# taz.de -- Freiheitsentzug für Geflüchtete: Unterkunft mit Knast-Charakter | |
> Am Hamburger Flughafen wird das Fundament für eine Einrichtung zum | |
> „Ausreisegewahrsam“ gegossen. Die Behörden betonen, es sei kein | |
> Abschiebeknast. | |
Bild: Am Flughafen festgesetzt: Hamburg sperrt Flüchtlinge vor der Abschiebung… | |
HAMBURG taz | Hamburg macht Ernst: Die seit Anfang des Jahres angekündigte | |
sogenannte „Einrichtung zum Ausreisegewahrsam“ am Hamburger Flughafen | |
befindet sich jetzt im Bau. Im westlichen Teil des Flughafens werden | |
bereits die Fundamente gegossen, wie der Pressesprecher der Innenbehörde, | |
Frank Reschreiter, bestätigte. Im nächsten Schritt sollen dort | |
Wohncontainer aufgestellt werden, in denen Asylsuchende ein bis vier Tage | |
vor ihrer Abschiebung eingesperrt werden sollen. Zwanzig Plätze entstehen | |
dort, davon 15 für Menschen, die in Hamburg Zuflucht gesucht haben, und | |
fünf für AsylbewerberInnen aus Schleswig-Holstein. | |
Den Hamburger Behörden ist es derweil wichtig, explizit nicht von einem | |
Abschiebeknast oder von Abschiebehaft zu sprechen. „Das ist ein | |
Unterschied“, betonte Reschreiter. Hauptsächlich jedoch ein juristischer, | |
denn die beiden Formen des Gewahrsams gehen auf je unterschiedliche | |
Paragrafen des Aufenthaltsgesetzes zurück. | |
Die Abschiebehaft regelt der Paragraf 62 des Aufenthaltsgesetzes, den | |
Ausreisegewahrsam §62b. „Abschiebehaft ist eine Nummer härter als | |
Ausreisegewahrsam“, sagte Reschreiter. Der Sprecher der Hamburger | |
Ausländerbehörde Norbert Smekal präzisierte: „Die Einrichtung zum | |
Abschiebegewahrsam ist eher wie eine Unterkunft zu betrachten. Nur – man | |
kommt nicht raus.“ Zudem unterscheidet sich die Dauer des Aufenthalts in | |
beiden Einrichtungen – während man in Ausreisegewahrsam höchstens vier Tage | |
sein darf, können Menschen bis zu sechs Monate in Abschiebehaft sitzen und | |
im schlimmsten Fall kann die Dauer sogar noch um 12 Monate verlängert | |
werden. | |
Weitere Details über die Abschiebeunterkunft am Hamburger Flughafen brachte | |
die Antwort des Senats auf eine kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane | |
Schneider (Linkspartei) hervor. „Die in Gewahrsam genommenen Personen | |
werden in Einzelzimmern mit separaten Raum für WC und Waschbecken | |
untergebracht“, schreibt der Senat. Die Zimmer seien inklusive Waschräume | |
14,5 Quadratmeter groß. Außerdem gebe es vier Gemeinschaftsräume, zwei | |
Raucherräume, ein Spielzimmer, zwei Duschbereiche und zwei Außenbereiche. | |
Besuche und die Wahrnehmung rechtlicher Beratungen sollen möglich sein. | |
Kinder von beiden Elternteilen zu trennen, will der Senat „nach Möglichkeit | |
vermeiden“. Betreiberin der Einrichtung ist das Einwohnerzentralamt, zu | |
der auch die Ausländerbehörde gehört. Diese stellt auch den | |
Sicherheitsdienst. Geschätzter Kostenpunkt: 40.000 Euro pro Monat. | |
In Gewahrsam genommen werden soll am Flughafen ab Herbst, wer sich seiner | |
Abschiebung immer wieder systematisch entziehe, erklärte Smelak. Es bedarf | |
allerdings einer richterlichen Anordnung. Seit den Asylpaketen I und II ist | |
die aber leichter zu bekommen. Im Aufenthaltsgesetz steht, eine | |
Ingewahrsamnahme werde angeordnet, „wenn der Ausländer ein Verhalten | |
gezeigt hat, das erwarten lässt, dass er die Abschiebung erschweren oder | |
vereiteln wird“. | |
Wer zum Beispiel seine gesetzliche Mitwirkungspflicht verletzt hat oder | |
über seine Identität oder Staatsangehörigkeit zu täuschen versucht hat, dem | |
droht Freiheitsentzug. | |
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hatte im Januar die Innenbehörde | |
beauftragt, die Einrichtung zu schaffen. Innensenator Andy Grote (SPD) | |
lobte gegenüber dem NDR das Resultat – es sei bundesweit die erste | |
Einrichtung dieser Art. So könne man Menschen, die sich ihrer Rückführung | |
immer wieder entzögen, zukünftig noch konsequenter abschieben. | |
Kritik kam vom Flüchtlingsrat. „Es ist klar, dass das zuallererst | |
Roma-Flüchtlinge betrifft, die im Eilverfahren aussortiert werden“, sagte | |
eine Sprecherin. Der Flüchtlingsrat werde sich an Protesten beteiligen. | |
Auch Schneider kritisierte die Einrichtung. „Für besonders bedenklich halte | |
ich, dass der Rechtsschutz de facto ausgehebelt ist“, sagte sie. „Es dürfte | |
unmöglich sein, innerhalb von vier Tagen eine qualifizierte Rechtsberatung | |
zu erhalten.“ | |
15 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
## TAGS | |
Hamburg | |
Schwerpunkt Flucht | |
Abschiebe-Gefängnis | |
Abschiebehaft | |
Abschiebehaft | |
Roma | |
Abschiebung | |
Erstaufnahme | |
Roma | |
Innenminister Thomas de Maizière | |
Innenminister Thomas de Maizière | |
Schwerpunkt Flucht | |
Migration | |
Asylrecht | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Ausbau der bestehenden Anlage: Abschiebeknast am Flughafen geplant | |
Der bisherige Ausreisegewahrsam in Fuhlsbüttel soll in eine echte | |
Abschiebehaftanstalt umgewandelt werden. Aus der Einrichtung waren mehrfach | |
Leute ausgebüxt. | |
Verfolgung von Roma in Serbien: Nirgends willkommen | |
Nach seiner Abschiebung aus Deutschland hielt Lutfi R.* es nur wenige Tage | |
in Serbien aus: Als Roma werde er von der Polizei misshandelt, sagt er. | |
Abschiebegewahrsam am Hamburger Flughafen betriebsbereit: Spielplatz hinter Git… | |
Als erstes Bundesland setzt Hamburg um, was seit der Asylrechtsverschärfung | |
möglich ist: Flüchtlinge vier Tage einzusperren, um sie einfacher | |
abzuschieben. | |
Protest gegen Flüchtlings-Erstaufnahme: Demo in die Vorstadt | |
Antirassistische Gruppen protestieren heute in Rahlstedt gegen das | |
„Ankunftszentrum“. Dort würden Menschen sortiert. | |
Bremer Landespolitik wird brutaler: Erstmals Roma abgeschoben | |
In Bremen reisen diese Woche zwei Roma-Familien in ihr angeblich sicheres | |
Herkunftsland Serbien aus – eine Familie „freiwillig“, eine andere unter | |
Zwang | |
Kritik an de Maizières Sicherheitsplänen: „Duldung light“ mit fatalen Fol… | |
Thomas de Maizières Vorschläge zur Terrorabwehr stoßen auf Kritik. Einige | |
Flüchtlinge könnten in ein schäbiges Spiel geraten. | |
Maßnahmenpaket von de Maizière: Die schärfsten Wünsche | |
Von „mehr Abschiebehaft“ bis „Änderungen bei der ärztlichen | |
Schweigepflicht“ – das wünscht sich Thomas de Maizière. Was steckt | |
dahinter? | |
Besetzung in Bistum Regensburg beendet: Kirche schiebt Roma ab | |
Fünf Wochen hatten Balkanflüchtlinge in Regensburg eine Kirchenunterkunft | |
besetzt. Am Ende holte das Bistum die Polizei und ließ räumen. | |
Rechtsberatung in Abschiebehaft: Jeder Zweite ist zu Unrecht hier | |
Niedersachsen hat gleich neben dem Flughafen einen Abschiebeknast. Nun | |
können sich Inhaftierte wenigstens beraten lassen. Der Bedarf wird größer. | |
Wie kommen Flüchtlinge zu ihrem Recht?: Die Rechte der Anderen | |
Mit Willkommen werben, mit Gesetzen abschotten: Asyl erstreiten sich viele | |
Flüchtlinge erst vor Gericht – trotz Rechtsbeistand ein ungleicher Kampf. |