| # taz.de -- Rot-rot-grüner Senat in Berlin: Habemus #R2G | |
| > SPD, Linke und Grüne einigen sich auf einen Koalitionsvertrag. Unter | |
| > Rot-Rot-Grün wird sich einiges ändern in der Berliner Politik. | |
| Bild: Autofrei und Spaß dabei – soll bald so sein | |
| Berlin taz | Noch heißt das Rote Rathaus nahe dem Alexanderplatz ganz | |
| offiziell Berliner Rathaus. Ein Gebot der Neutralität. Bald aber könnte der | |
| Amtssitz des Regierenden Bürgermeisters, in dem auch der Berliner Senat | |
| tagt, mit neuen Farben in Verbindung gebracht werden. Am Mittwoch haben | |
| SPD, Linke und Grüne ihr neues Regierungsbündnis vorgestellt. „Habemus | |
| #Koalitionsvertrag von #r2g“ [1][twitterte die Grünen-Fraktionschefin Antje | |
| Kapek] kurz nach der Einigung auf das Regierungsprogramm. | |
| Mit Michael Müller bleibt der alte Regierende Bürgermeister auch der neue. | |
| Sonst aber wird sich einiges ändern in der Berliner Politik. Denn ein | |
| „Weiter so“ soll es in Berlin mit Rot-Rot-Grün nicht geben. Stattdessen | |
| werden die Ärmel hochgekrempelt. „Wir haben Lust darauf“, sagte Müller am | |
| Dienstag. | |
| Wie überfällig ein solcher Politikwechsel ist, das haben die Berlinerinnen | |
| und Berliner in den vergangenen Jahren am eigenen Leib zu spüren bekommen. | |
| In den Schulen fielen Verkleidungen von der Decke, eher bekam man einen | |
| Fünfer im Lotto als einen Termin bei den Bürgerämtern, die Mieten steigen | |
| rasant, viele sind bereits in Außenbezirke wie Spandau oder Marzahn | |
| verdrängt worden. | |
| Weil SPD und CDU in den letzten fünf Jahren meistens gegeneinander | |
| regierten statt miteinander, war die Große Koalition in der Hauptstadt das | |
| mit Abstand unbeliebteste Regierungsbündnis der sechzehn deutschen | |
| Länderregierungen. | |
| ## 300 Seiten starker Koalitionsvertrag | |
| Die Spitzen von SPD, Linken und Grünen, Michael Müller, Klaus Lederer und | |
| Ramona Pop, wissen also, dass sie liefern müssen, und zwar schnell. Bei den | |
| Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am 18. September hatte die AfD aus dem | |
| Stand heraus 14,2 Prozent erzielt. Ein Warnschuss, den Rot-Rot-Grün | |
| offenbar gehört hat. | |
| Dabei hat der Erfolg der Rechtspopulisten das linke Dreierbündnis erst | |
| ermöglicht. Nicht nur mit den Erwartungen der 3,5 Millionen Berliner ist | |
| die neue Koalition deshalb konfrontiert, sondern auch mit seiner | |
| Strahlkraft für die Bundespolitik. Bereits im Wahlkampf hatte Michael | |
| Müller verraten, dass „Rot-Rot-Grün in Berlin ein Signal“ auch für den B… | |
| sein könnte. | |
| Entsprechend ambitioniert ist der beinahe 300 Seiten starke | |
| Koalitionsvertrag. „Dass wir es uns leicht gemacht hätten, kann nun | |
| wirklich niemand behaupten …“, gab der Linkenchef und designierte | |
| Kultursenator Klaus Lederer bekannt. So sollen allein die landeseigenen | |
| Wohnungsbaugesellschaften 6.000 Wohnungen im Jahr bauen – zusätzlich zu | |
| denen, die von privaten Investoren hochgezogen werden. | |
| Ganz vorn stehen auch der Neubau und die Sanierung von Schulen. Dafür soll | |
| eine Landesgesellschaft gegründet werden, die selbst Kredite aufnehmen | |
| kann. Mit solchen „Sonderfinanzierungen“ will der neue Senat den | |
| Landeshaushalt entlasten und dafür sorgen, dass sich baldmöglichst die | |
| Kräne drehen. In den 44 Bürgerämtern der Stadt soll es eine einheitliche | |
| Software geben, darüber hinaus soll es erstmals auch online möglich sein, | |
| den Ausweis zu verlängern. „2017 soll jeder innerhalb von 14 Tagen einen | |
| Termin bekommen“, verspricht Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD). | |
| ## Autofreie Zonen | |
| Vor allem im Verkehrsressort, dass nun erstmals an die Grünen geht, hat | |
| sich der Senat viel vorgenommen. Bis zu 50 Millionen Euro jährlich sollen | |
| in den Bau neuer Radwege und Radschnellwege fließen. Vor allem in der | |
| Innenstadt ist der Anteil des Radverkehrs dramatisch gewachsen. Nun müssen | |
| die Autofahrer Federn lassen. Symbolischer Ort der Abkehr von der | |
| autogerechten Stadt ist der Boulevard Unter den Linden. Er wird künftig vom | |
| geplanten Humboldt-Forum bis zum Brandenburger Tor autofrei sein. | |
| An ambitionierten Plänen fehlt es dem neuen Senat also nicht. Wohl aber an | |
| Erfahrung im tagtäglichen Umgang mit einer Dreierkoalition. Dass das | |
| übliche Koch-und-Kellner-Spielchen, das auch die Berliner SPD über Jahre | |
| hinweg pflegte, ein Ende haben müsse, haben Linke und Grüne von Anfang an | |
| betont. | |
| Zu Beginn der Verhandlungen vor sechs Wochen haben die Unterhändler im | |
| Roten Rathaus an drei Tischen Platz genommen, die zu einem Dreieck gefügt | |
| worden waren. Man wollte auf Augenhöhe miteinander verhandeln. Um Konflikte | |
| künftig frühzeitig erkennen zu können, soll der Koalitionsausschuss, sonst | |
| eigentlich ein Krisengremium, nun regelmäßig tagen. Da stand auch das | |
| Dreierbündnis in Thüringen Pate. | |
| ## Rot-Rot-Grün auf Bewährung | |
| Dennoch kam es im Verlauf der Verhandlungen immer wieder zu Konflikten. Die | |
| Grünen etwa befürchten, dass SPD und Linke, die schon von 2001 bis 2011 | |
| zusammen regiert haben, einen eigenen Block bilden. Die Linken wiederum | |
| finden es befremdlich, dass die Grünen jedes Detail in den | |
| Koalitionsvertrag aufnehmen wollten, offenbar aus Mangel an Vertrauen. | |
| Und dann ist da noch die heillos zerstrittene SPD. Bereits kurz nach der | |
| Wahl, bei der die Sozialdemokraten mit 21,6 Prozent ihr bisher | |
| schlechtestes Ergebnis einfuhren, hatte der mächtige Fraktionschef Raed | |
| Saleh die Muskeln spielen lassen und ausgerechnet Müllers Vorgänger Klaus | |
| Wowereit als volksnah gelobt – eine heftige Attacke gegen den Parteifreund | |
| Müller. | |
| Von Anfang an steht Rot-Rot-Grün also auf Bewährung. Bevor das Berliner | |
| Rathaus in neuen Farben strahlt, muss aber erst noch die Basis | |
| rot-rot-grünes Licht geben. Anfang Dezember sind Parteitage bei Grünen und | |
| der SPD anberaumt. Bei den Linken entscheiden die 7.500 Mitglieder per | |
| Befragung, ob sie dem neuen Senat und der Koalitionsvereinbarung zustimmen. | |
| Geht alles glatt, könnte Michael Müller am 8. Dezember gewählt werden. Aber | |
| nicht im rot-rot-grünen Rathaus, sondern im Berliner Abgeordnetenhaus. | |
| 16 Nov 2016 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://twitter.com/Antje_Kapek/status/798902961669804032 | |
| ## AUTOREN | |
| Uwe Rada | |
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