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# taz.de -- Abgeordnetenhauswahl 2016: Berlin bleibt Berlin
> SPD, Grüne und Linke könnten erstmals zusammen regieren. Deshalb wird
> aber nicht alles anders. Im Gegenteil.
Bild: Darf wohl weiterregieren: Berlins amtierender Bürgermeister Müller im J…
BERLIN taz | Berlin ist anders, weil selbst seine Autofahrer anders sind.
Dies ergab vor Kurzem eine Umfrage des ADAC. Zur Überraschung der
Autofahrerlobby gaben 56 Prozent der Befragten, an, dass der Radverkehr in
der Hauptstadt mehr Platz brauche. 44 Prozent befürworteten einen
mindestens zwei Meter breiten Radstreifen auf allen Hauptstraßen. Und 12
Prozent der Berliner ADAC-Mitglieder gaben an, täglich mit dem Rad zu
fahren.
Mit den Autofahrern und Radlern in Berlin muss sich auch der nächste Senat
auseinandersetzen. Binnen kürzester Zeit sammelte eine Initiative mehr als
100.000 Unterschriften für einen Fahrradvolksentscheid. Die Berliner sind
zwar nicht in Wechselstimmung, aber sie wollen – unter anderem – eine
andere Verkehrspolitik. Gut möglich, dass sie die bekommen, wenn jetzt SPD,
Grüne und Linke eine Dreierkoalition eingehen, was durchaus wahrscheinlich
ist, auch wenn eventuell noch andere Bündnisse möglich wären.
Nach den ersten Zahlen vom Sonntagabend lag die SPD klar vorne und könnte
zusammen mit Grünen und Linken locker regieren – numerisch. Die Berliner
WählerInnen hätten auch keine Angst davor, obwohl die CDU auf den letzten
Wahlkampfmetern den Slogan „Keine Experimente, gegen Rot-Rot-Grün“
plakatierte. Eine gute Woche vor der Wahl ermittelte die Forschungsgruppe
Wahlen eine Zustimmung von 43 Prozent für Rot-Grün-Rot. Eine Fortsetzung
von Rot-Schwarz wollten dagegen nur 37 Prozent. Der Grund ist einfach. Fünf
Jahre SPD-CDU-Koalition: Das Lageso bekam lange Zeit die Erstaufnahme für
Flüchtlinge nicht in den Griff, der BER ist immer noch eine Baustelle, und
die Bürgerämter sind Warteämter.
Dass es dennoch keine richtige Wechselstimmung gab, spielte dem Regierenden
Bürgermeister Michael Müller (SPD) und seiner Kampagne in die Karten. Auf
den Wahlplakaten gab sich die SPD eher bescheiden. „Berlin bleibt frei“,
hieß es zum Foto einer Dragqueen, „Berlin bleibt zusammen“ zum Bild zweier
Mädchen, eines davon schwarz, „Berlin bleibt gebührenfrei“ zeigte einen
Vater mit seinem Sohn im Kita-Alter. Man kann das mutlos nennen, weil die
SPD keine Antworten auf die Fragen der künftigen Viermillionentstadt hatte
außer der, dass alles bleiben möge wie bisher.
## Freiheit à la Berlin
Andererseits spiegelten die Aussagen auch die Stimmung derer wider, die
Berlin als lebenswert empfinden. Wenn rechte Hetzer oder Islamisten Schwule
klatschen, wäre Berlin eine andere Stadt. Wenn es nicht mehr bezahlbar
wäre, ebenso. Verliert Berlin seine Kieze und wird zur Metropole wie
London, wäre es die Stadt der anderen, nicht mehr die eigene. Und offenbar
sind es SPD, Grüne und Linke, denen die WählerInnen am ehesten zutrauen,
das liebenswerte und lebenswerte Berlin, die bunte, offene und tolerante
Stadt zusammenzuhalten.
Bezahlbare Mieten, sozialer Zusammenhalt, Investitionen in Bildung, das ist
das rot-grün-rote Programm. Dass es mit der Hoffnung daherkommt, alles möge
so bleiben, zeigt aber auch, dass es durchaus die Sorge gibt, dass Berlin
auseinanderfallen könnte in segregierte Milieus, dass es nicht mehr um
Zusammenhalt geht, sondern um Rückzug, Abschottung, Schutz.
Interessant ist, dass sowohl SPD als auch Grüne auf einen Begriff
zurückgriffen, der eigentlich zum konservativen Lager gehört. „Freiheit
statt Sozialismus“ hieß es vor 40 Jahren, als die CDU/CSU die Ostpolitik
Willy Brandts zum Thema im Bundestagswahlkampf gemacht hatte. Nun werben
die Grünen mit dem Slogan „Mut zur Freiheit“. „Berlin ist eine Stadt, die
wie keine andere für Freiheit steht. Hier fiel nach Jahrzehnten der
deutschen Teilung 1989 die Mauer, weil Menschen den Mut hatten, für die
Freiheit auf die Straße zu gehen“, hieß es bei der Vorstellung der
Kampagne. Die SPD wiederum will mit ihrem Begriff der Freiheit einen Bogen
schlagen von der Luftbrücke, in der die Westalliierten die Freiheit
Westberlins verteidigten, bis zur Freiheit, so zu leben, wie man will. Man
kann es auch so sagen: In Zeiten der Globalisierung, des islamistischen
Terrors und des gesellschaftlichen Rechtsrucks verteidigen Linke die
westlichen Werte.
Ein Spagat, gewiss, aber ohne Spagat ließe sich Berlin nicht regieren.
Berlin will weiter wirtschaftlich aufholen, und gleichzeitig weiß der
Senat, dass die Stadt damit teurer wird. Berlin will als Kulturmetropole
punkten – und muss damit umgehen, dass ein verwöhntes Staatsballett die
Choreografin Sasha Waltz nicht als Kointendantin haben möchte. Zur Freiheit
Berlins gehört auch die Religionsfreiheit, gleichzeitig besteht das
Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst. Und natürlich werden die Autofahrer
ein Stück Straße abgeben müssen. Vielleicht packt die SPD aber auch die
Pläne für den nächsten Bauabschnitt der A100 aus der Tasche. Wegen dieser
Stadtautobahn war schon 2011 Rot-Grün gescheitert. Klaus Wowereit zog die
CDU den Grünen vor.
Konfliktfrei würde ein rot-grün-rotes Bündnis also bestimmt nicht werden.
Interessant wäre, auch für den Bund, ob sich die drei Partner auf Augenhöhe
begegnen oder ob die SPD versucht, die beiden Kleineren gegeneinander
auszuspielen. Die Linke hat bereits angekündigt, „Koch-und-Kellner-Spiele“
nicht dulden zu wollen und eine Art institutionalisierten
Koalitionsausschuss vorgeschlagen. Damit kann sich auch der Regierende
Bürgermeister Müller anfreunden: „Warum sollen sich die führenden Köpfe
nicht auch jenseits von Krisen abstimmen?“
18 Sep 2016
## AUTOREN
Uwe Rada
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