| # taz.de -- Wie kommen Flüchtlinge zu ihrem Recht?: Die Rechte der Anderen | |
| > Mit Willkommen werben, mit Gesetzen abschotten: Asyl erstreiten sich | |
| > viele Flüchtlinge erst vor Gericht – trotz Rechtsbeistand ein ungleicher | |
| > Kampf. | |
| Bild: Flüchtlinge und MigrantInnen treffen in Deutschland auf einen Paragrafen… | |
| Mit Unterstützung und gegen kräftige Widerstände: So lautet die einmütige | |
| Antwort unabhängiger ExpertInnen auf die Frage, wie Flüchtlinge in | |
| Deutschland „zu ihrem Recht“ kommen. Engagierte Beratungsstellen oder | |
| Migrationsrechts-AnwältInnen können gegensteuern beim erniedrigenden | |
| Termin vor der Ausländerbehörde, der rechtswidrigen Abschiebehaft oder dem | |
| Umzug zu Frau und Kind, den die Behörde rechtswidrig verzögert. Und vor | |
| allem: im Asylverfahren gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, | |
| deren Ergebnis über den weiteren Lebensweg entscheidet. | |
| Klar: Auch bei Steuer-, Renten- oder Hartz-IV-Bescheiden kann der Rat von | |
| ExpertInnen nicht schaden. Eine überhöhte Nachzahlungsforderung allerdings | |
| ist etwas anderes als in ein Kriegsgebiet zurück zu sollen. | |
| Je niedriger der soziale Status, desto nötiger der Beistand gegen | |
| staatliche Organe. Flüchtlinge und MigrantInnen treffen auf einen | |
| Paragrafen-Wust in fremder Sprache, auf Rechte, mit denen der Staat seine | |
| Abschottung organisiert. | |
| Asylgesetz, Aufenthaltsgesetz, Asylbewerberleistungsgesetz, | |
| Integrationsgesetz. Kaum ein anderer Rechtsbereich ist so vielen | |
| gesetzgeberischen Schnellschüssen je nach politischer Konjunktur | |
| unterworfen. | |
| „Wir raten durchweg zur Klageerhebung“ | |
| Das zeigt das Beispiel im Umgang mit syrischen Flüchtlingen: Noch im Jahr | |
| 2015 wurde insgesamt 101.137 Syrern der Flüchtlingsstatus zuerkannt. Weil | |
| eine politische Verfolgung allgegenwärtig und allein ihre Flucht vom | |
| Assad-Regime als regimefeindlich interpretiert wird. Nur 61 Menschen | |
| erhielten einen niedrigeren, sogenannten „subsidiären Schutz“, der besagt, | |
| dass allgemein in ihrem Herkunftsland Bürgerkrieg herrscht. | |
| Ganz anders im ersten Halbjahr 2016: Von 136.975 AsylbewerberInnen aus | |
| Syrien erhielten 19.172 einen subsidiären Schutz – ein enormer Anstieg, der | |
| sich zeitlich klar ausmachen lässt: seit März 2016. Keineswegs aber ist | |
| Syrien im April „sicherer“ geworden. Vielmehr trat das Asylpaket II in | |
| Kraft, das für den Status „subsidiärer Schutz“ anders als beim | |
| Flüchtlingsstatus den Familiennachzug für zwei Jahre aussetzt. „Um die | |
| Flüchtlingsströme besser zu bewältigen“, wie die Bundesregierung | |
| informiert. | |
| „Wir raten durchweg zur Klageerhebung“, sagt der Osnabrücker | |
| Migrationsrechtler Henning J. Bahr. Das Migrationsrecht sei so überlagert | |
| von politischen Interessen, dass eine rechtliche Beratung unumgänglich sei. | |
| Ein ungleicher Kampf | |
| Noch im April 2016 suchte das Bundesamt in einer Stellenanzeige nach | |
| AnwältInnen zur Vorbereitung für Asylentscheidungen, explizit ohne Kenntnis | |
| auf diesem Rechtsgebiet – um eine „Interessenkollision“ zu vermeiden, wie | |
| der Spiegel schrieb. Herauskommt, was herauskommen soll: Ein Asylantrag | |
| gilt da etwa als „offensichtlich unbegründet“ bei einem Afghanen, dessen | |
| Vater bei den Sicherheitsbehörden beschäftigt und dessen ganze Familie von | |
| den Taliban bedroht ist. | |
| Das Recht muss sich erkämpft werden. 2015 gab es bei 280.000 Entscheidungen | |
| über Asylanträge rund 72.000 Klage-, Berufungs- oder Revisionsverfahren. | |
| Lediglich aber 900 MigrationsrechtlerInnen sind beim Deutschen | |
| Anwaltsverein registriert. Viel zu wenig. Seit dem 1. März nun gibt es nach | |
| jahrelangen Bemühungen einen neuen Fachanwalt für „Migrationsrecht“. Das | |
| könnte fachlichen Nachwuchs bescheren. Doch es bleibt ein ungleicher Kampf. | |
| Lesen Sie mehr über die Rechte von Flüchtlingen, Migrationsanwälte und die | |
| Bedeutung von beratendem Beistand im deutschen Asylsystem in unserem | |
| Schwerpunkt in der Nordausgabe der taz.amWochenende auf Seite 41, 43 | |
| bis 45 oder im [1][E-Kiosk]. | |
| 5 Aug 2016 | |
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| Jean-Philipp Baeck | |
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