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# taz.de -- Kommentar Freihandelsabkommen Ceta: Rote Linie gegen den Wahnsinn
> Ceta ist Mist. Aber immerhin ein Mist, mit dem man zur Verteidigung von
> Grundprinzipien zur Not Washington bewerfen kann.
Bild: Ist Ceta das kleinere Übel?
Nächste Woche gibt es im Europaparlament einen Clash of Weltansichten: Die
Abgeordneten stimmen über Ceta ab, das Handelsabkommen zwischen der EU und
Kanada. Wahrscheinlich gibt es eine klare Mehrheit dafür. Um es
vorwegzunehmen: Ich halte das Ja für richtig, entgegen dem, was die taz
seit Jahren schreibt. Aber es ist ein Ja, das nach hinten losgehen kann.
Der Clash of Weltansichten sind Grundsatzfragen darüber, wie viel
Globalisierung die Welt braucht. Aus meiner linksökologischen Sicht haben
wir längst zu viel davon. Und Abkommen wie Ceta stärken ausgerechnet die
dunklen Seiten des globalen Mächtespiels. Die entfalten sich, wenn Konzerne
Einfluss gewinnen, ohne dass die Öffentlichkeit kapiert, wie. Das kann mit
Ceta passieren.
Falls Sie wirtschaftsliberal gesinnt sind, werden Sie jetzt denken: So ein
Humbug. Die Globalisierung hat doch Hunderte Millionen von Menschen, gerade
in Entwicklungsländern, aus der Armut befreit. Ja, Großkonzerne haben Dreck
am Stecken, aber nun mal die Transparente einrollen und nicht alle in einen
Topf werfen?
Für mich gehört Zweifel an den neoliberalen Heilsversprechen des
Freihandels zur Grundüberzeugung. Gegen Ceta und TTIP (das geplante
Freihandelsabkommen mit den USA, das unter Donald Trump ohnehin nicht
kommt) sind in Deutschland Hunderttausende auf die Straße gegangen. Ich
vermute, denen geht es ähnlich.
Von der Position aus enthält das Ceta-Abkommen Passagen, die absolut
gruselig sind. Das berühmteste Beispiel sind die Schiedsgerichte. Sie sind
eine übliche Einrichtung in Freihandelsverträgen: Fühlt sich ein
ausländisches Unternehmen von einem Staat, in dem es investiert, aus
welchen Gründen auch immer diskriminiert, kann es vor nationalen Gerichten
und auch noch vor geheim tagenden Schiedsgerichten gegen den Staat klagen.
Lästige Dinge wie ein Grundgesetz kann der Investor so umgehen.
## Kein Extrawurstgericht für Konzerne
Laut Ceta-Text soll sogar ein dauerhaftes Schiedsgericht eingerichtet
werden, immerhin mit öffentlichen Verfahren und echten Richtern. Das
verkauft die EU-Kommission als Fortschritt – dabei sind es lediglich
Selbstverständlichkeiten unabhängiger Justiz. Nach der Logik könnte
McDonald’s damit werben, keine überfahrenen Katzen zu verarbeiten. Der
Deutsche Richterbund lehnt das neue Schiedsverfahren ab, weil es ein
Extrawurstgericht für Konzerne auch noch dauerhaft legitimiert.
Ceta hat große Nachteile, die Frage ist aber, nach welchen Maßstäben man
diese bewertet: nach einem absoluten, ideellen oder nach einem relativ zum
Weltgeschehen. Ceta enthält ein komplettes Kapitel zur nachhaltigen
Entwicklung, eines zum Klimaschutz, es fordert die Einhaltung von
Arbeitsrechten und definiert eine Reihe von Bereichen der Daseinsvorsorge,
die nicht dem freien Handel unterworfen werden sollen. Eigentlich ist all
das viel zu wenig.
Aber Donald Trump hat die Maßstäbe verändert. Als Aufbruch in eine
ökologischere und sozialere Welt taugt Ceta nicht, als Mittel der Defensive
in einer Ära, in der die USA sämtliche Regeln des Welthandel verwerfen
könnten, schon. Die neue Regierung Trump glaubt, dass es keinen Klimawandel
gibt, und sieht jedweden Umwelt- und Artenschutz als Investitionshindernis.
Dagegen klingt Ceta wie eine gute Idee.
Die Position ist riskant, weil die Grundausrichtung von Ceta falsch ist,
dass Handel vor Mensch und Umwelt geht. Die guten Teile des Vertrags sind
unverbindlich; die Zivilgesellschaft darf böse Briefe schreiben, falls ihr
was nicht passt. Unternehmen bekommen ein eigenes Gericht. Das könnten auch
US-Unternehmen über ihre kanadischen Töchter ausnutzen.
Aber in welchem Ausmaß? Seriös beantworten kann das niemand. Der Gewinn von
Ceta könnte sein, dass Kanada und die EU einen Vertrag unterzeichnen, der
ein Netz gegen ungezügelten Wirtschaftsimperialismus bildet, einen
Mindeststandard gegen „America first“.
13 Feb 2017
## AUTOREN
Ingo Arzt
## TAGS
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Freihandel
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Protest
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Schwerpunkt USA unter Trump
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