrosselt haben, wie es das Unternehmen Friesland Campina Anfang des | |
| Jahres erfolgreich gemacht hat. Für solch eine Maßnahme sollte es eine | |
| staatliche Beihilfe geben. | |
| Aber war die Melkmenge vor dem Ende der Milchquote nicht sogar politisch | |
| stimuliert worden? | |
| Für mich kann ich das ausschließen. Ich habe mich dafür verhauen lassen, | |
| dass ich die riesigen Stallbau-Subventionen für Kuhställe abgeschafft habe, | |
| die zu einem rasanten Herdenwachstum geführt und die Krise verschärft | |
| hätten. Aber es gab viele Versprechungen, unter anderem vom | |
| Bundeslandwirtschaftsminister, dass mit dem Wegfall der Quote die | |
| Milchpreise enorm steigen würden. CDU und CSU haben die Milchbauern | |
| ermutigt, zu wachsen und ihnen rosige Aussichten versprochen. Christian | |
| Schmidt (CSU) hält daran auch fest: Gerade erst hat er im Bundestag eine | |
| EU-Studie zitiert, es würde sich 2025 ein Milchpreis von 37 Cent | |
| einstellen. Das ist eine Verhöhnung der notleidenden Milchbauern. | |
| Inwiefern? | |
| Molkereien in Niedersachsen kündigen bei weiter steigenden Mengen gerade | |
| eine Senkung der Milchpreise auf unter 19 Cent an. Alle Betriebe im | |
| konventionellen Bereich, egal ob groß oder klein, machen derzeit mit jeder | |
| Kuh, die sie melken, jährlich mehrere Tausend Euro Verlust. Das ist in | |
| einem Agrarland kein Zustand. Der Milchpreis muss wieder auf ein | |
| vernünftiges und faires Niveau steigen. Und das geht nur durch einen | |
| politischen Markteingriff. Alle anderen Konzepte, Exportsubventionen und | |
| das Ziel des Wachsens oder Weichens sind aus unserer Sicht gescheitert. | |
| Der Bundesagrarminister will aber nicht eingreifen. | |
| In Niedersachsen ist der Preissturz so enorm, dass wir von bis zu einer | |
| Milliarde Euro Einnahmeverlust der Milchbauern in diesem Jahr ausgehen | |
| müssen. Die Verantwortung sollten diejenigen übernehmen, die die Milchquote | |
| abgeschafft haben und auf den Weltmarkt setzen. Wenn man, wie es der | |
| Bundesagrarminister vorhat, nur zuschaut, dann ist man für ein | |
| gigantisches Höfesterben verantwortlich – und für den Verlust bäuerlicher | |
| Milchviehhaltung. | |
| Ist Schmidt falsch beraten? | |
| Nein, das ist Konzept. Der Bund lehnt Markteingriffe ab, weil diese den | |
| Strukturwandel verlangsamen und die Verbraucherpreise erhöhen würden. Dabei | |
| würden viele Verbraucher mehr zahlen, wenn sie wüssten, dass die Kuh auf | |
| der Weide steht. Das zeigt aus meiner Sicht: Der Bund setzt auf das | |
| Höfesterben. | |
| Die EU kauft doch schon Milchpulver. | |
| Ja, aber damit schafft man Fehlanreize: Die Menge, die jetzt rausgekauft | |
| wird aus dem Markt, wird ja in dem Moment, wo der Preis sich erholt, wieder | |
| auf den Markt gebracht – und erneut die Einkommen der Landwirte dämpfen. | |
| Oder die Überschüsse würden zulasten der Entwicklungsländer auf den | |
| Weltmärkten verramscht. Auch das kann niemand wollen. | |
| Der Weltmarkt wird oft als Ursache des Niedrigpreises angeführt: Muss man | |
| die Exportlust der Molkereien bremsen? | |
| Nach wie vor werden 90 Prozent unserer Milchmengen auf dem EU-Binnenmarkt | |
| abgesetzt – nur ein kleiner Teil wird aus der EU überhaupt ausgeführt. Wahr | |
| ist, dass diese kleine Menge, die man für derzeit 18 Cent pro Kilo absetzt, | |
| hier weiter auf den Preis drückt: Wer wieder Milchpreise von 40 Cent will, | |
| muss endlich wirksame Instrumente zur Mengensenkung einsetzen. | |
| Daran führt kein Weg vorbei? | |
| Billig und Masse produzieren für den Weltmarkt bedeutet, dass man mit | |
| anderen, die günstiger produzieren können, konkurriert. Oder: Wir | |
| entscheiden uns für hochwertige Qualitätsprodukte, die hohe Standards für | |
| die Verbraucher und im Tierschutz garantieren und angemessene Preise für | |
| die Erzeuger erzielen. Ich freue mich, dass sich niedersächsischen | |
| Molkereien zunehmend für Weidemilch oder Ökoprodukte entscheiden. | |
| Die Möglichkeiten als Landesregierung gegenzusteuern sind begrenzt… | |
| Was wir auf Landesebene machen können, machen wir. Aber wir setzen uns auch | |
| entschieden für europäische Lösungen ein. Denn ein europäischer Binnenmarkt | |
| braucht europäische Lösungen. Wir hier in Niedersachsen sind sehr dafür, | |
| die französischen Vorschläge zur Mengenreduktion aufzunehmen. Die | |
| Agrarminister der Länder machen parteiübergreifend mit. Blockierer ist die | |
| deutsche Bundesregierung und allen voran der Höfesterben-Minister Christian | |
| Schmidt. | |
| Gerade die Betriebe in Umstellung auf Bio haben aber jetzt höhere Kosten. | |
| Sollen die das schultern, bis Einigkeit auf EU-Ebene herrscht? | |
| Dafür haben wir die Prämie für die zweijährige Umstellungsphase deutlich | |
| erhöht und planen eine weitere Erhöhung. Damit wären wir in Deutschland | |
| Spitzenreiter bei den Bioprämien. Die Preise für Biomilch sind auch nicht | |
| gesunken, sondern auf über 50 Cent gestiegen. Hier haben wir auch kein | |
| Überangebot, denn nur 70 Prozent der Biomilch stammen aus heimischer | |
| Produktion. Da ist Luft nach oben. Daher freut es mich, dass endlich mit | |
| der Molkerei Ammerland eine große Molkerei eine Bioschiene aufbaut. Das | |
| fehlt uns in Niedersachsen bislang. | |
| Das Bundeskartellamt hält die besondere Verfasstheit des Milchmarktes für | |
| eine mögliche Mitursache der Krise. | |
| Ich begrüße, dass die Geschäftsbeziehungen im Molkerei-Sektor überprüft | |
| werden. Denn wir sehen in der Tat ein großes Ungleichgewicht am Markt | |
| zulasten der Bauern. Die liefern die Milch an ein Unternehmen unter den | |
| Bedingungen einer Verpflichtung zur Andienung. Das heißt, sie müssen sie | |
| dorthin liefern. Sie sind an die Molkerei durch langfristige Verträge | |
| gebunden. Ich halte diese Andienungspflicht für ein Relikt aus den | |
| 1950er-Jahren, als Milch Mangelware war und es darum ging, dass auch ja | |
| nichts verschwendet wird. Wir müssen insgesamt die Marktstellung der Bauern | |
| gegenüber dem Handel und den Molkereien verbessern. | |
| Die größte und mächtigste Molkerei sitzt in Niedersachsen. | |
| Die Vorgängerregierung hat immer große Molkereifusionen befürwortet, wie | |
| die von Nordmilch und Humana zum Deutschen Milch Kontor, das stimmt. Heute | |
| müssen wir feststellen, dass die größten Molkereien oft die mit den | |
| schlechtesten Auszahlungspreisen europaweit sind. Alle Molkereien zu einem | |
| Großkonzern zu fusionieren, wird den Milchbauern nichts nützen. Das Einzige | |
| was hilft, ist eine Anpassung des Angebots an die Nachfrage. | |
| 2 May 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Benno Schirrmeister | |
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