# taz.de -- Tagung über das „Globale Museum“: Exit Through The Gift Shop | |
> Sind westliche Museen provinzieller Teil der Unterhaltungsindustrie? | |
> Darüber wurde in Berlin im Hamburger Bahnhof diskutiert. | |
Bild: Kulturexport des Westens: Entwurf von Jean Nouvel für den Louvre Abu Dha… | |
Anders als bei anderen Begriffen des westlichen Kulturverständnisses | |
scheint es, als sei der Begriff des Museums nicht nur wirklich universal | |
verständlich, sondern als sei seine Realisierung in Stein und Glas global | |
eine der prestigereichsten Bauaufgaben unserer Zeit. Allein in China sollen | |
seit Beginn des 21. Jahrhunderts jährlich rund hundert neue Museen | |
errichtet worden sein. Die Idee des globalen Museums, von der jetzt eine | |
Tagung der Bundeskulturstiftung gemeinsam mit dem Hamburger Bahnhof, Museum | |
für Gegenwartskunst in Berlin handelte, scheint insofern schlicht | |
durchgesetzt zu sein. | |
Auf Grundlage dieser Entwicklung meinte die Guggenheim Foundation in den | |
1990er Jahren, das Guggenheim Museum als universalen Museumsbrand | |
etablieren zu können. Nach dem Erfolg in Bilbao fallierte freilich Las | |
Vegas, in Berlin verlängerte der Partner Deutsche Bank den Vertrag nicht | |
und in Helsinki rebellierte die Kunstszene gegen einen Guggenheim-Neubau. | |
Auch in Abu Dhabi bewegt sich nichts. Immerhin, die Sammlung ist im | |
Entstehen begriffen. Reem Fadda, Direktorin der 6. Marrakesch Biennale 2016 | |
und freie Kuratorin in Amman, war von 2010 bis 2016 als Kuratorin für die | |
Sammlung der Middle Eastern Art für das Guggenheim Abu Dhabi | |
mitverantwortlich. | |
Für sie, die statt vom Mittleren Osten von Westasien spricht, existiert das | |
globale Museum nur dort, wo es nicht durch den westlich-abendländischen | |
Kunstdiskurs beherrscht wird. Für die notwendige alternative Erzählung | |
setzt sie beim Aufbau der Sammlung auf die Struktur von Kunstbewegungen. | |
Künstler sind in ihrem Selbstverständnis seit je viel beweglicher und | |
internationaler unterwegs als die Institutionen. | |
Daher findet sich die ganze Welt der Kunst eher unter dem Rubrum abstrakte | |
Geometrie als unter dem Betreff Guggenheim. Ihrer Definition des Westens | |
als einer Kultur der Akkumulation, des „immer mehr, immer größer und immer | |
höher“ freilich entsprechen die Vereinigten Arabische Emirate dann in einer | |
besorgniserregenden Weise. | |
Nach dem Guggenheim schickt sich jetzt das Humboldt-Forum in Berlin an, das | |
globale Museum zu definieren. Aus der Not heraus, das imperiale Schloss mit | |
− wie es heute heißt − Content zu versorgen, will es die außereuropäisch… | |
Sammlungen in die Mitte Berlins bringen und vis à vis der Museumsinsel, | |
also dem Reich des altbekannten Kanons, neu und ganz anders argumentieren. | |
Provenienzforschung wird grundlegend sein. | |
## Die notwendige Antithese | |
Aber während der Tagung kam einem das Humboldt-Forum nur in den Sinn, weil | |
in der derzeitigen Ausstellung zum Humboldtstrom eine wunderbare | |
Textilarbeit auffällt und Natalia Majluf, Direktorin des Museo de Arte de | |
Lima, davon sprach, dass ihrem Museum die Textilien als signifikanter | |
Bestandteil der Kultur der Anden fehlen. In ihrem Museum wie im Zeitz | |
Museum of Contemporary African Art in Cape Town, das Mark Coetzee leitet, | |
fehlt nicht der westliche Kanon, es fehlt das Eigene. „Ich will kein | |
globales Museum“, sagt Coetzee. Auch Zdenka Badovinac von der Moderna | |
galerija in Ljubljana will nicht das globale, sie will das nachhaltige, | |
mithin lokal begründete Museum. | |
Damit hatte sie letztlich die bessere Definition des Museums als | |
wissensoffener Institution gefunden, die alle Anwesenden sich wünschten und | |
die man sich wie Clementine Deliss mit Joseph Beuys als „eine permanente | |
Konferenz zu Kulturfragen“ imaginierte. Letztlich stellte sich das globale | |
Museum als Antithese des westlich-angelsächsischen Kunstmuseums heraus, das | |
in seiner Sammlung sehr viel homogener ist, als es das sein dürfte, will es | |
aufs Ganze gesehen nicht provinziell genannt werden. | |
Den Eingangsvortrag von Luis Camnitzer noch im Ohr, der das Museum als | |
Motor kreativer Energien beschwor, gerade weil er meinte, dass es sich mehr | |
und mehr als Teil der Unterhaltungsindustrie verortete, stammt die | |
treffendste Definition des globalen Museums wohl von Banksy: Man kommt aus | |
ihm nur durch den Museumshop wieder heraus. | |
Das gilt auch für die sammlungslosen Museumsneubauten in China. Architektur | |
hätte unbedingt Thema des globalen Museums sein müssen, denn wie Clementine | |
Deliss bemerkte, Museumsneubauten sind mitentscheidend für den Zugang zur | |
Kunst. Darüber, dass in Berlin ein solcher ansteht, wurde geflissentlich | |
geschwiegen. Freilich, das geplante Museum des 20. Jahrhunderts ist | |
definitiv das Gegenteil eines globalen Museums. | |
4 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
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