| # taz.de -- Wahlparty der SPD: SPD feiert schlechtestes Ergebnis | |
| > So sehen Sieger aus im Jahr 2016: Immerhin ist die Partei besser als | |
| > Noch-Koalitionspartner CDU, trösten sich die Anhänger der SPD. | |
| Bild: Sieger? Verlierer? Müller und Sigmar Gabriel am Wahlabend | |
| Auf Wahlpartys ist manchmal Beifall ein besserer Gradmesser für die | |
| Stimmung als manch wortreiches Zitat. Als die erste Prognose der ARD über | |
| die Leinwand in der Columbiahalle flimmert und der SPD-Balken bei 23 | |
| Prozent stehen bleibt, sind die SPD-Anhänger einen Moment lang sprachlos. | |
| Erst dann beginnen einige zu klatschen, und das Klatschen wird stärker, als | |
| der Balken des Noch-Koalitionspartners CDU bei 18 Prozent endet. | |
| Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus ist die Berliner SPD gerade noch | |
| einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Auch wenn die Ergebnisse | |
| zwischen der ersten Prognose und den Hochrechnungen gegen 20.30 Uhr noch um | |
| einen Prozentpunkt nach unten gehen und die SPD ihr schlechtestes | |
| Nachkriegsergebnis einfährt, bleibt sie die mit Abstand stärkste Partei. | |
| Entscheidend für das Wohlbefinden der Genossinnen und Genossen ist nämlich | |
| der Abstand zur CDU, die zur gleichen Zeit bei 17,9 Prozent liegt. Der | |
| Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat damit den | |
| CDU-Spitzenkandidaten und Innensenator Frank Henkel auf vier Prozent | |
| Abstand halten können. Bei den Wahlen 2011 lagen beide fünf Prozent | |
| auseinander. | |
| Sichtlich zufrieden, aber nicht freudestrahlend betritt Michael Müller um | |
| 18.30 Uhr die Bühne in der Columbiahalle. Mit dabei sind seine Frau Claudia | |
| und seine Mutter sowie die SPD-Bundesprominenz: Parteichef Sigmar Gabriel, | |
| Familienministerin Manuela Schwesig, Fraktionschef Thomas Oppermann. „Wir | |
| haben unser Ziel erreicht. Wir sind stärkste politische Kraft in der | |
| Hauptstadt und werden auch weiter den Regierenden Bürgermeister stellen“, | |
| sagt Müller, räumt aber ein, dass die stärkste Partei nicht unbedingt | |
| strahlender Wahlsieger sein müsse. „Wir haben aber auch ein Ergebnis, dass | |
| Ansporn für uns ist, es besser zu machen.“ Nun kommen, so Müller, auf die | |
| Partei „schwierige Gespräche und Verhandlungen“ zu. | |
| Mit dem Einzug von sechs Parteien ins Berliner Abgeordnetenhaus ist die | |
| Regierungsbildung kompliziert geworden. Weder reicht es für die Fortsetzung | |
| von Rot-Schwarz, noch für Müllers Wunschbündnis, eine Koalition mit den | |
| Grünen. Ein Dreierbündnis wird Berlin künftig regieren, und derer sind zu | |
| diesem Zeitpunkt zumindest gleich mehrere möglich: Rot-Rot-Grün, | |
| Rot-Schwarz-Gelb, CDU-Grüne-Linke, Rot-Schwarz-Grün, Rot-Schwarz-Linke. | |
| Kaum ist das Ergebnis bekannt, kündigt SPD-Fraktionschef Raed Saleh an, mit | |
| allen demokratischen Kräften über eine mögliche Regierungsbildung sprechen. | |
| „Wir sind stärkste Kraft, wir haben den Regierungsauftrag“, so Saleh, der | |
| die Verluste um sechs Prozentpunkten „sehr bitter“ nennt. Auch | |
| Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen spricht sich auf der SPD-Wahlparty für | |
| Sondierungsgespräche mit allen demokratischen Parteien aus. „Diese | |
| Gespräche dienen vor allem dazu, möglichst schnell Gemeinsamkeiten, aber | |
| auch Differenzen herauszuarbeiten“, so Kollatz-Ahnen zur taz. | |
| Unklar war zuletzt gewesen, wie sich die jüngsten Attacken der Grünen und | |
| Linken gegen SPD-Bausenator Andreas Geisel auf das Ergebnis der SPD | |
| auswirken würden. Hintergrund war eine E-Mail des Sprechers der | |
| landeseigenen Degewo, in der es unter Berufung auf Geisels Sprecher Martin | |
| Pallgen hieß, dass „kritische Berichte zur Mieterratswahl vor diesem | |
| Sonntag möglichst zu unterbinden sind“. | |
| Zwar dementierte Pallgen umgehend, dies so geäußert zu haben, und auch der | |
| Degewo-Sprecher wurde inzwischen vom Dienst suspendiert. Doch der | |
| Ausschluss von mehr als 100 Bewerbern für die Wahl der Mieterräte bleibt | |
| politischer Streitpunkt. Die grünen Fraktionschefinnen Ramona Pop und Antje | |
| Kapek warfen der SPD „Vetternwirtschaft, Filz-Vorwürfe, Tricksereien und | |
| Intransparenz“ vor. „Nach 25 Jahren im Senat nehmen es die Genossen mit den | |
| demokratischen Spielregeln offenbar nicht mehr so genau“, hieß es am | |
| Samstag. Linken-Spitzenkandidat Klaus Lederer hatte getwittert: „Starker | |
| Tobak“. | |
| Bei der SPD-Wahlparty will am Sonntag Abend kaum einer über die Affäre | |
| Pallgen sprechen. Eher ist die rechtspopulistische AfD ein Thema. Auch hier | |
| findet Michael Müller die richtigen Worte. „Wir ärgern uns alle über das | |
| Ergebnis der AfD. Aber wir haben gezeigt, Berlin wird eine weltoffene und | |
| tolerante Stadt bleiben“, so der Regierende Bürgermeister. „Wir werden sie | |
| in den Parlamenten stellen und ihnen zeigen, dass es ein verdammt kurzes | |
| Zwischenspiel sein wird.“ | |
| Die Basis hat zu dem Zeitpunkt die Entscheidung für die nächste | |
| Senatskoalition schon getroffen. Als der ARD-Moderator gleich nach den | |
| ersten Prognosen feststellt, dass die SPD-CDU-Koalition klar abgewählt sei, | |
| jubeln die 300 Gäste zum ersten Mal. Und der Jubel steigerte sich noch, als | |
| das Tortendiagramm verdeutlicht, wie groß die Mehrheit für Rot-Grün-Rot | |
| wäre. Alles andere als eine Koalition mit den Grünen und den Linken, das | |
| ist die Botschaft aus der Columbiahalle, würde die SPD zerreißen. | |
| 18 Sep 2016 | |
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