# taz.de -- Konzept fürs Berliner Humboldt-Forum: Frei vermitteln ist das gro�… | |
> Nun ist raus, was im wiederaufgebauten Stadtschloss geschehen soll. Die | |
> Leitung des Humboldt-Forums präsentierte ihre Pläne. | |
Bild: Es soll verschiedene Sammlungen vereinen | |
Berlin taz | So ungeduldig sie sind, die Berliner sind es inzwischen | |
gewohnt zu warten – ob in ihren Bürgerämtern oder auf den neuen Flughafen. | |
14 Jahre ist es her, dass eine Expertengruppe das Nutzungskonzept für ein | |
wiederaufgebautes Stadtschloss darlegte. Kernstück war das Humboldt-Forum, | |
das die Sammlungen des Berliner Ethnologischen Museums und des Museums für | |
Asiatische Kunst vereinen soll. | |
In drei Jahren soll das wichtigste Kulturvorhaben der Bundesrepublik | |
stehen. Im Kleinen geht es allerdings sofort los mit dem Humboldt-Forum. | |
Das jedenfalls war die Botschaft, die der Leiter des Forums, Neil | |
MacGregor, am Mittwoch im künftigen Auditorium des Schlosses dem | |
versammelten Publikum verkündete. | |
„Es ist so viel geredet und geschrieben worden. Nun ist es an der Zeit, zu | |
praktischen Beispielen zu kommen, was das Humboldt-Forum leisten kann“, | |
erklärte der frühere Direktor des British Museum in London. MacGregor hat | |
seit diesem Jahr zusammen mit Hermann Parzinger, dem Präsidenten der | |
Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), und dem Kunsthistoriker Horst | |
Bredekamp die kuratorische Gesamtverantwortung für das Projekt. | |
Einen Vorausblick bieten ab sofort wechselnde Ausstellungen, die direkt | |
nebenan in der temporären „Humboldtbox“ präsentiert werden. Die erste hei… | |
„Extreme! Natur und Kultur am Humboldtstrom“ und bezieht sich auf die | |
Forschungen Alexander von Humboldts während seiner Amerikareise 1799 bis | |
1804, die ihn auch in die Küstenregion Perus brachte. Sie ist sogleich der | |
Versuch, die Sammlungen aus dem 19. Jahrhundert – vom Totenbündel über | |
getrocknete Kräuter und konservierte Meerestiere – mit aktuellen Fragen wie | |
den Auswirkungen des Umweltphänomens El Niño zu verbinden. | |
## Von Kräuterbündeln zum Klimawandel | |
Der Anspruch an das Humboldt-Forum ist riesig: Es geht um nichts weniger | |
als die Verflechtung der Weltkulturen, die Übertragung Humboldt’scher Ideen | |
in die Gegenwart, die Schaffung eines Universalmuseums auf der Höhe der | |
Zeit. Über hundert Journalisten und Gäste drängelten sich dann auch im | |
betongrauen, nasskalten Schlossrohbau, um zu hören, welche Ideen die | |
Intendanten in den ersten Monaten ihres Tuns entwickelt haben. | |
Der wichtigste der Vorschläge, der dann auch mit einem spontanen | |
Zwischenapplaus goutiert wurde: Der Eintritt ins Museum ist frei. Alexander | |
von Humboldt, einer der Namensgeber der neuen Institution, habe einst | |
gesagt: „Ideen können nur nutzen, wenn sie in vielen Köpfen lebendig sind.�… | |
Überall dort, wo freier Eintritt praktiziert wird – etwa im Victoria & | |
Albert Museum in London – habe sich herausstellt, dass besonders die | |
Anwohner und nicht nur die Touristen das Museum nutzen, so die Begründung. | |
Der nächste Punkt: Nachdem bereits die einst geplante Zentral- und | |
Landesbibliothek aus der Beletage des Schlosses verdrängt wurde, zugunsten | |
einer Berlin-Ausstellung, die der Holländer Paul Spies erarbeitet, wird nun | |
auch die Kunstbibliothek ersetzt. Hier findet sich nun die | |
Humboldt-Akademie, das „Basislager für die Weltreise“ wie es MacGregor | |
sagt, die das Humboldt-Forum mit seinen Sammlungen und Ausstellungen sein | |
will. Ein Bildungsraum, der sich der Kulturtechnik des Sammelns und der | |
Aneignung von Wissen verschreiben soll. | |
Konzeptionell wohl am wichtigsten: Geplant ist ein neuer Typ von | |
Ausstellung, der das Humboldt-Forum definieren soll, indem er den Kontext | |
der Ausstellungsobjekte betont. Dazu sollen grundsätzlich alle Berliner | |
Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz herangezogen und auch die | |
technischen Museen eingeladen werden. | |
Ein solches interdisziplinäres Konzept ist keine Weltneuheit, allerdings | |
könnte es in Berlin mit dem Reichtum der hier vorhandenen Sammlungen auf | |
Dauer gestellt werden. | |
## Kooperation mit der Berlinale | |
Eigentlich, versteht man den Kunsthistoriker Bredekamp recht, ginge man | |
damit auf das zurück, was den Weltruhm der Humboldt-Universität begründete: | |
dass sie „ein Museum mit angeschlossenem Lehrbetrieb war“, wie er sagte. | |
Vermittlung soll also das große Ding des Humboldt-Forums werden, und | |
deshalb kommt es den Leuten entgegen. Daher will das Forum einzelne Objekte | |
in die anderen Bezirke der Stadt schaffen, um sie den Kiezbewohnern | |
nahezubringen. | |
Dazu gibt es Kooperationen mit der Berlinale, an kuratierte Filmreihen | |
außerhalb der Berlinale-Zeiten etwa zum indigenen Film, man will mit der | |
Internationalen Gartenbauausstellung in Marzahn kooperieren. | |
In Marzahn, einer Hochburg der Wutbürger, ließe sich die Probe aufs Exempel | |
machen, ob das Humboldt-Forum als Initiationsort des Weltbürgers taugt, wie | |
es Kulturstaatsministerin Monika Grütters sieht. | |
2 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Erik Peter | |
Brigitte Werneburg | |
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