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# taz.de -- Linksradikale über Militanz gegen OSZE- und G20-Gipfel: „Wut auf…
> Aktivisten des antiimperialistischen Spektrums in Hamburg finden den
> Anschlag auf die Messe legitim. Die wahren Verbrecher seien die
> Gipfelteilnehmer
Bild: „Alle Aktionsformen haben ihre Berechtigung“, sagen die Aktivisten de…
taz: Wie stehen Sie zu dem Anschlag auf die Messehallen?
Timo Schmidt: Das Wort Anschlag finde ich ein bisschen hochtrabend. Das ist
auch ein legitimer Widerstand. Es wird sicher auch nicht das letzte Mal
gewesen sein, dass es was Vergleichbares gibt.
Ernst Henning: Das ist medial sehr aufgebauscht worden. Da sind ein paar
Glasscheiben zu Bruch gegangen und ein bisschen Ruß ist da. Man versteht
die Leute, die Wut auf diesen Staat haben. Die, die zum OSZE oder zum G20
kommen, sind die wahren Verbrecher.
Was ist die Botschaft hinter der Aktion an der Messe?
Schmidt: Ein deutliches Zeichen des Nichtwillkommenseins. Normalerweise
finden solche Gipfel ja fernab der Stadt statt. Nun musste Hamburg sich die
Blöße geben, Olympia nicht bekommen zu haben – es wirkt wie eine
Retourkutsche.
Verstehen Sie die Gipfel als gezielte Provokation gegen die linke Szene?
Schmidt: Ich glaube schon, dass die Stadt das Nein zu Olympia nicht auf
sich sitzen lassen kann und zeigen will: Man kann solche Großevents mitten
in der Stadt austragen. Es dient auch einer weiteren Aufrüstung und
Militarisierung, gerade im Bereich von Großstädten, wo sich Widerstand von
links formiert.
Muss die Linke sich jetzt potent zeigen?
Schmidt: Ich denke nicht, dass man jetzt Machtspiele spielen muss. Wir
haben ja eine inhaltliche Kritik an dem Treffen. Wenn sich Widerstand aber
auf der Straße formiert, beinhaltet dies meistens auch Auseinandersetzungen
mit den Ordnungskräften, die den Status quo verteidigen. Aber wir würden
die Gipfel auch ablehnen, wenn sie statt in Hamburg auf Sylt wären. Dann
wären die Leute, die da hinkommen, immer noch Schweine, die für Ausbeutung,
Unterdrückung und das Elend dieser Welt verantwortlich sind.
Sie meinen als Stellvertreter?
Schmidt: Wir machen sie für die Kriege, mit denen sie die Welt überziehen,
verantwortlich. Wenn man sich Syrien anguckt, die Truppen und Milizen da:
Das sind alles Truppen, die größtenteils von den G20-Staaten ausgebildet,
trainiert und bewaffnet wurden.
Die Polizei sucht nach der Attacke auf die Messe die Verantwortlichen.
Innerhalb der linken Szene wird sie dem antiimperialistischen Spektrum
zugeschrieben, dem Sie angehören.
Henning: Das sind Mutmaßungen, daran möchten wir uns nicht beteiligen.
Aktionen wie diese polarisieren auch innerhalb der Linken – viele lehnen
diese Gewalt ab.
Schmidt: Für uns haben alle Aktionsformen ihre Berechtigung. Wir wollen und
können uns nicht von einer bestimmten Form des Widerstandes distanzieren,
denn wenn sich die Umstände ändern, können sich eben diese auch ändern.
Das, was da stattgefunden hat, ist eine Ebene, mit der wir leben können.
Wir können aber auch mit anderen Aktionsformen leben, die sich deutlich
weniger militant ausdrücken. Wenn sie in fundamentaler Opposition zu G20
stehen, haben sie alle eine Berechtigung.
Die Aktion wurde als Grund herangezogen, der Aktionskonferenz gegen G20 die
Räume zu kündigen. Ein Eigentor?
Schmidt: Nein. Sonst wäre ja jede Aktion, die Repression zur Folge hat, ein
Eigentor. Dann würde man nichts anderes als Eigentore produzieren, weil
jede Aktion Polizeiprügel und Razzien zur Folge hat. Wenn sie die Konferenz
an der HAW nicht wollen, finden sie auch einen anderen Grund, die
abzusagen.
Henning: Es zeigt sich, dass Proteste in dieser Stadt nicht willkommen
sind.
Welches Maß an Gewalt erfordert so ein Gipfel mitten in Hamburg Ihrer
Meinung nach?
Schmidt: Ich denke, es ist wichtig, Widerstand auf die Straße zu bringen,
der auch an den Ort will, wo das Treffen stattfindet. Wenn man von den
Sicherheitszonen hört, ist klar, dass man damit anecken wird. Wir werden
uns das aber nicht nehmen lassen. Was dafür erforderlich ist, wird sich
zeigen.
Henning: Das Ziel ist aber nicht nur, Protest zum Ausdruck zu bringen,
sondern auch, den Gipfel konkret zu behindern.
Wo ist die Grenze?
Henning: Wenn man sich gegen die Bevölkerung richtet.
Schmidt: Strafrechtsnormen und Grenzen des Staates sind für uns sekundär.
Die Maßnahmen der Polizei werden der viel größere Anschlag auf die
Lebensqualität der Betroffenen sein als ein paar brennende Autoreifen an
einem Samstag, wo in Hamburg eh die Löcher aus dem Käse fliegen.
Verspielt man sich mit Militanz nicht Sympathien?
Henning: Eine Aktion muss vermittelbar sein und für sich sprechen. Unsere
Inhalte werden meistens nicht transportiert über bürgerliche Medien, nur
skandalisiert. Wenn du eine Bank einschmeißt, weiß jeder, was das heißen
soll. Aber wenn du einen VW Polo anzündest, ist das vielleicht nicht
vermittelbar.
Ist das nicht eine verkürzte Kapitalismuskritik?
Henning: Widerstand ist immer konkret, abstrakt kann man nicht kämpfen.
Außerdem teilen wir diese Kritik nicht, denn wir sehen im Kapitalisten
nicht den Juden. Das sagt ja die Kritik, die damit im Endeffekt selber
antisemitisch ist. Wenn wir das Finanzkapital angreifen, meinen wir nicht
nur die Finanzwelt. Es gibt kein „raffendes“und „schaffendes“Kapital,
beides ist miteinander verschmolzen.
Bei Aktionen, wo Sachschäden entstehen, zahlt ohnehin die Versicherung. Es
ist also reiner Populismus.
Schmidt: Die Linke darf in Teilen populistisch sein. Sie muss sich nicht zu
jedem Thema mit einer Fünfseitenabhandlung melden.
Henning: Manchmal ist das zwar verkürzt, aber man erreicht mehr Leute. Die
radikale Linke spricht in einem wissenschaftlichen Vokabular, das die
einfache Bevölkerung nicht versteht. Aber unser Ziel ist es nicht, die
Asten der Unis zu erobern, sondern die Straßen, die Fabriken, die
Kindergärten, die Krankenhäuser, überall da, wo Menschen arbeiten, denen es
nicht gut geht.
Was macht die Szene falsch?
Timo: Man darf sich nicht in den Asten der Unis verstecken, oder in linken
Zentren. Man muss wegkommen von einer gewissen Arroganz. Zu sagen
„AfD-Wähler sind dumm“, ist Unsinn. Die Problematik darf nicht im
pseudo-intellektuellen Unterschichtsbashing seine Antwort finden.
Was ist beim OSZE-Gipfel zu erwarten?
Schmidt: Wichtig ist: Wir wählen unsere Aktionsformen selber. Wenn sich die
Polizei ihre großen Ausschreitungen schon herbeifantasiert und sich die
Knäste frei hält – wir müssen das nicht liefern. Wir wählen zu dem
Zeitpunkt selber die Aktion, die wir für geeignet, vermittelbar und
praktikabel halten.
2 Dec 2016
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
Lena Kaiser
## TAGS
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