Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kunstmesse Art Dubai 2017: Falsche Flaggen am Golf
> Die USA igeln sich ein, die Emirate öffnen sich. Beobachtungen zum
> arabischen „Nation-Building“ rund um die Art Dubai 2017.
Bild: Triptychon „Jenin, Jenin“ des irakischen Künstlers Dia Mazzawi auf d…
„Ich bin das erste Trump-Kunstopfer.“ Die Zuhörer wussten nicht so recht,
ob sie lachen oder weinen sollten über Mohammad Salemys Sarkasmus. Nach
Donald Trumps Einreisebann irrte der iranischstämmige Kurator aus New York
seit Monaten durch Europa. Vergangene Woche saß er ausgerechnet in einem
Luxushotel am Strand von Dubai und referierte über Kunst, Globalisierung
und Grenzen.
Zu verdanken hatte Salemy das kurze Exil dem Global Art Forum. Jedes Jahr
leistet sich die Art Dubai ein hochkarätiges Gipfeltreffen der
intellektuellen Prominenz von Douglas Coupland bis Christo. Ging es 2016 um
„Future“, zerbrachen sich in diesem Jahr 40 Künstler und Wissenschaftler
den Kopf über „Trading Places“.
Anders als bei dem Art-Markt-Geplauder auf Kunstmessen sonst geht es beim
Global Art Forum anspruchsvoll, aber spielerisch zu. Während Salemys
Vortrag übertrug eine Kamera Ad-hoc-Skizzen, mit denen der daneben sitzende
Künstler Oscar Murillo auf seine Thesen reagierte. „Das ist ein Freiraum,
ohne jede Beschränkung, ein Ort für unwahrscheinliche Kombinationen“,
erklärt der bangladeschische Autor Shumon Basar, Jahrgang 1974, die Idee
des Forums, das er seit 2008 leitet.
## „Diversität und Austausch“
Genau dieses Klima kennzeichnet auch die Messe selbst. Mit 79 Galerien aus
41 Ländern war die 2007 von dem britischen Banker Ben Floyd gegründete
Schau so international wie keine der zehn Ausgaben zuvor. Arabische
Identitätspolitik via Kunst liegt der wichtigsten Messe der Region fern.
Während anderswo nationale Homogenität gefordert wird, setzt Dubai, Heimat
von mehr als 200 Nationalitäten, auf „Diversität und Austausch“, wie Myrna
Ayad und Pablo de Val, die neuen Messe-Direktoren, zu betonen nicht müde
wurden.
Vier Tage wird das Luxushotel Madinat Jumeirah, im Schatten des Burj
al-Arab, zum Refugium der Art-Aristokratie aus aller Welt, Juwelenlounge
der Schweizer Orlogerie Piaget inklusive. Doch wie kaum eine andere Messe
ist die Art Dubai auch ein Forum politischer Kunst. Die verdrehten Torsi im
Stil von Guernica in Dia Mazzawis großformatigem Triptychon „Jenin, Jenin“
zum Beispiel (Galerie Meem/Dubai).
Das Werk des 1939 geborenen Pioniers der arabischen Kunst aus Bagdad
erinnert an die Ermordung palästinensischer Flüchtlinge im Westjordanland
2002. Die subtilen, an Comics und Tuschzeichnungen orientierten Bilder
Muhannad Shonos (Galerie Athr/Jiddah), 1977 in Saudi-Arabien geboren,
erzählen von dem Problemen aller Menschen, sich in Umbrüchen und gegen
Grenzen zu behaupten.
## Offenheit und Fantasie
Offenheit und Fantasie charakterisiert die Kulturszene überall. Parallel
zur Art Dubai eröffnete in dem alten, zum Art-District umgebauten
Industrieviertel in der Alserkal Avenue Rem Kohlhaas’ funkelnagelneuer
Art-Space „Concrete“. Die faszinierende erste Schau „Syria. Into the ligh…
demonstrierte, dass das Land mehr bedeutet als nur Krieg und Assad.
Für ihr neues Arts Center in Dubai gewann die Familienstiftung Jameel die
ausgeschiedene Art-Dubai-Direktorin Antonia Carver. „Das soll ein Ort für
den Austausch kreativer Erfahrungen und Ideen werden“, bekräftigt sie im
Gespräch. Zusammen mit der Biennale im kaum zwanzig Kilometer entfernten
Emirat Sharjah entsteht am Golf ein Kulturzentrum, das auf Inhalte setzt
statt auf Prestige wie in Katar und Abu Dhabi.
Selbstverständlich sind die Emirate eine Autokratie, die auf rechtloser
Fremdarbeit und Zensur gründet. Freilich eine sanfte, verglichen mit den
martialischen Attitüden Donald Trumps. Der US-Präsident will sein Land mit
einer Mauer schließen, pumpt mehr Geld ins Militär, schleift die
Kulturagentur NEA. Die Scheiche dagegen betreiben ihr „Nation-Building“ am
Golf explizit mit Kunst und Kultur. In Sharjah wurde sogar der irakische
Kurde Walid Siti mit dem Preis der Biennale ausgezeichnet. In seiner Arbeit
„False Flags“ thematisiert er die fragwürdige Bindung an nationale Symbole.
Ob die aufgeklärten Potentaten wissen, auf was sie sich langfristig
einlassen? Um die „redefinition of freedom“ gehe es bei einem von ihr
beschirmten Projekt, so Sheika Manal, Präsidentin des „Rats für das
Gleichgewicht der Geschlechter“ der Emirate. „Um zu erkennen, dass unsere
Kreativität rahmenlos ist, müssen wir Begrenzungen überschreiten.“
Zumindest von diesem Motto könnten sich die xenophoben Emirate dies- und
jenseits des Atlantiks eine Scheibe abschneiden.
21 Mar 2017
## AUTOREN
Ingo Arend
## TAGS
Kunstmesse
Politische Kunst
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Populismus
Politische Kunst
Schwerpunkt Türkei
Beirut
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kunstinstallation hewillnotdivide.us: Einfach niedergeschrien
Internet-Trolle haben versucht, ein Netzkunstwerk zu zerstören. Es sollte
die Einheit der Amerikaner gegen Trump zeigen.
Kulturelle Strategien gegen Rechts: Der Eigensinn der Ästhetik
Kulturschaffende sollten in Zeiten des Populismus politisch handeln.
Diskussionen bringen mehr als trotzige Verweigerungsgesten.
Kunstmesse Brafa in Brüssel: Wir sehen die anderen
Der Eklektizismus der Kunstmesse Brafa in Brüssel ist beeindruckend.
Kunstwerke aus aller Welt und beinahe jeder Zeit sind dort vertreten.
Türkische Kunstszene nach Putschversuch: Tanz auf Bakunins Barrikaden
Im Ausnahmezustand wird plötzlich zum Vorteil, was jahrelang beklagt wurde:
das Fehlen einer staatlichen Kulturpolitik.
Kunstmesse in Beirut: Aufbruch ohne Sittenwächter
Frauen spielen bei der Beirut Art Fair eine große Rolle. Die Messe ist ein
Indiz für den Selbstbehauptungswillen der libanesischen Zivilgesellschaft.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.