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# taz.de -- Protest gegen Flüchtlings-Erstaufnahme: Demo in die Vorstadt
> Antirassistische Gruppen protestieren heute in Rahlstedt gegen das
> „Ankunftszentrum“. Dort würden Menschen sortiert.
Bild: Viel besser koordiniert: „Ankunftszentrum“ am Bargkoppelstieg
Hamburg taz | Schon die Anfahrt wird für die AntirassistInnen nicht leicht.
Weil die Regionalbahn nach Rahlstedt ausfällt, müssen sie heute früh mit
dem Bus über Wandsbek oder Farmsen anreisen, oder die ruckelige Fahrt mit
dem Schienenersatzbus ab Hauptbahnhof antreten. In Rahlstedt am Bahnhof
soll es vor dem McDonald’s eine Kundgebung geben, bevor sie die rund drei
Kilometer zum „Ankunftszentrum“ am Barkoppelweg zurücklegen.
Für Geflüchtete fährt auf dieser letzten Etappe stündlich ein Shuttle-Bus.
Der ist meistens leer. Ein paar Hundert Menschen pro Monat kommen im neuen
Zentrum an, einer Sammlung von umgebauten Gewerbehallen, in denen es
Warteräume, Büros und Schlafplätze für bis zu 2.200 Menschen gibt. Sie
bleiben „so kurz wie möglich, manchmal einen Tag, manchmal ein paar
Wochen“, berichtet Daniel Posselt vom Büro des Hamburger
Flüchtlingskoordinators. Eigentlich sei man auf die neue Einrichtung stolz,
die Abläufe seien viel besser koordiniert als in der alten Erstaufnahme in
der Harburger Poststraße.
Er könne die Demo nicht verstehen, sagt Ole Buschhüter, SPD-Abgeordneter
für Rahlstedt. Das Zentrum sei dort hingekommen, weil sich eine gute
Gelegenheit bot. „Das macht die Stadt in allerbester Absicht.“
## „Die Leute sind ganz schön aufgeschmissen“
Daniel von der Demo-Vorbereitungsgruppe war ein paar Mal zur Begleitung
eines Flüchtlings in der Rahlstedter Ankunftshalle. „Nach meiner Erfahrung
sind die Leute ganz schön aufgeschmissen. Eine anwaltliche Beratung oder
Unterstützung gibt es nicht“, sagt er. Die Mitarbeiter am Bargkoppelweg
seien alle superfreundlich. „Trotzdem ist es eine Abfertigung.“
Im Demo-Aufruf heißt es: „Im Bargkoppelstieg werden die Menschen im
Schnelldurchlauf nach Herkunftsländern und Fluchtgründen sortiert. Ziel sei
eine möglichst schnelle Abarbeitung von gestellten Asylanträgen.“
„Wir sortieren die Menschen nicht“, entgegnet Posselt. Es werde nur
zunächst entschieden, wer in Hamburg bleibt oder in ein anderes Bundesland
kommt. Nachdem dann der Asylantrag gestellt und ein Gesundheits-Check
gemacht ist, kämen alle in dezentrale Folgeunterkünfte. Lediglich jene, bei
denen man den Eindruck habe, dass das Verfahren länger dauere, kämen in
eine Unterkunft in Bad Segeberg.
## Werden in Rahlstedt Menschen „sortiert“?
„Wir haben schon den Eindruck, dass die Menschen aufgeteilt werden. Dass
die, die keine Chance haben, an den Rand der Stadt abgeschoben werden“,
sagt Unterstützer Daniel. Ein Ankunftszentrum für Flüchtlinge aber „gehört
nicht an den Rand der Stadt, wo es keine Support-Struktur gibt.“
„Es muss gewährleistet sein, dass es eine Beratungsstruktur und Zugang zu
Anwälten gibt“, sagt Mira Knöter vom Hamburger Flüchtlingsrat. Auch in
anderen Städten wie Heidelberg wird zeitgleich gegen Ankunftszentren
protestiert. In Berlin, so berichtet Knöter, sei es nach Informationen der
dortigen Flüchtlingsräte sogar schon möglich, dass Familien aus den
vermeidlich sichern Balkan-Staaten noch am Abend der Ankunft abgeschoben
werden.
Das drohe auch in Hamburg. Wenn der Abschiebegewahrsam am Flughafen wie
geplant im Oktober fertig sei, könnten Menschen direkt von Rahlstedt aus in
diesen Gewahrsam kommen. Dieser Plan sei bei einer Veranstaltung der Grünen
im Rathaus zur Sprache gekommen.
## Schnurstracks in den Abschiebeknast?
„Das ist nicht geplant“, sagt Norbert Smekal, Sprecher der
Ausländerbehörde. „Schon mengenmäßig“ wäre das bei 15 Plätzen im neuen
Gewahrsam nicht zu realisieren. „Selbst wenn das Bundesamt für Migration
und Flüchtlinge einen Antrag ablehnt, hat der Antragsteller noch eine
Ausreisefrist und die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen.“
Allerdings: Bei Anträgen, die als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnt
werden, weil die Menschen aus „sicheren Herkunftsländern“ kommen, beträgt
diese Frist laut Smekal etwa eine Woche. Nicht viel Zeit also.
Die Gruppen, die am Samstag durch Rahlstedts Straßen marschieren, fordern
ein Ende des „institutionellen Rassismus“. „Wir wollen die Anwohner
erreichen“, sagt Daniel. Bei der Demo seien auch Geflüchtete dabei, die
mehrere Sprachen sprechen. „Wir hoffen, dass ein paar Leute rauskommen und
wir in Kontakt kommen.“
30 Sep 2016
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Erstaufnahme
Schwerpunkt Flucht
Hamburg
Hamburg
Lager
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