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# taz.de -- Kudamm-Bühnen: Kompromiss im Keller
> Kultursenator, Investor und Theaterchef einigen sich nach jahrelangem
> Streit auf Abriss mit Neubau im Untergeschoss und deutlich mehr Geld aus
> der Landeskasse.
Bild: Opernfan, aber nun auch Boulevardtheater-Retter: Kultursenator Klaus Lede…
Boulevardtheater ist nicht jedermanns Sache, und es gibt durchaus Menschen,
denen es ziemlich egal wäre, wenn die Kudamm-Bühnen komplett verschwänden.
Wie sich am Dienstag gezeigt hat, gehört der neue Kultursenator Klaus
Lederer von der Linkspartei nicht dazu. Der Operngänger und
Volksbühnen-Bewahrer stellte nach der Senatssitzung einen Kompromiss vor.
Auch der verhindert zwar nicht den Abriss der beiden historischen Säle,
ermöglicht aber über einen Neubau weiterhin Theater am Kudamm. Anders als
noch vor einem Jahr kann Theaterchef Martin Woellfer sich jetzt mit einem
Saal im Untergeschoss arrangieren.
Sachlage ist, dass die beiden Bühnen im Kudamm-Karree, die „Komödie“ und
das „Theater am Kurfürstendamm“ trotz architektonischer und geschichtlicher
Bedeutung – dort wurde 1963 Hochhuths „Stellvertreter“ uraufgeführt – …
unter Denkmalschutz noch sonstigem Schutz stehen. Diverse Investoren, die
das Karree erwarben, planten ohne Theaterbetrieb.
Die jetzige Variante mit einem Theatersaal im Untergeschoss bot der
aktuelle Eigentümer, die Cells Bauwelt aus München, die in dem Karree
selbst eine Niederlassung hat, schon vor gut einem Jahr an. Laut Senator
Lederer machen drei Dinge nun den Unterschied aus: Dass die jetzige
Einigung mit einer Mietdauer von mindestens 20 Jahren von einem Notar
beurkundet ist, dass das Land dem Theater künftig viermal so viel Geld wie
bislang zuschießt, und dass Cells Bauwelt über drei Millionen für den
Ausbau des Theater zur Verfügung stellt.
Lederer, vom universitären Studium her ja nicht Theaterexperte, sondern
Jurist, sieht in dieser Vereinbarung die rechtlich größtmögliche
Verbindlichkeit. Was er als Zuschuss des Landes in Aussicht stellte, muss
allerdings noch das Abgeordnetenhaus freigeben: aus 230.000 Euro jährlich
sollen 800.000 werden. Nach Zahlen von Kultur-Staatssekretär Torsten
Wöhlert, der für Lederer die zentralen Verhandlungen führt, stehen dem etwa
beim Berliner Ensemble und beim Deutschen Theater Zuschüsse in
zweistelliger Millionenhöhe gegenüber.
Nach Vorstellungen von Cells und seinem Geschäftsführer Norman Schaaf soll
der Umbau des Karrees 2018 beginnen – im Mai jenes Jahres soll es für zwei
bis drei Jahre Bauzeit dort die letzte Vorstellung geben. Das setzt aber
voraus, dass der zuständige Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf dem Wunsch
nach schnellstmöglichem Vorgehen entspricht. Ginge es nach normalen
Bauplan, verstrichen währenddessen laut Schaaf „vier bis sechs Jahre, das
würde all unsere Pläne sprengen“.
Die Bezirksregierung machte am Dienstag aber nicht den Eindruck, als würde
es in diese Richtung gehen. „Wir sind jetzt nach den jahrelangen
Auseinandersetzungen in der Pflicht, durch eine zügige Bearbeitung der
Planung unseren Teil zum Gelingen des Kompromisses beizutragen“, meldet
sich Baustadtrat Oliver Schruoffeneger von den Grünen in einer
Pressemitteilung. In derselben Verlautbarung geht Bezirksbürgermeister
Reinhard Naumann (SPD) davon aus, dass die Kudamm-Bühnen während der
Bauzeit am Mai 2018 ersatzweise im Schillertheater spielen kann.
Das ist allein deshalb interessant, weil jenes Haus derzeit
Ausweichstandort der Staatsoper ist. Kultursenator Lederer nannte die
Nutzung des Schillertheaters zwar nur als eine Möglichkeit von mehreren,
legte sich aber anderweitig fest: „Ich bin überzeugt, dass die Staatsoper
im Mai 2018 da raus sein wird.“
Die Initiative „Rettet die Kudamm-Bühnen“ mag sich mit dem Kompromiss mit
Abriss und Neubau nicht anfreunden. Auch wenn der Theaterbetrieb mit 60
Beschäftigten erhalten bleibe – „das kann kein Theater werden, das die
Geschichte lebendig hält“, kritisierte ihre Vorsitzende, die frühere
Bundestagsabgeordnete Franziska Eichstädt-Bohlig, die auch im
Grünen-Kreisvorstand sitzt.
21 Feb 2017
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Ku'damm
Theater Berlin
Klaus Lederer
Westberlin
Kulturpolitik
Maria Furtwängler
Klaus Lederer
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