# taz.de -- Militanz als Genderfrage: Die Waffen der Frauen | |
> Zum G20-Gipfel kommen die großen Macker der Weltpolitik nach Hamburg. Ein | |
> Problem mit männlicher Dominanz hat aber auch die linke Protestkultur. | |
Bild: Feuermachen ist Männersache. Oder nicht? | |
HAMBURG taz | In gut 120 Tagen ist es so weit: Die Big Men kommen. Wenn | |
Putin, Trump und Erdogan zum G20-Gipfel in Hamburg sind – und Massen von | |
GegendemonstrantInnen in die Stadt bringen, kommt die Zeit des großen | |
Mackergehabes. Die männliche Herrschaft der linken Szene ist da ein echter | |
Nebenschauplatz – und gemessen am Mackertum der Politik mit ihren | |
Regierungschefs (es sind nur selten Frauen) ist das Jammern auf hohem | |
Niveau. | |
Und doch sind die Bilder von Tausenden Vermummten auf der Straße, von | |
brennenden Mülltonnen, Wasserwerfern und entglasten Schaufensterscheiben | |
auch geprägt von männlicher Mackerei. | |
## Doch was ist daran so besonders? | |
Das Dominanzgehabe von Männern ist kein spezifisches Problem der linken | |
oder linksradikalen Szene, sondern ein gesamtgesellschaftliches. Mackeriges | |
Verhalten von Männern am Arbeitsplatz, im Supermarkt, im Schwimmbad oder im | |
Fernsehen sind Ausdruck der patriarchalen Gesellschaft. | |
Was die Linke bezüglich männlicher Mackerei auszeichnet, ist, dass sie das | |
Problem überhaupt erkennt, sich Strukturfragen stellt und bemüht ist, auch | |
eingefleischte Gepflogenheiten zu hinterfragen. | |
Frauen machen Kampfsport und übernehmen Türschichten in linken Läden. Sie | |
sorgen für die Technik bei Veranstaltungen und Demos, sind DJs, Rapperinnen | |
und Handwerkerinnen. Unerwünschten Komplimenten begegnen sie mit | |
Verachtung, wer ungefragt ihr Aussehen kommentiert, kann sich auf was | |
gefasst machen. | |
Männer geben sich Mühe, Schritt zu halten, indem sie zum Beispiel nichts | |
sagen, wenn sie daneben stehen, während eine Freundin dumm angemacht wird, | |
weil die Frau sich am besten selbst verteidigen kann. Es gibt feministische | |
Antifa-Gruppen und feministische Antifa-Kongresse. Es gibt Awareness-Teams, | |
die eine aktive Haltung gegen diskriminierendes Verhalten auf Partys | |
einfordern und durchsetzen. | |
## Der Revolutionär ist weiß | |
Manchmal gelingt es auf diese Art, die männliche Dominanz zu durchbrechen, | |
manchmal auch nicht. Häufig muss erst Kritik von feministischer Seite | |
kommen, damit Verantwortliche ihre Handlungen oder Worte noch mal | |
überdenken. Wenn es gut läuft, sind sie bereit, die Kritik anzunehmen, wie | |
kürzlich eine anarchistische Gruppe, die mit einem Plakat zu Chaostagen vor | |
dem Gipfel in Hamburg aufrufen wollte. | |
Darauf ist ein gezeichneter, halbnackter Mann zu sehen. Sein entblößter | |
Oberkörper ist lediglich von zwei Tattoos auf der Brust bedeckt: links ein | |
Anarchiezeichen, rechts ein Stern. Sein Gesicht vermummt eine Hasskappe, | |
nur die Augen sind frei. Seine Körperhaltung signalisiert Bereitschaft zum | |
Straßenkampf. Von feministischer Seite kam harsche Kritik. Ein weißer Mann, | |
noch dazu mit freiem Oberkörper, soll mal wieder die Revolution übernehmen? | |
Eine Fantasie direkt aus dem männlichen Kleinhirn. | |
Auch die Diskussion um entblößte Männeroberkörper ist nicht neu, sorgt aber | |
doch immer wieder für Kontroversen. Während Männer sich in vielen | |
Lebenslagen völlig unbeschwert das Shirt ausziehen können, ist Frauen dies | |
selten möglich. Sie überschreiten nicht nur eine rechtliche Grenze, wenn | |
sie ihre Brustwarzen entblößen, sondern vor allem ein gesellschaftliches | |
Tabu. Geschockte oder maßregelnde Blicke, Kommentare, Grapschen oder andere | |
Handgreiflichkeiten können schnell folgen. | |
## Tyrannei der Strukturlosigkeit? | |
Die anarchistische Gruppe entschuldigte sich für das Plakat mit dem | |
halbnackten Typen. „Die Reproduktion männlicher, weißer Dominanz ist, kann | |
und darf nicht Ausdruck unseres Denkens, Fühlens und Handelns sein. | |
Dementsprechend war es ein Fehler, diese abzubilden“, schrieb sie auf dem | |
linken Internetportal Indymedia. Sie versprach öffentlich, die Plakate aus | |
dem Verkehr zu ziehen und zu vernichten, und kündigte an, in der Gruppe zu | |
reflektieren, wie es zu dem Fauxpas kommen konnte. | |
Kommt hingegen derlei selbstkritische Reflexion zu kurz, laufen auch | |
politische Bewegungen Gefahr, in eine „Tyrannei der Strukturlosigkeit“ zu | |
münden, in denen sich informelle, schwer kontrollierbare Hierarchien | |
durchsetzen. So hat es einmal die US-amerikanische Feministin Jo Freeman | |
formuliert. | |
Denn eine der wichtigsten Lektionen des Feminismus ist es, in Bezug auf | |
soziale Praktiken nicht naiv zu sein. Denn jede Interaktion erfordert eine | |
Struktur und die Idee eines laissez faire „wird zu einem Nebelschleier, | |
hinter dem die Starken oder Glücklichen unbefragt ihre Vorherrschaft über | |
andere etablieren“, wie Freeman schrieb. Damit sich die Schwachen nicht von | |
den Starken unterbuttern lassen müssen, braucht es ein wirkliches Umdenken. | |
7 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
Lena Kaiser | |
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