| # taz.de -- Kunstmesse Brafa in Brüssel: Wir sehen die anderen | |
| > Der Eklektizismus der Kunstmesse Brafa in Brüssel ist beeindruckend. | |
| > Kunstwerke aus aller Welt und beinahe jeder Zeit sind dort vertreten. | |
| Bild: Muss die Universalität des Brafa erst noch erreichen: das Humboldt-Forum | |
| Schmerz, Freude, Entsetzen? Was könnte das schmale Gesicht auf einem | |
| Holzstiel ausdrücken? Das aufgerissene Augenpaar ist mit roter Farbe | |
| untermalt, über der strengen Frisur liegt ein Blauschleier. Was wissen wir | |
| schon über die Rituale des Volkes der Umbu in Gabun, dem die gut 30 | |
| Zentimeter hohe Skulptur entstammt? Je länger der Betrachter sie anblickt, | |
| desto mehr fragt er sich: Wer schaut hier eigentlich wen an? | |
| Zu erwerben war die kleine Statue vergangene Woche am Stand der Galerie | |
| Bernard Dulon auf der Brüsseler Brafa, einer kleinen, aber feinen Kunst- | |
| und Antiquitätenmesse, die jedes Jahr Ende Januar den weltweiten | |
| Kunstmarktzirkus einläutet. Die 30.000 Euro Kaufpreis sind ein Indiz für | |
| den sozialen Radius des noblen Events. Der irritierte Blick signalisiert | |
| ein kulturelles Gefälle. | |
| Ein Ausflug in diese nur scheinbar verstaubten Jagdgründe einer | |
| geschmacksbewussten Bourgeoisie lohnt, weil man nirgends besser noch einmal | |
| so in einem klassischen Schönheitsbegriff baden kann, wie in den gut 130 | |
| hochkarätig bestückten Kojen auf dem alten Postgelände derer zu Thurn und | |
| Taxis in Brüssels Norden. | |
| Die Messe huldigt einem herrlichen Eklektizismus. Wie hier mondänes | |
| Glasdesign aus dem 20. Jahrhundert neben ägyptischen Totenmasken aus dem | |
| 11. Jahrhundert oder dem rot schimmernden Kitsch-„Carnaval des Morts“ eines | |
| Jan Fabre steht, das nähert sich dem Pop an und erinnert an ein | |
| Materiallager für ein Publikum, das sich gern historisch rückversichert. | |
| Nirgendwo sonst findet man so skurrile Kleinodien wie den korallenbesetzten | |
| Aschenbecher aus dem Sizilien des 18. Jahrhunderts neben Gabriella Crespis | |
| Ying-Yang-Schreibtisch von 1979 und einem Modell des Porsche 356 A aus dem | |
| Jahr 1956. | |
| ## Genießende Einverleibung | |
| Das Markenzeichen der Brafa ist der hohe Anteil außereuropäischer Kunst. | |
| Das macht diese Wunderkammer entlegener Kostbarkeiten zu einem Vorschein | |
| des alten Traums vom Universalmuseum, das Berlin gerade unter dem Namen | |
| [1][Humboldt-Forum] errichten will. Sie macht sie aber auch zu einem | |
| Display dessen, wie sich der europäische Blick die Kulturen der Welt | |
| genießend einverleibt: Wir sehen die anderen, sie sind die Objekte unseres | |
| Blicks. | |
| Denn die Wagenladungen ozeanischer Totems, indischer Jadebuddhas und | |
| afrikanischer Masken, die hier im schützenden Dämmerlicht bei vegetarischem | |
| Fingerfood präsentiert werden, sollen das bourgeoise Milieu ausstaffieren, | |
| nicht umgekehrt. Nicht jede Galerie schafft es wie Axel Vervoordt aus | |
| Antwerpen, die Reste einer ägyptischen Monumentalstatue aus dem 14. | |
| Jahrhundert mit Arbeiten von Vasarely oder Girke so zu kombinieren, dass | |
| eine Ahnung von Differenz und Austausch aufsteigt. | |
| Natürlich verstehen sich Messen nicht als Labor des interkulturellen | |
| Dialogs, den derzeit alle händeringend suchen. Doch wenn die „kleine Tefaf“ | |
| überlegt, wie sie aus dem Windschatten der [2][großen Schwester, der | |
| weltgrößten Kunst- und Antiquitätenmesse im niederländischen Maastricht] | |
| Anfang März heraustreten könnte, sollte sie über solch einen Regimewechsel | |
| nachdenken: heraustreten aus dieser hegemonialen Perspektive. | |
| Anders gesagt: Erst wenn auf der Brafa eine Galerie aus Papua-Neuguinea | |
| Jesusstatuen und Schweißtücher für ein anderes als bloß belgisches Publikum | |
| verkauft; erst wenn wir das Gefühl hätten, dass nicht wir die | |
| venetianischen „Mohren“ aus dem 19. Jahrhundert anschauen, die die | |
| Brüsseler Galerie Desmet für 120.000 Euro anbot, sondern sie uns, rückte | |
| die berüchtigte Formel von dem Gespräch „auf Augenhöhe“ näher. | |
| 22 Jan 2017 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ingo Arend | |
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