| # taz.de -- Rot-rot-grüne Kulturpolitik in Berlin: Kulturlinker und Opernfan | |
| > Mit Klaus Lederer (Die Linke) bekommt Berlin einen eigenständigen | |
| > Kultursenator. Gleich am Anfang muss er dicke Brocken aus dem Weg räumen. | |
| Bild: Herr über 140 Bühnen und 175 Museen: Klaus Lederer | |
| Berlin taz | Da sitzt er nun vor der Presse, der neue Berliner | |
| Kultursenator. Eine Krawatte hat er noch nie getragen, den Kapuzenpulli | |
| inzwischen aber gegen ein Jackett eingetauscht. Und er sagt einen Satz, wie | |
| er weder dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) noch der | |
| designierten Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) über die Lippen gehen | |
| würde: „Wir müssen die Stadt den Menschen zurückgeben.“ | |
| Klaus Lederer, der die Linke als Spitzenkandidat mit 15,6 Prozent noch vor | |
| den Grünen zu einem beachtlichen Ergebnis geführt hat, sagt dies ohne | |
| Pathos, aber mit Überzeugung. Gut möglich, dass er damit zum jungen, linken | |
| und prägenden Gesicht der rot-rot-grünen Koalition in Berlin wird. | |
| Allerdings muss der gebürtige Schweriner gleich zu Beginn seiner Amtszeit | |
| dicke Brocken abräumen. So ist um die Volksbühne ein Theaterkampf | |
| entbrannt, seitdem der Direktor der Londoner Tate Gallery of Modern Art, | |
| Chris Dercon, im April 2015 zum neuen Intendanten berufen worden war. In | |
| einem offenen Brief schrieben die Mitarbeiter des Theaters, Dercon wolle | |
| dem „neoliberalen Kunstbetrieb mit globaler Jetset-Attitüde Tür und Tor | |
| öffnen“. Kaum ein Theatermacher, der sich nicht mit Frank Castorf | |
| solidarisiert hätte, der die Volksbühne in den vergangenen 25 Jahren zum | |
| Kraftfeld des linken Kulturbetriebs der Hauptstadt gemacht hatte. | |
| Nur einen Tag, nach dem Rot-Rot-Grün in Berlin die sechs Wochen dauernden | |
| Koalitionsverhandlungen beendet hat, will Lederer den Volksbühnen-Deal noch | |
| einmal prüfen. Die Grünen stehen ihm bei und fordern einen runden Tisch. | |
| Gleich zu Beginn seiner Amtszeit wird sich also zeigen, ob Klaus Lederer | |
| einem Job gerecht werden kann, den der Kunstsammler Peter Raue als den | |
| „schönsten Job der Stadt“ sieht. Denn auch beim Staatsballett gibt es | |
| Knatsch. Die Nominierung der Choreografin Sasha Waltz als Kointendantin hat | |
| bei der Kompagnie für Proteste gesorgt. Modernes Tanztheater und Ballett: | |
| Das muss Lederer nun zusammenführen. | |
| ## Man traf sich im Torpedokäfer | |
| Dass der Linken-Politiker Kultursenator werden wollte, hatte der Opernfan | |
| schon lange durchblicken lassen. In seiner Partei gehört er eher zu den | |
| Kulturlinken als zu den Soziallinken, trinkt lieber Rotwein als Bier und | |
| fährt mit Vorliebe nach Italien in den Urlaub. Gern wirft sich der offen | |
| lebende Schwule, der mit seinem Freund seit 2009 verpartnert ist, in | |
| intellektuelle Debatten, ohne seine Lebensfreude zu verlieren. In einem | |
| taz-Interview bekannte er einmal, dass auch „ein guter Joint dazugehört“. | |
| Gut möglich, dass der Kultursenator Lederer der Berliner Politik jenen | |
| Glamour zurückbringt, den sie mit Klaus Wowereit verloren hat. | |
| Politisch sozialisiert wurde Lederer in den Monaten vor und nach der Wende, | |
| die er als einen „Segen“ bezeichnet hat, der ihm „neue Welten und neue | |
| Möglichkeiten“ eröffnet habe. Als 15-Jähriger hat er den Mauerfall erlebt, | |
| die Hausbesetzungen im Ostteil der Stadt, den Sommer der Anarchie. Als der | |
| vorbei war, trat er 1992 in die PDS ein, in Gregor Gysis bunte Truppe. | |
| Seine Basisorganisation fand er im Torpedokäfer, einer Kneipe in Prenzlauer | |
| Berg, in der sich Künstler und Literaten trafen, die sowohl dem realen | |
| Sozialismus als auch dem neuen Kapitalismus unversöhnlich gegenüberstanden. | |
| Doch ein Salonbolschewist zu werden, war Lederer nicht genug. Schnell | |
| machte er in die PDS Karriere, zog ins Berliner Abgeordnetenhaus ein und | |
| wurde 2005 mit 32 Jahren Berliner Linken-Chef. | |
| Nun also Berliner Kultursenator und damit Wächter über die größte | |
| Ressource, die das wachsende, aber immer noch arme Berlin besitzt: seine | |
| 140 Bühnen und 175 Museen, seine Kreativität, seine intellektuelle | |
| Strahlkraft. | |
| All das hatte Berlin in den vergangenen Jahren auch ohne einen eigenen | |
| Kultursenator entwickeln können. Klaus Wowereit und sein Nachfolger Michael | |
| Müller waren in Personalunion Regierender Bürgermeister und Kultursenator. | |
| Sie schafften es, den Kulturetat vor dem Rotstift zu bewahren. Dieses | |
| Kunststück muss Lederer erst noch fertigbringen. Und auch, seinem Anspruch | |
| gerecht zu bleiben, sich trotz Politik die innere Freiheit zu bewahren. | |
| Eines aber hat die Linke schon geschafft. In den Berliner Museen und | |
| Theatern soll es an bestimmten Tagen einen freien Eintritt geben. | |
| „Niedrigschwelliger Zugang zur Kultur“, heißt das im Wording der | |
| Linkspartei. Für Lederer ist es ein Beispiel dafür, wie die Stadt den | |
| Bewohnern zurückgegeben werden kann. | |
| 17 Nov 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Uwe Rada | |
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