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# taz.de -- AfD und offen Rechtsextreme: Ein rein taktisches Verhältnis
> Ob in Berlin, in BaWü, in Mecklenburg-Vorpommern oder im Saarland: Die
> AfD hält die Tür für Rassisten und Antisemiten offen – bis es Krach gibt.
Bild: Zu den Verbindung zu extrem Rechten schweigt die Parteispitze vornehm
Da hat die Berliner AfD gerade noch einmal die Kurve gekriegt. Kay
Nerstheimer, der vor nicht allzu langer Zeit noch Mitglied einer
rechtsextremen Organisation war und Entsprechendes im Netz postete,
[1][wird nicht Teil der AfD-Fraktion] im Berliner Abgeordnetenhaus. Er soll
nach Angaben der Partei darauf selbst verzichtet haben. Die AfD prüft nun
parteirechtliche Konsequenzen. Fragt sich nur: Warum lässt die Partei immer
wieder Kandidaten vom ganz rechten Rand antreten und reagiert erst, wenn es
einen öffentlichen Aufschrei gibt? Alles Kalkül?
Im Fall Nerstheimer ist die Lage klar – einerseits. Der Mann gehörte nicht
nur der islamfeindlichen Kleinstpartei „Die Freiheit“ an – damit hat die
AfD ohnehin kein Problem. Er war 2012 noch „Division Leader“ der Berliner
Sektion der German Defence Legue, die vom Verfassungsschutz als
rechtsextrem eingestuft wird. Auch schrieb er allerlei Widerwärtiges über
Muslime und Flüchtlinge im Netz und wollte eine Miliz aufbauen. Das alles
konnte man vor der Wahl wissen – wenn man denn wollte.
Doch Nerstheimer war eben kein direkter Kandidat des Landesverbands, auf
der Landesliste stand er nicht. Er wurde als Direktkandidat im Ostbezirk
Lichtenberg ins Abgeordnetenhaus gewählt. Auf diese Kandidaturen hat die
Landes- oder gar Bundesspitze nur begrenzten Einfluss. Es kann also sein,
dass diese über Nerstheimers Hintergrund nicht wirklich im Bilde war.
Fraglich ist nur: Hätten sie eingegriffen, wenn sie es gewusst hätten?
[2][Der Fall Wolfgang Gedeon] in Baden-Württemberg lässt daran Zweifel
aufkommen. Gedeons antisemitische Publikationen haben in den vergangenen
Monaten für viel Wirbel gesorgt und zur Spaltung der AfD-Fraktion im
Landtag geführt. Nun waren diese Pamphlete, die Gedeon jahrelang
veröffentlichte, seit Langem bekannt. Viel spricht dafür, dass auch die
AfD-Landesspitze von ihnen wusste, auch wenn sie es später bestritt. Aktiv
aber wurde sie erst, nachdem die Presse Gedeons Antisemitismus scharf
kritisierte.
## Wählbar bis an den rechten Rand
Nun sind in der Baden-Württemberger AfD beide Flügel stark: die
Neoliberalen und die völkischen Nationalisten, Gedeon ist bei Letzteren gut
vernetzt. Viel spricht deshalb dafür, dass der Landesspitze um Jörg
Meuthen, der auch AfD-Bundeschef ist, das Durchgreifen zu heikel war. Dass
Kandidaten wie Gedeon die Partei bis weit ins ganz rechte Lager wählbar
machen, war dabei sicher auch ein Aspekt.
Ganz ähnlich ist es in Mecklenburg-Vorpommern. Hier gibt es einen
Abgeordneten, der wegen Volksverhetzung verurteilt wurde und mit den
Identitären liebäugelt, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Er war
mal Landeschef der Partei. Ein anderer, ein Rechtsprofessor, traf sich vor
einigen Jahren mit dem früheren NPD-Chef, um über eine Parteineugründung zu
debattieren, promovierte einen Neonazi und lud einen Reichsbürger zum
Vortrag in seine Jura-Vorlesung ein. Öffentliche Erregung gibt es kaum, das
Land ist an NPD-Abgeordnete gewohnt. Die Reaktion der Landesspitze: null.
Wieder anders sieht es im Saarland aus. Der Spitzenkandidat für die
Landtagswahl im Frühjahr verkauft in seinem Antiquitätengeschäft
Geldscheine aus dem Konzentrationslager Theresienstadt und Hakenkreuzorden,
das haben Stern und [3][Panorama gerade enthüllt]. Schon länger bekannt
ist, dass die Landesspitze enge Kontakte zur NPD unterhält. Seitdem dies
öffentlich wurde, betreibt die Bundesspitze die Auflösung des
Landesverbands, die Entscheidung liegt nun beim Schiedsgericht der Partei.
Was das nun alles heißt? Die AfD hat, auch wenn man einzelne
Parteimitglieder in der Spitze sicher ausnehmen muss, ein rein taktisches
Verhältnis zur Abgrenzung nach rechts außen. Sind klar rechtsextreme
Organisationen – wie die NPD – oder Antisemitismus im Spiel, ist eine
Grenze erreicht, die die AfD nicht überschreiten will. Schließlich weiß
sie, dass dies in Deutschland noch immer ein No-Go ist.
Darüber hinaus aber ist vieles möglich: Wer heute, wie Frauke Petry,
darüber diskutiert, wie der Begriff „völkisch“ positiv zu besetzen sei,
wird dies vielleicht schon morgen mit dem Begriff „Rasse“ tun.
23 Sep 2016
## LINKS
[1] /AfD-Fraktion-in-Berlin/!5339003
[2] /AfD-Fraktion-in-Baden-Wuerttemberg/!5311591
[3] https://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2016/AfD-Spitzenkandidat-handelt-mi…
## AUTOREN
Sabine am Orde
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