Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Abschied vom Roten Rathaus: So wird’s (erstmal) nie wieder
> Der rot-grün-rote Senat stellt in seiner letzten Sitzung Weichen für
> Flüchtlingsunterkunft. Sechseinhalb Jahre gemeinsamer Regierung sind
> vorbei.
Bild: So wie zur Jahresbilanz 2022 werden sie nicht mehr nach einer Senatssitzu…
Berlin taz | Am 8. Dezember 2016, noch am Tag der Vereidigung im
Abgeordnetenhaus, hatte es mit dem ersten Treffen begonnen. Sechseinhalb
Jahre und 317 Senatssitzungen später ist die Berliner
Regierungszusammenarbeit von SPD, Grünen und Linkspartei unter dem Kürzeln
RGR und – bis Ende 2021 – R2G Vergangenheit.
Nur eine Stunde habe das letzte Treffen gedauert, berichtete in der
anschließenden Pressekonferenz Noch-Regierungschefin Franziska Giffey
(SPD). Nach einem drängenden Beschluss zur [1][Verlängerung der
Flüchtlingsunterkunft am Exflughafen Tegel] mutmaßlich über das Jahresende
hinaus, habe sie noch etwas gesagt und den ausscheidenden Mitgliedern
gedankt. „Und dann sind wir auseinander gegangen“, sagt Giffey, „das war
eine ruhige, eine nachdenkliche Stimmung.“
Giffey kam im Dezember 2021 ins Amt und löste ihren gleichfalls von der SPD
kommenden Vorgänger Michael Müller ab, als aus einer rot-rot-grünen eine
rot-grün-rote Regierung wurde. 65 Mal tagte der Senat seither, und meistens
setzte sich anschließend Giffey selbst in die Pressekonferenz, um die
Ergebnisses zusammen zu fassen. Was vielen Journalisten gefiel, weil so
gleich die Chefin zu allem zu hören war, passte den Koalitionspartnern
weniger – sie hielten ihr vor, anderen zu wenig Aufmerksamkeit zu gönnen.
Dass Giffey, wenn auch nicht als Regierungschefin, auch künftig zumindest
gelegentlich in dem Saal der Pressekonferenz sitzen wird, der nach dem
Nachkriegs-Vize-Oberbürgermeister Ferdinand Friedensburg benannt ist,
[2][ist ein Novum in der Berliner und weithin auch der bundesdeutschen
Politik]. Noch kein hiesiger Regierungschef und seit den 50er Jahren auch
kein anderer deutscher Ministerpräsident gehörte dem nächsten Kabinett als
einfaches Mitglied an.
Bei Giffey ist das anders: Wird ihr designierter Nachfolger Kai Wegner
(CDU) am Donnerstag im Abgeordnetenhaus gewählt, wird er sie zur neuen
Wirtschaftssenatorin ernennen. Außer ihr wird von den elf derzeitigen
Senatsmitgliedern nur ihre Parteifreundin Iris Spranger, die Chefin des
Innenressorts, auch künftig am Senatstisch sitzen (siehe Seiten 18/19).
Die sechseinhalb Jahre Koalition von SPD, Grünen und Linkspartei begannen
überschattet vom Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz nur
wenige Tage nach der Vereidigung und gingen gleich im Januar 2017 mit der
[3][Debatte um den von den Linkspartei benannten Bau-Staatssekretär Andrej
Holm] und seinem schließlichen Rückritt los: Es war bekannt geworden, dass
Holm in einem Fragebogen der Humboldt-Universität die Frage nach einer
Stasi-Tätigkeit mit „Nein“ beantwortete – was nicht stimmte. Die Debatte
belastete gleich zum Start das Koalitionsklima.
Nach weiteren Streitereien brachte [4][die Coronakrise ab Frühjahr 2020]
die drei maßgeblichen Akteure, neben Müller Kultursenator Klaus Lederer von
der Linkspartei und die grüne Wirtschaftsenatorin Ramona Pop, besser
zusammen: Diverse Hilfsprogramme kamen auf den Weg, die Koalition wirkte
dabei so, als ob sie an einem Strang zog.
Dass änderte sich auch erst mal nicht, als Giffey von Müller übernahm –
auch wenn sie lieber in einer Ampelkoalition mit der FDP statt der
Linkspartei regiert hätte, aber von ihrer Partei nicht gelassen worden war:
Corona hatte Berlin Ende 2021 weiter im Griff, eins der Hauptanliegen im
Senat war, die Impfquote nach oben zu bringen.
Dann wirkten zum zweiten Mal äußere Ereignisse maßgeblich auf die Arbeit
der Landesregierung, als Ende Februar 2022, also nur zwei Monate nach der
Wahl Giffeys im Abgeordnetenhaus, Russland den zuvor vielfach ignorierten
Krieg in der Ukraine massiv ausweitete. Wie bei Corona ging es nun darum,
Hilfsprogramme auf den Weg zu bringen, nun auch wegen drohender
Energieknappheit und Inflation. Giffey und Sozialsenatorin Katja Kipping,
die frühere Bundesvorsitzende der Linkspartei, arbeiteten dabei merklich
gut und auch gerne zusammen. Das betonte Giffey nochmals vor einigen
Wochen, als eine schwarz-rote Koalition bereits auf dem Weg war.
Weit misslicher war das Verhältnis zwischen der SPD-Chefin und dem
führenden Kopf der Grünen im Senat, Bettina Jarasch. Vor allem der Streit
der beiden über die zwischenzeitlich illegale [5][Sperrung der
Friedrichstraße] belastete das Klima in der Koalition.
Zum Ende der Pressekonferenz am Dienstag bat ein Kollege vom Tagesspiegel
Giffey um eine Antwort auf das, was er „eher so eine Sportreporter-Frage“
nannte: „Wie fühlen Sie sich denn jetzt so?“ Immerhin war es trotz
Weiterregierens ihre letzte Sitzung als Senatschefin. „Das ist keine
Gefühlsfrage, sondern die Frage, wovon man überzeugt ist“, entgegnete
Giffey, um dann doch von ihrem Gefühlsleben zu berichten: „Es fühlt sich
gut an, für seine Überzeugung zu arbeiten und das mache ich.“
25 Apr 2023
## LINKS
[1] https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2023/pressemitte…
[2] /Suche-nach-Koalitionen/!5919319
[3] /Stasi-Debatte/!5370811
[4] /Berliner-Landesregierung-bessert-nach/!5681782
[5] /Nach-dem-Urteil-zur-Friedrichstrasse/!5887211
## AUTOREN
Stefan Alberti
## TAGS
Franziska Giffey
Rot-Grün-Rot
Rot-Rot-Grün
Kai Wegner
Kai Wegner
R2G Berlin
Berlinwahl 2016
## ARTIKEL ZUM THEMA
Berlins neuer Regierender Bürgermeister: In der dritten Person
Regierungschef Wegner kommt erstmals in die Pressekonferenz nach der
Senatssitzung und kündigt gleich an, das seltener zu tun als Vorgängerin
Giffey.
Schwarz-rote Koalition in Berlin: Mann ohne Vergangenheit
Wenn die SPD wie versprochen mitzieht, wird Kai Wegner am Donnerstag im
Abgeordnetenhaus zum Regierenden Bürgermeister gewählt.
Verhandlungspartner einigen sich: Rot-Grün-Rot erklimmt nächste Stufe
SPD, Grüne und Linkspartei stellen ihren Koalitionsvertrag vor, über den
nun zwei Parteitage und eine Mitgliederabstimmung entscheiden.
Rot-rot-grüne Koalition: Drei geben sich das Ja-Wort
Lange hat es gedauert, aber seit Mittwoch steht Berlins erste rot-rot-grüne
Koalition. Auch die Ressorts sind schon verteilt.
Rot-rot-grüner Senat in Berlin: Habemus #R2G
SPD, Linke und Grüne einigen sich auf einen Koalitionsvertrag. Unter
Rot-Rot-Grün wird sich einiges ändern in der Berliner Politik.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.